Ein Blogbeitrag von Jürgen Maier.
Jürgen Maier ist Geschäftsführer des Forum Umwelt und Entwicklung und wird Ende Februar in Abu Dhabi die Ministerkonferenz (MC13) als NGO-Vertreter begleiten. Im WTO-Blog schildert er seine Erwartungen.
Wenn die 13. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in wenigen Tagen in Abu Dhabi eröffnet wird, wird dies kaum noch als ein bedeutendes Ereignis der Weltpolitik angesehen. Die Erwartungen an die WTO könnten beinahe nicht niedriger sein: Die Zeiten, in denen Regierungen die WTO als Hauptinstrument für Marktöffnung und Deregulierung betrachteten und Nichtregierungsorganisationen die WTO als den institutionalisierten Dämon der neoliberalen Globalisierung ansahen, liegen lange zurück.
Heutzutage könnte man eher sagen, dass es bereits ein positives Zeichen ist, dass multilaterale Konferenzen überhaupt noch inmitten massiver geopolitischer Spannungen stattfinden. Der Neoliberalismus steht schon lange nicht mehr auf der Agenda westlicher Regierungen. Im Zuge der Konfrontation mit Russland und zunehmend auch China wird die Handelspolitik der Außenpolitik und Geopolitik untergeordnet. Staatliche Interventionen in die Wirtschaft nehmen weltweit zu, sei es aus geopolitischen Gründen oder im Zuge der “grünen Transformation”.
Zwar begann schon der ehemalige US-Präsident Donald Trump, mit der absichtliche Blockade der WTO-Schiedsgerichtsbarkeit offen das WTO-Recht zu brechen. Jedoch folgen sein Nachfolger und zunehmend auch die EU bereits ähnlichen Strategien. Sanktionen, Sekundär-Sanktionen, Investitionsprüfungen aus Gründen der Nationalen Sicherheit, die De-Globalisierung von strategisch wichtigen Gütern und umfangreiche staatliche Konjunkturprogramme mit offenkundig protektionistischer Ausrichtung bestimmen heute die wirtschaftspolitische Agenda des Westens.
Nach den wirtschaftlichen Verwüstungen der Corona-Lockdowns hat sich die Öffentlichkeit schnell daran gewöhnt, dass immer mehr planwirtschaftliche Elemente das Wirtschaftsgeschehen bestimmen. Neoliberale Deregulierung als handelspolitische Agenda wirkt heute wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Hinzu kommen fundamental veränderte globale Kräfteverhältnisse: Der Westen ist durch seine Politik in der Ukraine und im Nahen Osten weltweit so isoliert wie nie zuvor, und die aufstrebenden Schwellenländer, nicht nur innerhalb des BRICS-Bündnisses, lassen sich vom Westen nicht mehr bevormunden, auch nicht in Bezug auf Nachhaltigkeitskapitel in Handelsabkommen.
Die Vereinigten Arabischen Emirate als Gastgeber haben bereits Ende letzten Jahres als Gastgeber und Präsidentschaft der UN-Klimakonferenz gezeigt, dass sie mittlerweile die Klaviatur der Weltpolitik mit beachtlichem diplomatischem Geschick beherrschen. So viel Multilateralismus wie möglich, und wenn das nicht geht, versucht man es eben plurilateral. Das war das Erfolgsrezept der VAE-Präsidentschaft bei der Klimakonferenz, und das werden sie auch bei der WTO-Ministerkonferenz versuchen. Die außenpolitische Komponente der WTO-Ministerkonferenz dürfte jedenfalls weitaus interessanter sein als die handelspolitische.