Juli 2017
Die Kenianerin Stella Agara, Empfängerin des 15. Bremer Solidaritätspreises, mit temperamentvollem Auftritt auch in Brüssel
Ein Versprechen löste Stella Agara am Ende dann doch nicht ein: nämlich, dass sie die imposante Statue des Bremer Solidaritätspreises auf dem Kopf durch ihre verschiedenen Veranstaltungen und schließlich auch nach Hause tragen würde. Doch ihre Reden zur Verleihung der Würdigung zunächst im Bremer Rathaussaal und zwei Tage später auch in der Bremer Landesvertretung in Brüssel waren auch so imposant: „Wenn Gott Dich beauftragt, etwas zu tun, dann mach es besser zu hundert Prozent“, so Stella, „denn man weiß ja nie, wer zusieht.“ Dass diesmal eine Jury aus dem fernen Bremen der jungen Kenianerin bei ihrem Engagement für Steuergerechtigkeit und gegen Steuerflucht der Multis zugeschaut hatte, habe sie besonders überrascht: „Als die Post mich erreichte, habe ich erstmal einen ganzen Fragenkatalog zurückgeschickt, um zu erfahren, wie man denn eigentlich auf mich gekommen ist“, so Stella Agara.
Dreifache Entwicklungshilfe geht verloren
Das wiederum ist leicht zu beantworten: Mit ihrem temperamentvollen Engagement für Steuergerechtigkeit und Steuerflucht der Multis insbesondere in Afrika hat Stella weltweit für Furore gesorgt. Dreimal soviel wie an Entwicklungshilfe gezahlt wird, gehe dem Kontinent durch Steuerflucht verloren, so Stella; „This is my Africa.“ So hätten zum Beispiel die Panama Papiere 2010 unter anderem die Praktiken der Heritage Oil and Gas Limited Company in Uganda aufgezeigt: Durch Verlagerung des Unternehmens nach Mauritius und die Existenz eines Doppelbesteuerungsabkommens mit Uganda konnten beim Verkauf von Aktien Summen eingespart werden, die für das Budget des gesamten ugandischen Gesundheitswesens ausgereicht hätten. „18.000 Krankenschwestern und 7000 Ärzte hätten davon bezahlt werden können“, so Stella.
Dass „Geld aus Afrika gestohlen wird“ betonte auch Jury-Mitglied und Gründer von Transparency International, Peter Eigen, bei seiner Laudatio auf die Preisträgerin in Bremen. Doch nach vielen Jahren der Ignoranz komme das Thema immer mehr auf die Tagesordnung – unter anderem auch bei der G20. Die Frage aber sei: „Wird das Momentum, das durch die Panama Papers ausgelöst wurde, anhalten?“ Zu hoffen ist es, denn die „Teenager“, wie Stella Agara die Multis bezeichnet, die „zwar viel verdienen, aber dann nur Party machen und keine Verantwortung tragen möchten“, machen munter weiter mit ihren Steuervermeidungspraktiken. „Es ist höchste Zeit, darüber nachzudenken, was falsch ist mit unserem Steuersystem“, so Stella. Sie fordert ein offizielles UN-Gremium zur Kontrolle und Verhinderung von ganz legaler Steuervermeidung weltweit – ganz so, wie es die internationale Zivilgesellschaft auch 2015 bei der Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Ababa verlangt hatte.
Unterstützung für Steuerbehörden
Mit ihrem Engagement hat Stella Agara schon früh begonnen. Sie war für den African Youth Trust Fund tätig, gegründet 2005, um jungen Leuten die Chance zu geben, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Außerdem arbeitet sie für ActionAid, die Entwicklungs- und Advocacy-Organisation, die eine weltweite Kampagne gegen Steuervermeidung und für ein faires Steuersystem durchführt. In Kenia und Malawi hat Stella Agara ein Netz von Mitstreitern aufgebaut und zahlreiche Kampagnen gestartet, die für viel öffentliche Aufmerksamkeit und natürlich auch für häufigen Widerstand sorgen. „Drohungen gegen mich hat es natürlich auch schon gegeben“, so Stella. Kämpferische Worte gegen die ganz legale und doch so fatale Steuervermeidungspraxis der Multis fand in Brüssel auch der Europa-Abgeordnete Peter Simon. Er forderte, „keine Nachsicht“ mit den Multis zu haben, die höchstens ein Prozent Steuern zahlen. Insbesondere müssten auch die Steuerbehörden etwa in Sub-Sahara Afrika stärker unterstützt werden, um den Praktiken effektvoll Einhalt bieten zu können. Außerdem müsse „ein neues Narrativ“ her: „Die Unternehmen müssen selbst erkennen, dass ihr Verhalten letztlich rufschädigend und nicht gut für ihr Business ist.“ Lies Craeynest, stellvertretende Leiterin des EU Advocacy Office von Oxfam International erläuterte die Programme, mit denen Oxfam Aktivisten wie Stella unterstützt. Die Frage bleibe aber, ob die internationale Gemeinschaft insgesamt genug gegen die Steuervermeidung rund um den Globus unternehme. Auch sie forderte von der EU, die Steuerbehörden in Partnerländern stärker zu unterstützen – dort würden rund eine halbe Million Steuerbeamten benötigt.
Dass der Kampf gegen die Steuervermeidung zu gewinnen ist, da ist Stella Agara letztlich optimistisch: „Ich kann einfach nicht glauben, dass die Menschen so schlecht sind und eine solche Ungerechtigkeit zulassen.“
Der Bremer Solidaritätspreis wird seit 1988 im Zweijahres-Rhythmus vom Senat der Hansestadt an herausragende Aktivisten verliehen, die sich für weltweite Gerechtigkeit und gegen Unterdrückung einsetzen. Die ersten Preisträger waren 1988 Nelson und Winnie Mandela.
Monika Hoegen, entwicklungspolitische Fachjournalistin, Brüssel
www.monika-hoegen.de