Rede von László Maraz (Forum Umwelt und Entwicklung und BUND AK Wald)
Waldschutzkonferenz der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen am 14.6.2019 | Panel 2: Wege zum klimafesten Wald von Morgen
Wer für das Morgen plant, muss das Gestern analysieren und verstehen. Wie kam es zu der Wald- und Klimakrise, die uns so viele Sorgen bereitet? Wie können wir es besser machen?
Wenn Borkenkäfer sprechen können, würden sie folgende Worte an uns richten:
„Großen Teilen der deutschen Forstwirtschaft ist es zu verdanken, dass unser Verbreitungsgebiet um das 14-fache, nämlich von etwa zwei auf 28 Prozent der Waldfläche vergrößert wurde.
Wir bedanken uns auch bei führenden Akteuren der Jägerschaft dafür, dass der von vielen Waldeigentümern und engagierten Förstern betriebene Waldumbau in Mischwälder mangels Ihrer „Schützenhilfe“ verhindert und verteuert wurde und nur langsam vorangekommen ist.
Wenn wir mit den Fichten fertig sind, haben vielleicht Forstprofessoren, von denen einige auch im Wissenschaftlichen Beirat Wald des Bundeslandwirtschaftsministeriums sind, dafür gesorgt, dass uns viele neue Wunderbaumarten als Brotbäume zur Verfügung gestellt wurden.
Enttäuscht sind wir von den Umwelt- und Naturschützern, die die Anlage großer maschinenintensiver Holzplantagen ablehnen, und die sich gegen die Massenbaumhaltung aussprechen und Nadelbäume nur in Beimischung, in kleinen Gruppen innerhalb der Laubmischwälder empfehlen, damit für etwas Bauholz gesorgt ist.
Hilfreich war es auch, dass die forstlichen Interessengruppen es weitgehend unterlassen haben, beispielsweise an Freitagen auf öffentlichen Plätzen für echten Klimaschutz zu demonstrieren. Obwohl sie heute schon stärker von der Erdüberhitzung betroffen sind als Schülerinnen und Schüler. Stärker betroffen als Menschen, die den Hambacher Wald schützen und für den Kohleausstieg und eine echte Verkehrswende kämpfen.“
Soweit die Worte der Borkenkäfer. Sehr geehrte Damen und Herren, falls sich hiervon jemand provoziert fühlen sollte, kann ich Sie beruhigen:
Ich finde es schlimm, dass viele Waldeigentümer nicht zuletzt durch eine jahrzehntelange fehlgeleitete Forst- und Umweltpolitik wirtschaftliche Schäden erleiden oder befürchten müssen. Es ist auch provozierend, durch struktur- und artenarme Holzmonokulturen zu streifen, die von manchen Leuten in unzutreffender Weise als „Wald“ bezeichnet werden.
Bedauerlich ist auch, dass wichtige Verbandsvertreter es sträflich unterlassen, eine selbstkritische Ursachenanalyse vorzunehmen und die notwendigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Anstelle sich zu einer echten Waldwende zu bekennen, halten sie lieber die Hand aufhalten bitten um etwas Geld. Obwohl sie doch eigenen Aussagen zufolge einem wirtschaftsmächtigen „Cluster Forst und Holz“ angehören, das mit etwa 180 Milliarden Jahresumsatz vorgibt, „too big to fail“ zu sein. Geld für ein „Weiter so“?
Wir brauchen die ökologische Waldwende dringender denn je:
- Der Wald muss im Mittelpunkt stehen. Nur ein gesundes Ökosystem hat eine Chance, auch uns dauerhaft Waldfunktionen und Rohstoffe bereitzustellen. Nur die Holzwirtschaft ist nachhaltig und zukunftsfähig, die sich mit dem begnügt was der Wald leisten kann, ohne am Burnout zugrunde zu gehen.2. Die Gesellschaft möge den dringend notwendigen Waldumbau dann mit reichlichen Geld- und Personalmitteln unterstützen, wenn dieser darauf verzichtet, Holzplantagen anzulegen, Pestizide zu versprühen, Kahlschläge zu verursachen, massenweise Holz zu verbrennen oder gar neue Wunderbaumarten anzubauen, die noch weniger an die Erdüberhitzung angepasst sind als unsere heimischen Baumarten. Sie können die Klimakrise nicht totspritzen. Wir müssen die Wälder endlich umbauen.
- Wir brauchen dringend eine wald- und waldumbaugerechte Jagd. Wir dürfen es uns nicht mehr leisten, dass Laubbäume nur dann aufwachsen können, wenn wir teure Zäune bauen. Dass wir viele Jahre an Produktionszeit verlieren, weil die Verjüngung dauernd weggefressen wird. Wer überhöhte Schalenwildbestände zulässt oder sich nicht dagegen wehrt, hat die Unterstützung der SteuerzahlerInnen nicht verdient.
- Das Zulassen der natürlichen Sukzession ist als wichtige, kostengünstige und risikoarme Waldbauform zu fördern. In Laubwäldern sollte das Holz nur sehr schonend und behutsam eingeschlagen werden, um die Bestände nicht aufzureißen und der Austrocknung preiszugeben.
- Die Überforderung der Wälder als angebliche „Klimaretter“ sollte unterlassen werden. Weder das Energieholz, noch das Bauholz können einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten. Alleine der Ersatz der Braunkohle, die jährlich aus dem Tagebau Hambach gefördert wird, würde einen Holzeinschlag von mehr als 80 Millionen Festmeter Holz erfordern. Der Wald kann nicht das Versagen unserer Verkehrspolitik und unseres überzogenen Konsums von Energie und Rohstoffen ausgleichen.
- Auch die GRÜNEN haben kürzlich leider im Bundesrat für Importe von Erdgas gestimmt. Diese Fehlentscheidung können Sie mit noch so vielen Windkraftanlagen oder Elektroautos niemals wettmachen. Ohne den raschen Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern haben unsere Wälder aber keine Überlebenschance.
- Die Forstwissenschaft muss dringend neu aufgestellt werden. Wir brauchen ForstwissenschaftlerInnen, die sich ganzheitlich für den Wald engagieren, anstatt sich nur an den Begehrlichkeiten von Holzverbrauchern zu orientieren. Nachhaltigkeit definiert sich im gesunden Waldökosystem, und nicht am Markt.
- Die Forstwissenschaft sollte sich, nachdem ausführlich über die Unkosten einer Unterschutzstellung von 5% der Waldfläche berichtet wurde, endlich mit den gesamten Kosten bzw. Schäden der seit vielen Jahrzehnten stark überhöhten Schalenwildbestände befassen, diese ermitteln und Lösungen anmahnen.
- Die Waldeigentümer und die Akteure der Forstwirtschaft sollten sich nicht nur als Opfer der Wald- und Klimakrise betrachten. Sie müssen sich für Klimaschutz und für alle Wälder einsetzen, und zwar nicht nur in Deutschland oder Brasilien, sondern auch beispielsweise in Rumänien, wo derzeit alte Wälder auch in Schutzgebieten legal und illegal abgeholzt werden. Mitten in Europa.
- Wälder können die von uns verursachte Umwelt- und Klimakrise nicht für uns lösen. Wir haben den Wald zum Patienten gemacht. Es ist Zeit, ihn zu retten. Wenn dies auf ökologische Art und Weise geschehen soll, sollten wir alle dafür werben, die erforderlichen Geld- und Personalmittel bereitstellen.
Um den Schutz der Borkenkäfer brauchen wir uns auch dann nicht zu sorgen, wenn wir unsere Wälder zu hoffentlich überlebensfähigen Ökosystemen umgestaltet haben. In den Wäldern, in denen sie natürlicherweise vorkommen, aber auch in beigemischten Fichtenkleinbeständen werden sie überleben, ohne wirtschaftliche Probleme zu verursachen.
Die Borkenkäfer sind nicht schuld an der Waldkrise. Wer seinen Groll gegen die Insekten richtet, verliert die wahren Ursachen aus den Augen. Die Borkenkäfer sind Teil des Ökosystems und machen nur ihren Job.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit