Juni 2017
EU-Finanzierung für Nichtregierungsorganisationen gerät zunehmend unter Beschuss
Noch einen Tag zuvor, beim großen Treffen der europäischen Zivilgesellschaft, den Civil Society Days, hatte die EU-Außenbeauftragte, Frederica Mogherini, keinen Zweifel daran gelassen, wie wichtig die Zusammenarbeit mit eben dieser Zivilgesellschaft ist. „We need each other“ – „wir brauchen einander“, sagte Mogherini zur Zusammenarbeit zwischen Institutionen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und anderen zivilgesellschaftlichen Einrichtungen – gerade auch angesichts der gegenwärtigen Krisen, wie Konflikte in Syrien, Flüchtlingsbewegungen oder der wachsende Populismus in Europa.
Tags darauf hörte sich das bei einer gemeinsamen Veranstaltung von Vertretern der EVP-Fraktion im europäischen Parlament, der European Conservatives and Reformists Group (ECR) und NGO Monitor, einer Organisation, die das Wirken von internationalen Nichtregierungsorganisationen kritisch verfolgt, deutlich anders an. Denn da stand vor allem die nach Ansicht der Veranstalter mangelnde Transparenz und unklare Finanzierung vieler NGOs am Pranger. Schon im Frühjahr hatte der Münsteraner EU-Abgeordnete Markus Pieper, CDU, für den Haushaltskontrollausschuss eine Studie über die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen vorgelegt, die zu verheerenden Ergebnissen kam; “Transparenz gehört bei der Vergabe von EU-Geldern ganz offenbar nicht zu den Prioritäten der EU-Kommission”, hatte Pieper darin konstatiert. 1,2 Milliarden Euro habe die EU im Jahr 2015 an die NGOs für „null Transparenz“ und völlig unklare Tätigkeiten ausgegeben. Die Studie sorgte für viel Furore auch in den Medien – unter anderem berichtete Spiegel online groß darüber.
„Politisierte Hilfe“
Bei der Veranstaltung im Europäischen Parlament gingen die Kritiker jetzt noch weiter: „Das Problem sind die vielen Mehrfach-Vernetzungen mancher NGOs, die dadurch auch mehrfach finanziert werden, obwohl nicht klar ist, an welche Projekte die Gelder genau gehen“, sagte etwa Tamar Kogman von NGO Monitor und nannte als Beispiel Organisationen wie Oxfam, die Allianz der katholischen Entwicklungsorganisationen, CIDSE, Act Alliance und andere. Dazu werde Hilfe „politisiert“ und teilweise, wie etwa im Israel-Palästina-Konflikt, für Hasspropaganda oder gar „Unterstützung terroristischer Organisationen“ verwendet. Insgesamt steht bei NGO Monitor die Arbeit internationaler NGOs wie amnesty international, world vision oder Human Rights Watch in Nahost unter besonderer Kritik. In Brüssel nun schlug Kogman vor, eine interparlamentarische Gruppe zur Untersuchung und besseren Kontrolle der NGO-Finanzierung durch die EU einzusetzen.
David Zaruk, Analyst für Umweltgesundheitsrisiken, Professor an der Université Saint-Louis in Brüssel und als Blogger unter dem Pseudonym Risk-Monger heftiger NGO-Kritiker, befand, dass NGOs immer mehr „die politische Agenda der EU bestimmen“. Dabei nehme eine anti-industrielle Philosophie überhand – soweit, dass die EU mit ihren Geldern eben auch Gruppen fördere, die im Widerspruch zur EU-Politik und ihren Zielen stehe, wie etwa die TTIP-Gegner. Konkret nannte Zaruk Gruppen wie Friends of the Earth, die deutlich vom Fehlen geordneter Prüfung durch die Kommission und andere EU-Institute profitierten. Zwar sei er nicht gegen öffentliche Finanzierung der NGOs, so Zaruk, sie müsse aber ganz anders kontrolliert werden. „Die Europäische Kommission mit ihren verschiedenen Generaldirektionen ist wie eine große Familie”, so Zaruk, und weiter: „Wenn ein Kind Geld von einem Elternteil verlangt und gleich danach von einem anderen und dann vielleicht noch von einem Onkel, dann sollten die Eltern und Familienangehörigen sich doch mal zusammentun und darüber reden, oder?“ Genau das aber passiere bei der EU nicht, gleich mehrere DGs finanzierten einzelne NGOs – und das gleiche einem „Sugar Daddy“-System. Ob das Kind sich danach gut oder schlecht verhält, werde nicht weiter hinterfragt.
„NGOs fördern, heißt Leben retten“
Derlei Kritik trat Nicholas Hachez, Senior Research Fellow am Centre for Global Governance Studies in Leuven entgegen. Er betonte die Wichtigkeit von Nichtregierungsorganisationen, gerade auch für die humanitäre und menschenrechtliche Arbeit. Doch tatsächlich werde der Spielraum für die Zivilgesellschaft in vielen Ländern durch Anti-NGO Gesetze immer kleiner. Diese „shrinking spaces“ seien alarmierend, so Hachez. Dagegen bekenne sich der EU Action Plan for Human Rights eindeutig dazu, NGOs in ihrer wichtigen Arbeit zu unterstützen. „NGOs zu fördern, rettet nicht nur Leben, sondern hilft auch, den Kampf für die Menschenrechte fortzusetzen“, so Hachez. Auch Catherine Pravin, Vertreterin der Evaluation Unit bei der Generaldirektion Entwicklung, DG DevCo, trat dem Eindruck entgegen, DevCo würde keinerlei Kontrolle vornehmen. Dazu gäbe es durchaus festgelegte Mechanismen, so Pravin. Consultants prüften überdies die Arbeit der NGOs vor Ort – „und von einer Unterstützung für terroristische Organisationen ist uns da noch nie was begegnet“, so Pravin auf Nachfrage nach der Veranstaltung.
Aufgabe für den Europäischen Rechnungshof
Philippe Froidure, Direktor beim Europäischen Rechnungshof (ECA) bekräftigte, dass man den Ergebnissen des Pieper-Reports und der weiteren Kritik nun nachgehen werde – „aber da stehen wir noch am Anfang“. Allerdings gebe es auch allerlei Hürden zu überwinden – besonders intransparent und undurchschaubar seien die vielen Unteraufträge und – auftragnehmer, die es in NGO-Kreisen gebe. Zu beachten sei überdies, dass von den NGOs zu Recht Nachweispflichten verlangt würden, die seien aber oft sehr anspruchsvoll und von kleinen NGOs mit geringeren personellen und finanziellen Kapazitäten nur schwer zu leisten.
Auch in NGO-Kreisen wird hinter vorgehaltener Hand zugegeben, dass „man manchmal mauscheln muss, um alle Regularien überhaupt erfüllen zu können“. Und natürlich gebe es auch schwarze Schafe in der Szene. Den Einwand aber, wenn man EU-Gelder bekomme, dürfe man politische EU-Positionen, wie etwa die Verhandlungen über das transatlantische Handelsabkommen TTIP nicht kritisieren, lassen NGO-Vertreter nicht gelten. „Das Prinzip der Meinungsfreiheit muss gewährleistet bleiben.“
Monika Hoegen, entwicklungspolitische Fachjournalistin, Brüssel
www.monika-hoegen.de