Berlin, den 18. Oktober 2001
Der deutsche Bundestag wird sich am heutigen Tag erst wenige Wochen vor der geplanten Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) mit der Politik der Bundesregierung und der EU in dieser Organisation befassen. “Wir begrüßen, dass das Parlament sich dieses Themas überhaupt annimmt, denn durch die Zuständigkeit der EU-Kommission für die Handelspolitik findet eine parlamentarische Kontrolle der Handelspolitik kaum noch statt.”, so Martina Schaub von Germanwatch, “Allerdings thematisiert der Bundestag die WTO jetzt so spät, dass seine Beschlüsse keinen Einfluss mehr auf die Position der EU bei der Ministerkonferenz haben können.”
Der Antrag der Koalition weist auf einige Defizite der WTO hin und fordert entsprechende Reformen. Dabei greift er auch Punkte auf, die von deutschen und internationalen Nichtregierungsorganisationen (NRO) schon seit langem gefordert werden. Zu begrüßen ist u.a. der Verweis auf das Recht der Entwicklungsländer, ihre Landwirtschaft aus Gründen der Ernährungssicherheit zu schützen. Eine Revision des TRIPS-Abkommens zum Schutz geistiger Eigentumsrechte soll den Zugang der Entwicklungsländer zu kostengünstigen Medikamenten sichern und dazu führen, dass die Patentierung lebender Organismen verboten und der Stellenwert traditionellen Wissens anerkannt werden. Allerdings lässt der Antrag konkrete Forderungen an die Bundesregierung genauso vermissen wie die aus NRO-Sicht dringend notwendige Abkehr vom Konzept einer breiten Liberalisierungsrunde, die den Entwicklungsländern weitere Zugeständnisse in sensiblen Themenbereichen wie Investitions- u. Wettbewerbsregeln abverlangen soll. Auch die laufenden Verhandlungen zum Dienstleistungsabkommen (GATS) finden keine Erwähnung, obwohl sie weitreichende Auswirkungen auf die Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen bis hin zu Bildung und Wasserversorgung haben können.
“Die im Antrag genannten Reformschritte kommen zu spät und sie reichen keinesfalls aus, einen fairen und nachhaltigen Handel zu sichern, wie im Titel versprochen”, so Peter Wahl von WEED, “sie würden bestenfalls einige der besonders schwerwiegenden Probleme des WTO- Systems lindern.” Die grundlegenden Ursachen für die fehlende Nachhaltigkeit im Welthandelssystem finden keine Erwähnung, so der wachsende Einfluss multinationaler Unternehmen, der Zusammenbruch der Rohstoffpreise und die weltweite Verbreitung nicht nachhaltiger Produktions- und Konsummuster. Die von Bundesregierung und EU angestrebte neue Liberalisierungsrunde steht Schritten in Richtung eines “fairen und nachhaltigen Handels” entgegen. Angesichts der Ungleichgewichte im Welthandel wäre es Aufgabe des Parlaments gewesen, frühzeitig eine umfassende Reform einzufordern.