Doha, 11.11.01
Am zweiten Tag der Welthandelskonferenz in Doha/Katar bestätigte sich, dass der Streit um Patentrechte und deren Auswirkungen auf die Versorgung der Armen mit Medikamenten zu einem Knackpunkt der Verhandlungen auf der Welthandelskonferenz im arabischen Katar werden wird.
Die Entwicklungsländer fordern, die durch das TRIPs-Abkommen vorgegebenen komplizierten Voraussetzungen für die Erteilung von Zwangslizenzen im Gesundheitssektor weitgehend außer Kraft zu setzen. Sie wollen durchsetzen, dass keine Bestimmung des TRIPs-Vertrages sie darin behindern darf, Massnahmen zum Schutz der oeffentlichen Gesundheitvorzunehmen. Damit würden die Möglichkeiten zum Kopieren von patentierten Arzneimitteln erheblich ausgeweitet, die Chancen für den Zugang der Armen zu preiswerten Medikamenten würden verbessert.
Die USA lehnen die Vorschläge der Entwicklungsländer ab. Sie bieten statt dessen den am wenigsten entwickelten Ländern eine Fristverlängerung für die Umsetzung des TRIPs-Abkommens, so dass Indien, Brasilien, Südafrika und andere ausgeschlossen wären. Außerdem stellen sie in Aussicht, für fünf Jahre auf Klagen gegen Maßnahmen zur Bekämpfung bestimmter Krankheiten zu verzichten. Dies soll wiederum nur fuer die Laender Afrikas suedlich der Sahara gelten. Nach Einschätzung der in Katar anwesenden Vertreter deutscher Nichtregierungsorganisationen ist dieses völlig unzureichend.
Die möglichen Ergebnisse der EU-Linie sind noch nicht genau absehbar. Zwar lehnt sie den Vorstoß der Entwicklungsländer ebenfalls ab, da sie dadurch das gesamte TRIPs-Abkommen gefährdet sieht, will jedoch den Interpretationspielraum des Abkommens nutzen, um den Entwicklungsländern in einigen Bereichen entgegenkommen zu können. Beispielsweise verlautete aus der deutschen Delegation, dass sich die EU dafür ausspricht, unter bestimmten Bedingungen Zwangslizenzen für die Produktion von Generika in Dritt-Staaten explizit zu gestatten, was insbesondere für Länder ohne eigene Pharmaindustrie von grundlegender Bedeutung wäre. Diese Strategie birgt allerdings die Gefahr einer wachsweichen Erklaerung in Katar und die Ueberweisung der strittigen Punkte an die zustaendigen WTO-Gremien. Letztere allerdings sahen sich jedoch bereits im Vorfeld der Katar-Konferenz ausserstande, einen tragfähigen Kompromiss zu finden.
“Am Ende der Welthandelskonferenz muss herauskommen, dass die Staaten in Afrika, Asien und Lateinamerika ein verbrieftes Recht haben, die Armen in ihren Ländern mit preisgünstigen Medikamenten zu versorgen. Dies ist wichtiger als der uneingeschränkte Patentschutz für Pharma-Multis”, umriss Michael Frein vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) die Forderungen der Nichtregierungsorganisationen. Die NRO treten dafür ein, den Gesundheitsschutz über den Patentschutz zu stellen und den betroffenen Ländern das Recht einzuräumen, selbst zu entscheiden, unter welchen Bedingungen eine Zwangslizenz erforderlich ist. “Es kann nicht angehen”, so Michael Baumann von Germanwatch, “dass demnächst ein Streitschlichtungsgremium der Welthandelsorganisation auf der Basis handelsrechtlicher Bestimmungen über das Leben von Tausenden von Menschen in einem Entwicklungsland entscheidet, während der betroffenen Regierung die Hände gebunden sind.”