Der Dezember 2005 stand im Zeichen der beiden wichtigsten internationalen Verhandlungsprozesse, der UN-Klimakonvention und der Welthandelsorganisation WTO. Es waren wieder vorwiegend die bei WTO-Konferenzen üblichen Straßenschlachtbilder, die um die Welt gingen – militante koreanische Bauern allen voran. Szenen, wie sie in westlichen Großstädten schon öfter zu sehen waren, aber nicht in der glitzernden chinesischen Handelsmetropole Hongkong. Diese Bilder zeigten aber auch, dass die Ablehnung des von der WTO verkörperten Globalisierungsmodells weit über den westlichen Kulturkreis hinausgeht und selbst in Ländern, die üblicherweise zu den klaren Gewinnern dieses Globalisierungsmodells gerechnet werden, verbreitet ist. Der weitaus grösste Teil der Gegendemonstranten in Hongkong kam aus Asien: aus Korea, den Philippinen, Indonesien, Thailand, Bangladesh, Indien und natürlich Hongkong selbst – Westler waren eher die Ausnahme. Die ganze WTO-Ministerkonferenz stand im Zeichen eines scharfen Nord-Süd-Konfliktes, die EU stand über weite Strecken isoliert gegen eine immer enger werdende Allianz der Entwicklungsländer. Alles fordern, nichts geben wollen – diese Verhandlungsstrategie konnte nicht aufgehen. Der müde Kompromiss, den die Welthandelsorganisation schliesslich nach nächtelangen Sitzungen hinter verschlossenen Türen zustande brachte, vertagte einen Grossteil der tatsächlichen Entscheidungen. Noch ein Fiasko à la Seattle oder Cancún hätte nach Ansicht vieler Beobachter den Anfang vom Ende der WTO bedeutet. So kann die WTO nun immerhin sagen »der Verhandlungsprozess geht weiter«. Mit umgekehrten Vorzeichen kann man dies auch vom Kyoto-Protokoll sagen. Entgegen vieler Unkenrufe kam bei der Klimakonferenz im kanadischen Montréal – der ersten seit Inkrafttreten des Protokolls – ein veritables Ergebnis heraus. Die Verhandlungen über die weitere Zukunft des 2012 auslaufenden Protokolls und die Klimaschutzverpflichtungen für die Zeit danach werden nun aufgenommen. Bis zum Schluss hatten die USA im Verbund mit mächtigen fossilen Industrielobbys versucht, dies zu torpedieren. Viele europäische Regierungen waren ausgesprochen zögerlich, auch ohne die renitente Bush-Regierung den UN-Klimaprozess fortzusetzen. »Wenn wir sagen, wir müssen die USA zurück ins Boot holen, machen wir uns keine Illusionen über Bush – gemeint ist doch in Wirklichkeit unsere Industrie«, gestand ein europäischer Klimadiplomat freimütig. In der Tat hatte auch der BDI kurz vor Montréal mit einem unrühmlichen Positionspapier den Ausstieg aus Kyoto und Klimaschutz gefordert. Die neue Bundesregierung hat solchen Vorstellungen erfreulicherweise eine klare Absage erteilt. Für die 2006 beginnenden Verhandlungen für »Kyoto 2« sind das also durchaus erfreuliche Perspektiven. Alle Augen richten sich heute auf China – die Beiträge in diesem Heft über unsere Tagung zu den Umweltauswirkungen des rasanten chinesischen Wachstums sowie die »Renewables 2005«-Konferenz in Beijing schlagen die Brücke zwischen Klimaschutz und WTO-Konferenz. Welchen Weg China gehen wird, ob es versucht zumindest wichtige Elemente nachhaltiger Entwicklung umzusetzen oder ob Chinas Aufstieg gerdewegs in die Klimakatastrofe führt, ist eine der zentralen Fragen der Zukunft, und wird enorme Ausstrahlungskraft auf viele andere Entwicklungsländer haben. Eine interessante Lektüre wünscht
Jürgen Maier
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