„Kommunikation allein reicht nicht – Aktion ist gefragt“
 Manchmal hängt alles nur an einem Wort. „Ich habe einen Plan“ scheint Martin Luther King da auf dem Foto mit großer Geste vor der Menschenmenge zu rufen. Aber hoppla, hier stimmt doch was nicht? Klar, von einem „Plan“ war in dem berühmten Satz des amerikanischen Bürgerrechtlers seinerzeit nie die Rede gewesen. „Ich habe einen Traum“, hatte es da natürlich viel wirkungsvoller und mitreißender geheißen. Und genau so müssten auch die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die Sustainable Development Goals (SDGs), beschlossen im September 2015 von 193 Staaten dieser Welt, kommuniziert werden, befand Sascha Müller, Entwicklungsexperte und Campaigner – nämlich: „emotional und Verbundenheit schaffend.“ Mit dieser Ansicht stand er nicht alleine da. Die 2030 Agenda für globale nachhaltige Entwicklung und die SDGs konkret erfahrbar zu machen, in nachvollziehbare Geschichten zu übersetzen und an den Alltag und das Lebensgefühl der Bürger weltweit anzudocken – diese Herausforderung stand im Mittelpunkt des dreitägigen „Global Festival of Ideas for Sustainable Development“ (GFI4SD), zu dem verschiedene Organisationen und Unterstützter der internationalen SDG Kampagne ins World Conference Center nach Bonn geladen hatten.
Und es war tatsächlich beeindruckend, was da – knapp anderthalb Jahre nach der Verabschiedung der SDGs – alles schon an Kommunikationsmaterialien, -ansätzen und -vorschlägen kursierte. Flyer, Broschüren, Mitmach-Aktionen, offline Rollenspiele und viel digitale Beteiligungsmöglichkeiten; das „SDG Festival“ war deutlich bemüht, in einem etwas anderen Konferenz-Design daher zu kommen. Allem voran dabei das interaktive Online-Spiel 2030 Hive Mind, das jeden Konferenzteilnehmer zum Entscheider im komplexen politischen Prozess zu Gunsten der 17 SDGs und ihrer 169 Unterziele in einem fiktiven Land machen sollte – ob immer ganz zielführend oder zuweilen doch ein bisschen zu fiktiv, komplex und zeitraubend, sei dahingestellt. In jedem Fall bediente das Festival die kommunikativen Bedürfnisse der digitalen Community und damit zugleich der vielen auffallend jungen Teilnehmer aus aller Welt. UN Michael Toomey, Global Director der jetzt in Bonn ansässigen UN SDG Action Campaign sprach dann auch von der “first playable conference“, der ersten Konferenz, die auch spielerisch daher kam.
Vom Spiel ging es aber auch schnell wieder zurück in die Realität – in den zahlreichen Diskussionsrunden und Workshops, die das dreitägige Programm enthielt. Eine Realität, in der es immer noch schwierig ist, Journalisten, Medien, die breite Öffentlichkeit für das Thema SDGs zu begeistern. Wie das besser gelingen kann und wie selbst neue Formen von PR und Werbung, wie das so genannte „Influencer Marketing“ mit sympathischen Protagonisten und Aktivisten für die gute globale Sache genutzt werden könnten, waren denn auch Themen mehrerer Workshops. Die zentralen Fragen blieben dabei gleich: Soll die 2030 Agenda in ihrer Komplexität vermittelt werden – oder lieber durch das Thematisieren einzelner Ziele, je nach Anlass und Zielgruppe? Wie viel Abstraktion und Gesamtdarstellung sind nötig, wo sollte man lieber konkret werden, Stories, Beispiele, Projekte vorstellen? Vieles davon blieb offen – klar wurde am Ende nur: Information über die SDGs allein reicht nicht, um eine sozial und ökologisch gerechtere und lebenswerte Welt für alle zu erreichen. Das gelingt nur, wenn auch der Schritt hin zur Aktion gelingt.
Gerade das aber ist nicht immer ganz einfach. Beispiel: Kommunale Umsetzung der SDGs. Wie bei vielen anderen Veranstaltungen zu diesem Thema zeigte sich auch auf dem Bonner Festival: allzu Konkretes kommt aus den Städten und Gemeinden zuweilen noch nicht. Da besteht häufig eher die Versuchung, ohnehin schon bestehende Initiativen – Partnerschaften mit dem globalen Süden, Fairtrade-Aktionen oder Nachhaltigkeitsansätze in den Stadtwerken – unter die SDGs zu subsumieren und sich so erste „Erfolge“ auf die Fahnen zu schreiben. Was mit dem Inkrafttreten der globalen 2030 Agenda zusätzlich getan werden muss, und wo – – abseits von löblichen Projekten – grundlegende Strukturen verändert werden müssen, auch durch neue regulatorische Rahmenwerke, das bleibt immer noch vage.
Schließlich reicht es nicht aus, nur an die Bürger zu appellieren und sie zum Umdenken, Energiesparen, bewusstem Einkaufen und einem generell verantwortungsbewussteren, sozial und ökologisch nachhaltigem Handeln zu bewegen. Handeln müssen vor allem die politischen Entscheider – egal, ob auf lokaler, nationaler oder internationaler Ebene. Die allerdings fehlten weitgehend auf dem Bonner SDG Festival. Zwar schickte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, seinen Beauftragten für die Nachhaltigen Entwicklungsziele, Ingolf Dietrich. Minister, etwa aus den Entwicklungs- und Umweltministerien dieser Welt, waren hingegen weit und breit nicht zu sehen – geschweige denn eine Kanzlerin oder andere Staatsoberhäupter.
„Wir sollten deshalb auch nicht so viel darüber nachdenken, wie wir die SDGs zu den Bürgern in unseren Fußgängerzonen kommunizieren“, so Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung, „viel mehr müssen die Nachhaltigkeitsziele endlich in den Köpfen unserer Politiker ankommen“. Eine reformierte gemeinsame Agrarpolitik, die der Nachhaltigkeit Rechnung trägt, „wäre doch das Beste, was die EU zu den SDGs beitragen kann“, so Maier.
Immerhin: In der digitalen Welt des Festival Spiel „Hive Mind“ waren am Ende die Ziele 3: Gesundheit für alle, 5: Geschlechtergerechtigkeit und 13: Maßnahmen zum Klimaschutz erreicht. In der realen Welt des Jahres 2017 ist die Menschheit davon allerdings noch weit entfernt. Dabei darf sie sich allzu viel Zeit mit der Umsetzung der SDGs nicht lassen, wie Elizabeth Stuart vom Overseas Development Institute, ODI, Mitorganisator des Festivals, in ihren Schlussworten befand: „Wenn wir in den ersten 1000 Tagen nicht weiterkommen, wird es schwierig sein, die 2030 überhaupt zu schaffen.“
Diese ersten 1000 Tage der UN-Nachhaltigkeitsagenda sind im kommenden Jahr 2018 vorbei. Was bis dahin erreicht wurde, kann schon bald wieder kritisch hinterfragt werden – denn ab jetzt soll das SDG Festival jährlich stattfinden.
Von Monika Hoegen, entwicklungspolitische Fachjournalistin Köln/Brüssel