Forum Umwelt & Entwicklung fordert die Bundesregierung auf, für die Reduzierung des Welthungers ihre Wirtschafts- und Agrarpolitik umzugestalten
Derzeit hungern weltweit rund 800 Millionen Menschen. Obwohl die Vereinten Nationen 1996 einen Aktionsplan entwickelten, um diese Zahl bis zum Jahr 2015 auf 400 Millionen zu reduzieren, hat sich an der Situation nicht viel geändert. “Die Ursache für Hunger liegt nicht im Mangel an Nahrungsmittel begründet, sondern in einer Politik, die es den armen Menschen insbesondere in Entwicklungsländern nicht ermöglicht, sich ausreichend zu ernähren.” fasst Rainer Engels vom Forum Umwelt & Entwicklung die Position vieler deutscher Verbände zusammen. “Deshalb muss sich die Bundesregierung beim Welternährungsgipfel im Juni 2002 für eine faire Welthandelspolitik einsetzen.” Die Bundesregierung wird aufgefordert mit einer Umgestaltung ihrer Wirtschafts und Agrarpolitik das international verankerte Menschenrecht auf Nahrung umzusetzen. In einem 10-Punkte-Katalog haben zahlreiche Umwelt und Entwicklungsverbände die hierfür notwendigen Maßnahmen formuliert. Zu den Unterzeichnern des Forderungskatalogs gehören u.a. MISEREOR, Brot für die Welt, FIAN, GERMANWATCH, der Naturschutzbund Deutschland und der World Wide Fund for Nature. Die Bundesregierung soll sich bei der WTO dafür einsetzen, dass Patente auf Leben verboten werden, weil sonst das traditionelle Recht der Bauern und Bäuerinnen ihr eigenes Saatgut auszusäen, zu tauschen, und weiter zu entwickeln, unterlaufen wird. Die zu entrichtenden Lizenzgebühren stellen Kosten dar, die für viele kleinbäuerliche Betriebe nicht zu tragen sind. Technologien, die die Sterilität von Saatgut bewirken, dürfen ebenfalls nicht zugelassen werden, weil sie Bauern und Bäuerinnen in eine Abhängigkeit von Saatgutfirmen treiben. Auch die Exportpolitik der EU führt dazu, dass viele Menschen in der Dritten Welt an Hunger leiden. Die Subventionierung des Exports von Agrarprodukten wie Rindfleisch, Milchpulver und Getreide in Entwicklungsländer hat zur Folge, dass die lokal hergestellten Produkte nicht kostendeckend verkauft werden können. Die billigen Agrarprodukte aus den Industrieländern bedrohen die Existenz der Kleinbauern in Entwicklungsländern. Das Forum fordert deshalb, die Agrarsubventionen der EU und der USA abzubauen und die frei werdenden Gelder für eine ökologisch und sozial verträgliche Agrarentwicklung im Norden und Süden einzusetzen. Grundsätzlich kann die Förderung von Frauen einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der weltweiten Ernährungssituation leisten. Frauen ist daher verstärkt der Zugang zu Bildung, Krediten und Ressourcen wie Wasser, Saatgut und Land zu ermöglichen. Das Forum Umwelt & Entwicklung begrüßt die Initiative von Landwirtschaftsministerin Künast, einen internationalen Verhaltenskodex zum Recht auf Nahrung zu entwickeln, als ersten wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Weitere Informationen: Folgende Faltblätter können beim Forum Umwelt & Entwicklung kostenlos bestellt werden: “Den Hunger beenden – Das Menschenrecht auf Nahrung durchsetzen: Forderungen an die Bundesregierung zum Welternährungsgipfel im Juni 2002 in Rom” “Schluss mit dem Terminator-Saatgut: Die Abhängigkeit der Welternährung von multinationalen Firmen braucht Grenzen” “Wer verantwortet den Hunger in der Welt? – Staaten, internationale Organisationen und Unternehmen in der Pflicht” (erscheint in Kürze) Rainer Engels – Sprecher der AG Landwirtschaft und Ernährung im Forum Umwelt & Entwicklung :
Tel: 0228 – 60 49 215
Forderungskatalog des Forum Umwelt & Entwicklung zum Welternährungsgipfel 2002 der Food and Agriculture Organisation.
Obwohl sich die Vereinten Nationen bereits 1996 auf dem Welternährungsgipfel die Halbierung des Welthungers zum Ziel gesetzt hatten, hungern weltweit immer noch 815 Millionen Menschen – gerade mal 25 Millionen weniger als vor sechs Jahren. Die FAO beklagt v.a. den fehlenden politischen Willen der einzelnen Staaten zur Umsetzung des 1996 beschlossenen Aktionsplans.
Auch die Bundesrepublik Deutschland hat bisher wenig getan, um zur Reduzierung des Welthungers beizutragen. Das Forum Umwelt & Entwicklung fordert deshalb die Bundesregierung auf, ihre nationale und internationale Agrar- und Entwicklungspolitik im Sinne einer nachhaltigen Wirtschaftsweise sowie fairen Handelsbedingungen zu gestalten und an folgenden Eckpunkten auszurichten:
1. Ernährungssicherung muss Ernährungssouveränität, also das Recht auf eine eigenständige Agrarpolitik und Nahrungsversorgung gewährleisten. Dies gilt nicht nur für Staaten, sondern auch für indigene Völker, regionale und lokale Gemeinschaften. Ernährungssicherung muss auch gesundheitliche und soziale Rahmenbedingungen einschließen, die einer angemessenen Ernährung förderlich sind.
2. Die internationale Agrar- und Handelspolitik muss der Ernährungssicherung dienen. Dabei sind der Ernährungssicherung und dem Menschenrecht auf angemessene Ernährung Priorität vor Handelsliberalisierung einzuräumen. Denn die Staaten haben 1993 auf der UN-Menschenrechtskonferenz erklärt, dass der Schutz und die Förderung der Menschenrechte vorrangig für alles staatliche Handeln sein sollen.
3. Die Bundesregierung soll v.a. in der Welthandelsorganisation (WTO) auf eine Änderung des Patentrechts hinwirken, so dass Patente auf Leben nicht mehr zulässig sind. Terminatorsaatgut und alle anderen Technologien, die die Sterilität von Nutzpflanzen und damit die Abhängigkeit der Bäuerinnen und Bauern von Saatgutfirmen bewirken, dürfen ebenfalls nicht zugelassen werden. Biopiraterie, d.h. die Nutzung von Genmaterial ohne Zustimmung und finanzielle Beteiligung der indigenen und lokalen Gemeinschaften, die die Nutzpflanzen und Haustiere gezüchtet haben, muss aktiv unterbunden werden.
4. Das traditionelle Recht der Bäuerinnen und Bauern ihr eigenes Saatgut auszusäen, zu tauschen und weiterzuentwickeln (Farmers Rights), trägt wesentlich zur Erhaltung genetischer Ressourcen bei. Die Bundesregierung sollte Bestrebungen, die Farmers Rights völkerrechtlich zu etablieren, unterstützen. Die Bundesregierung und die EU-Staaten sollen den neuen Internationalen Vertrag über Pflanzengenetische Ressourcen bis zum Welternährungsgipfel im Juni 2002 ratifizieren.
5. Für den Aufbau einer nachhaltigen Agrarpolitik in Entwicklungsländern müssen Strukturhilfen gegeben werden. Dabei müssen marktverzerrende Agrarsubventionen des Nordens abgebaut und die hierdurch freiwerdenden Mittel für eine ökologisch und sozial verträgliche Agrarforschung und Agrarentwicklung sowie für entsprechende multilaterale Fonds genutzt werden.
6. Agrarreformen und der Zugang zu Land müssen ein zentrales Element der bundesdeutschen Entwicklungszusammenarbeit werden. Die Bundesregierung soll sich bei der Weltbank dafür einsetzen, dass die “marktgestützten Landreformen” unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten überarbeitet werden.
7. Die Ernährungssicherung muss in den Strategien der Bundesregierung für Armutsbekämpfung und Nachhaltigkeit als konstitutives Element verankert werden. Die Politik der Bundesregierung in den internationalen Finanzorganisationen Weltbank und Internationaler Währungsfonds sowie in der Welthandelsorganisation soll mit diesem Ziel kohärent sein. Ebenso muss die Ernährungssicherung auf dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung im August 2002 einen prominenten Platz einnehmen.
8. Die Bundesregierung muss stärker als bisher dem Fakt Rechnung tragen, dass die Förderung von Frauen einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Welternährung leisten kann. Frauen ist beispielsweise verstärkt der Zugang zu Bildung, Krediten und Ressourcen wie Wasser, Saatgut und Land zu ermöglichen.
9. Die Bundesregierung soll sich für die Verabschiedung eines Verhaltenskodex zum Recht auf Nahrung durch die FAO einsetzen und für die Anerkennung des Kodex durch andere Staaten, insbesondere die USA.
10. Die in Deutschland für Entwicklungszusammenarbeit bereit gestellten Mittel sollen bis zum Ende dieses Jahrzehnts auf 0,7% des Bruttonationaleinkommens erhöht werden. Bundestag und Bundesregierung sollen dafür einen verbindlichen Zeitplan aufstellen.
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Folgende Verbände und Organisationen unterstützen den Forderungskatalog des Forum Umwelt & Entwicklung zum Welternährungsgipfel 2002
– Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. (AbL)
– AGRECOL e.V.
– AKE-Bildungswerk
– Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt e.V. (ASW)
– Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung (biz)
– Brot für die Welt
– BUKO Agrar Koordiation
– Deutsche Kommission Justitia et Pax
– Deutscher Naturschutz Ring e.V. (DNR)
– Evangelischer Entwicklungsdienst e.V
– FIAN
– Frauenumweltnetz
– GERMNWATCH
– Kirchliches Forschungsheim Lutherstadt Wittenberg (KFH), Fachstelle Umwelt und Entwicklung
– Mensch & Region
– MISEREOR e.V.
– Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
– Naturland e.V.
– Pesticide Action Network Germany (PAN)
– terre des hommes Deutschland e.V.
– urgewald e.V.
– umdenken, Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg e.V.
– World Economy, Ecology & Development e.V. (WEED)
– Welthaus Bielefeld
– Weltladen-Dachverband
– Wissenschaftsladen Bonn e.V.
– World Wide Fund for Nature Deutschland (WWF)