Erwartungen der deutschen NGOs
- Das Ambitionsniveau sollte nicht hinter den Strategischen Plan 2010-2020 zurückfallen und muss im Entwurf erhöht werden – Der Verlust der biologischen Vielfalt sollte durch die Aichi-Targets bis 2020 aufgehalten und ein positiver Trend eingeleitet sowie eine nachhaltigere Nutzung sichergestellt werden. In den Zielen muss sich das gesamte Spektrum des bisherigen strategischen Plans widerspiegeln, und es muss die Kontinuität bei der Umsetzung gewährleistet sein.
- Verbindliche Umsetzungs- , Rechenschafts- und Monitoringmechanismen müssen erarbeitet werden. Die aktuellen Formulierungen sind nicht verbindlich genug. Die Nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne sind weiterhin das grundlegende Mittel zur Implementierung des globalen Rahmens, sie sollten jedoch international vergleichbar, durch entsprechende Indikatoren und ein transparentes Berichtswesen aussagekräftig und bezüglich der nationalen Umsetzung überprüfbar sein.
- Die Vertragsstaaten sollten sich zur Einhaltung von bestimmten Prinzipien bei der Umsetzung des GBF verpflichten (Schutz der Menschenrechte, Einbindung von IPLCs, Vorsorgeprinzip, Gender- und Generationengerechtigkeit etc.)
- Der GBF muss auf nationaler Ebene höchste Priorität haben und durch die gesamte Regierung gemäss ihren Zuständigkeiten unter Koordination durch die Regierungschefs sektorübergreifend umgesetzt werden (whole-of-government approach).
- Nur durch eine klare Ansprache der Treiber (direkte wie indirekte) kann der Verlust der biologischen Vielfalt aufgehalten und ein nachhaltiger Wandel eingeleitet werden. Dazu gehört insbesondere auch der sofortige Abbau biodiversitätsschädigender Subventionen und Anreize.
- Die 20 Umsetzungsziele bis 2030 sollten sich gegenseitig unterstützen und nicht im Widerspruch zueinander stehen
- Eine ausreichende Finanzierung der Maßnahmen, die für das Erreichen der Biodiversitätsziele nötig sind, muss sichergestellt werden – auf globaler und nationaler Ebene. Gleichzeitig muss die Nutzung der Biodiversität nachhaltig gestaltet werden und biodiversitätsschädigende Anreize eliminiert bzw. in positive Anreize umgewandelt werden, was des Finanzbedarf erheblich verringern würde (s. OECD 2019).
Bewertung des Zero Drafts
Positiv:
- Der whole of government approach wird an zwei Stellen genannt. Er sollte unbedingt erhalten werden. Insbesondere die draft decision, para 6 b), ist bedeutsam, da diese die Parties dazu aufruft, ihre NBSAPs unter Einbeziehung zu aktualisieren und ihre nationalen Verpflichtungen darin als whole-of-government policy Instrumente zu beschließen. Das nahe verwandte Thema “Mainstreaming” wird jedoch kaum erwähnt..
- Ein großer Teil der Inhalte der Aichi-Ziele findet sich auch im neuen GBF wieder. Es fehlen aber wichtige Teile der Aichi-Ziele 4 (Produktion und Konsum), 6, 7 (Forstwirtschaft, Fischerei) und 11 (Schutzgebietskriterien, Management u.a.) und eine klare Ansprache der Sektoren.
Negativ:
- Für den Misserfolg der bisherigen Ziele waren in erster Linie die mangelnde Umsetzung und das Fehlen von Vergleichbarkeit, Transparenz, verbindlichem Review-Prozess, compliance und Sanktionsmöglichkeiten verantwortlich. Die in Kapitel G des zero drafts genannten Vorschläge müssen unbedingt weiter ausgeführt und konkretisiert werden. Neben dem whole governance approach und einer breiten Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Umsetzung müssen unter anderem die Sektoren durch klare Ziele und Aktionen in den GBF eingebunden werden, die Umsetzung sollte durch Regulierungen und Gesetze unterstützt und regelmäßig überprüft werden. (Siehe e.g. IPBES Empfehlung zur besseren Umsetzung bestehender Policies).
Von der Stärkung der Umsetzungsmechanismen hängt der Erfolg des post-2020 GBF massgeblich ab.
- Die Notwendigkeit einen transformativen Wandel einzuleiten (siehe IPBES Global Assessment) wird in der Einleitung deutlich anerkannt, spiegelt sich jedoch weder in ausreichendem Maße in den langfristigen Zielen bis 2050 noch in den Umsetzungszielen bis 2030 wieder.
- Die durch die Langzeitziele für 2050 festgelegte Zeitachse impliziert, dass die 2030er Ziele ein weniger ambitionierter Zwischenschritt auf dem Weg dorthin sind. Dies führt zu einer Abschwächung mancher 2030er Ziele im Vergleich zu den Aichi-Zielen und lenkt ab von der hohen Dringlichkeit des laut Wissenschaft notwendigen transformativen Wandels (siehe IPBES Global Assessment). So zielt AT 12 nur auf die Eliminierung der schädlichsten Subventionen bis 2030 ab, während Aichi-Ziel 3 die Abschaffung aller schädlichen Anreize bis 2020 festlegt. Diese Abschwächungen müssen entfernt und der Fokus auf 2030-Ziele gelegt werden, um das richtige Ambitionsniveau zu gewährleisten sowie der hohen Handlungsdringlichkeit gerecht zu werden.
- Es ist unklar, warum in long-term goal d) nur 4 der 18 im IPBES-Global Assessment genannten Beiträge der Natur für die Menschen genannt sind. Wir schlagen vor, einfach generell festzulegen, dass diese Beiträge der Natur für die Menschen aufrechterhalten und gewährleistet sind, zumal einige der Beiträge der Natur für den Menschen unter den Action targets genannt werden.
- Das Thema “nachhaltige Nutzung” mutiert insbesondere im Langfristziel d und im Abschnitt b der Action Targets (“meeting people’s needs”) im wesentlichen zum Ziel, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Ziele 6-11 rufen mit quantitativen Werten dazu auf, den Beitrag der Biodiversität zur Eindämmung des Klimawandels (AT6), zur Ernährungssicherheit (AT7,8) oder zur Produktion der Landwirtschaft (AT8) um X% zu steigern. Diese Forderungen stehen nicht im Einklang mit den Zielen der CBD, die Biodiversität zu erhalten und ihre nachhaltige und faire Nutzung sicherzustellen. Wechselwirkungen mit anderen Sektoren sollte die CBD durchaus ansprechen. Aufgabe der CBD ist es aber, dabei die Belange der Biodiversität zu vertreten, auch im Sinne der 2050-Vision. Auch eine Produktionssteigerung, z.B. durch “nachhaltige Intensivierung”, kann sich in vielen Regionen der Welt negativ auf die Biodiversität auswirken und Widersprüche zwischen den Zielen verursachen. Diese quantitativen Werte müssen hier gestrichen werden. Besser wäre es, auch im Sinne der Globalen Nachhaltigkeitsziele, den Anteil der biodiversitätsverträglichen Produktion in den Sektoren zu erhöhen (idealerweise auf 100%).
- Die Direkten Treiber werden nicht konkret genug angesprochen. Für den Treiber “Land and sea use change” ist die Formulierung sehr schwammig, es fehlen konkrete Ziele und Indikatoren zum Erreichen der Ziele. Es wird z.B. nicht angesprochen, wie Agrobiodiversität bzw. Biodiversität in genutzten Systemen erhalten werden kann. Andere relevante Bereiche wie Infrastruktur oder Bergbau werden ebenso nicht genannt. Im AT 4, in dem Umweltverschmutzung angesprochen wird, werden Pestizide nicht genannt. AT 6 spricht sich für Klimaschutz und Klimawandelanpassung aus und es wird auch ein konkretes Ziel formuliert, allerdings scheint das Konzept von Nature Based Solutions nicht ganz passend definiert. Dort sollte berücksichtigt werden, dass Nature Based Solutions das Potential besitzen müssen, zu Biodiversitäts- und Klimaziele gleichermaßen beizutragen (Synergie-Effekte) und nicht nur “nicht biodiversitätsschädigend” sein sollten.
- Die Indirekten Treiber werden bei weitem nicht ausreichend angesprochen. Zwar spricht sich AT 14 für die Reform des ökonomischen Systems und nachhaltigere Lieferketten im allgemeinen aus. Jedoch wird bisher nur vorgeschlagen, die Anzahl von Akteuren des privaten Sektors zu erfassen, die Biodiversität in ihren Strategien berücksichtigen, und aussagekräftige Indikatoren zur Verringerung des ökologischen Fussabdrucks fehlen. Wir schlagen vor, den Text von Aichi Ziel 4 als Basis für ein Ziel zum Thema Produktion/Konsum zu nehmen, und ein weiteres zum Thema Handel/Wirtschaft einzufügen. Beim Konsum (Action target 17) wird im Gegensatz zu Aichi-Ziel 4 nur auf die Rolle der Konsumenten, nicht aber auf jene der Regierungen und der Wirtschaft eingegangen.
- Das Grundprinzip, dass Naturschutz und Naturnutzung unter Einhaltung der Menschenrechte sowie der Gewährleistung von Zugangs-/Nutzungsrechte indigener und lokaler Gemeinschaften (IPLCs) stattfindet wir anerkannt, aber nur unzureichend in den Zielen und Indikatoren reflektiert (siehe etwas Umsetzungsziel 2 zu Schutzgebieten, die zentrale Rolle von IPLCs wie sie IPBES herausstellt, findet sich nicht wieder).
- Die geplante Ausweitung von Schutzgebieten von 17 auf 30% ist positiv zu bewerten, jedoch fehlen im Gegensatz zum Aichi Ziel 11 Angaben zu deren Qualität (Partizipation, Repräsentativität, Vernetzung , Integration in in die umgebende Landschaft ) und zum effektiven und gerechten Management, z.B. durch IPLCs. Diese Elemente müssen zurück in den Text (und wesentlich besser umgesetzt und gemessen werden als dies bei Aichi Ziel 11 bisher der Fall ist)! Zudem führen die verschiedenen Zahlen zur Verwirrung. Es sollte nur die Gesamtzahl (30%) im Text erscheinen, auch wenn diese natürlich alle wertvollen Flächen beinhalten muss.
- Der Text enthält mehrere Stellen mit Formulierungen wie no “net” loss, “net” positive or “average” ganz, die implizieren, dass die Zerstörung erlaubt ist, solange ein anderes Gebiet erhalten oder wiederhergestellt wird. Viele Ökosysteme brauchen Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte, um wiederhergestellt zu werden, wenn sie einmal zerstört sind, und das Aussterben von Arten lässt sich nicht ausgleichen. Deswegen muss die Erhaltung bestehender Naturgüter unbedingt Vorrang vor der Restaurierung haben und dies im Text klargestellt werden. (z.B. in Long-term goal a,b und c und in Action target 1).
- Der Fortbestand des Nagoya-Protokolls wird durch die Möglichkeit, genetische Informationen auf elektronischen Weg weiterzugeben, erheblich gefährdet. Goal E und AT 11 müssen sich deshalb auch auf digital sequence information (DSI) Sollte es hier zu keiner Einigung kommen, ist u.U. eine Einigung zum gesamten post-2020 Rahmenwerk gefährdet.
- Die Umsetzung der o.g. Ziele und die Beseitigung der biodiversitätsschädigenden Subventionen und Anreize, würde den Druck auf die Biodiversität und den Bedarf an Finanzmitteln deutlich senken. AT 12 spricht sich nur für die Abschaffung der Subventionen aus, die “am schädlichsten” für die Biodiversität sind, jedoch sollten alle schädlichen Subventionen und Anreize abgeschafft bzw. reformiert werden. AT 14 bezieht sich auf die Reformierung wirtschaftlicher Sektoren. Mit Bezug auf die oben genannten Anreize sollte zusätzlich explizit die Verbindung mit dem Finanzsektor hergestellt werden. Es sollten Maßnahmen eingeschlossen werden, die Investitionen in biodiversitätsschädigende Praktiken reduzieren und diese Kapitalströme zu nachhaltigen Modellen von Entwicklung, Produktion und Konsum umleiten. AT 15 legt zudem fest, dass die Biodiversitätsfinanzierung dem Bedarf entsprechen soll. Wir schlagen vor, diesen verpflichtend auch auf nationaler Ebene zu ermitteln und zudem einen %Wert an den nationalen Budgets im AT 15 zu verankern statt eine Steigerung um x% festzulegen, die vor allem jene besonders in die Pflicht nimmt, die bereits jetzt viel beitragen (und eine Debatte über die geeignete Baseline eröffnen würde).
Die Kommentare beziehen sich auf:
CBD/WG2020/2/3 – Zero draft of the post-2020 global biodiversity framework
CBD/WG2020/2/3/ADD1 – Preliminary draft monitoring framework for the goals and preliminary draft monitoring framework for targets
Kontakt:
Ilka Dege, Deutscher Naturschutzring DNR, ilka.dege@dnr.de
Nicola Uhde, BUND, Nicola.Uhde@bund.net
Florian Titze, WWF Deutschland, florian.titze@wwf.de
Christoph Thies, greenpeace, christoph.thies@greenpeace.org
Friedrich Wulf, Forum Umwelt und Entwicklung, friedrich.wulf@pronatura.ch
Astrid Fuchs, Pro Wildlife e.V., astrid.fuchs@prowildlife.de
Magdalene Trapp, NABU, Magdalene.Trapp@NABU.de