Wasser ist Leben! Die Wasserversorgung ist fast überall auf der Welt wegen ihrer fundamentalen Bedeutung als öffentlich-rechtliche Grunddienstleistung organisiert worden. Dem entspricht in Deutschland vielfach ein gesetzliches Rahmenwerk, das den Kommunen und Regionen hoheitliche Aufgaben zuweist, um die Interessen der Bürger zu schützen und die Entwicklung der Infrastruktur zu fördern. In der Bundesrepublik Deutschland repräsentieren rund 6.700 Wasserversorgungsbetriebe aller Größenordnungen und Rechtsformen ein aus den naturräumlichen Gegebenheiten und lokalen Anforderungen entstandenes System der Versorgung. Es bietet im internationalen Vergleich eine sehr hohe Versorgungssicherheit, eine sehr gute Trinkwasserqualität mit der Besonderheit Schadstoffe möglichst zu minimieren, sowie die Berücksichtigung ökologischer Belange bei der Wassergewinnung und Unterstützung des Gewässerschutzes. Ein faktorbezogener Preisvergleich widerlegt die landläufige Behauptung, dies werde mit den höchsten Wasserpreisen erkauft.
Das in der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung verkörperte gesellschaftliche Kapital dürfte sich auf rund eine Billion Mark belaufen.
Das macht es einerseits für den Zugriff der schuldenbelasteten öffentlichen Eigentümer verlockend, andererseits wird es von Investoren wegen des hohen Substanzwertes und der – von kommunalen Eignern nicht voll realisierten Ertragsmöglichkeiten als besonders übernahmewürdig eingestuft. Innerhalb der Bundesregierung bestehen Bestrebungen, den durch Gebietsmonopole geschlossenen Markt der Wasserversorgung durch Deregulierung wie bei der Energieversorgung zu öffnen. Die Grundlagen dazu werden zur Zeit im Wirtschaftsministerium mit der geplanten Aufhebung von § 103 des Wettbewerbsrechtes vorangetrieben. Außerdem wird erwogen, durch Änderungen des kommunalen Rechts und des Wasserrechts (WHG §19) unter dem behaupteten Leitziel verbesserter Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wasserwirtschaft der Kommerzialisierung, Liberalisierung und Privatisierung den Weg zu ebnen.
Durch die im Wirtschaftsministerium angestrebte völlige Aufhebung von Paragraph 103 im Wettbewerbsrecht würden die Gebietsmonopole der Wasserversorgung aufgehoben.
Das ?Netzwerk UNSER Wasser? hat sich gebildet, um diese Bestrebungen einer kritischen öffentlichen Betrachtung zu unterziehen und einem möglichen Ausverkauf der kommunalen Wasserversorgung entgegenzuwirken. Das Netzwerk UNSER Wasser setzt sich aus Umweltverbänden, Arbeitnehmerorganisationen, Stadtwerken, Wasserwerken, Wasser- und Abwasserverbänden, sowie weiteren Interessierten zusammen.
Aus Sicht des Netzwerks kann und soll die öffentliche Wasserversorgung ihre Aufgabenerfüllung gerade auch im wirtschaftlichen Bereich weiter optimieren. Das Netzwerk erkennt jedoch keine systembedingten Nachteile der öffentlichen Wasserversorgung gegenüber privaten Anbietern. Dies gilt vor allem dann, wenn nicht in erster Linie die Steigerung der Erträge, sondern unabdingbare Ziele wie nachhaltiges Wirtschaften mit seinen ökologischen, ökonomischen und sozialen Komponenten, sowie die kommunalpolitische Verantwortung berücksichtigt werden.
These 1: Eine zukunftsfähige Wasserversorgung muss dauerhaft umweltverträglich, qualitativ hochwertig, sozial gerecht und wirtschaftlich tragfähig sein.
Eine auf die Bedürfnisse heutiger und kommender Generationen ausgerichtete Wasserwirtschaftspolitik muß sich an den Leitvorstellungen der nachhaltigen Entwicklung (UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung 1987 und 1992) ausrichten. Der Umgang mit der lebensnotwendigen Ressource Wasser kann nicht allein nach technischen und betriebswirtschaftlichen Kriterien organisiert werden. Er bedarf der Ergänzung durch ökologische Grundregeln und eines gesellschaftlichen Konsenses über Qualität und Kosten der Versorgung, über die Vorsorgeaufwendungen insbesondere beim Gewässerschutz und über den kulturellen und ästhetischen Wert des Wassers in der natürlichen Umwelt. Dabei sollen auch die Entwicklungsmöglichkeiten von Nachbarregionen und anderen Völkern Berücksichtigung finden.
Die Abwasserentsorgung ist in die Betrachtung der Wasserkreisläufe und Stofftransporte einzubeziehen. Eine nachhaltige Siedlungswasserwirtschaft sollte den Umgang mit Rohstoffen und Energien im Sinne eines umfassenden Managements unter Einbeziehung neuer Techniken optimieren.
Bereits bestehende und zum Teil in Gesetzen fixierte Eckpunkte einer nachhaltigen Wasserwirtschaft sind:
- Versorgung möglichst ortsnah aus der Region
- möglichst geringe Inanspruchnahme der Ressource Wasser (§1a WHG)
- generelle Verringerung des Ressourcenverbrauchs
- Vermeidung von Umweltschäden
- Minimierung der Schadstoffbelastung im Trinkwasser
- Engagement für einen flächendeckenden Gewässer-, insbesondere Grundwasserschutz
- kostendeckende, zugleich sozial verträgliche Preise
These 2: Die Liberalisierung und Privatisierung in der Wasserver- und Abwasserentsorgung steht einer nachhaltigen Wassernutzung entgegen.
Problemdefinitionen und Lösungsstrategien, die einzig und allein ökonomische Aspekte berücksichtigen, können nicht dem Leitbild der Nachhaltigkeit entsprechen. Ob die Privatisierung zu einer Steigerung des Leistungsniveaus in der Wasserwirtschaft führt sowie die Finanzierungsnöte bei wasserinfrastrukturellen Investitionen entschärfen und zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte beitragen kann, ist mehr als fraglich. Die totale Ausblendung ökologischer und gesellschaftlicher Faktoren bzw. deren Unterwerfung unter das Primat der Ökonomie sind politisch unannehmbar.
In der Wasserversorgung gibt es anders als bei Strom, Gas oder Telefon per se KEINEN WETTBEWERB (natürliches Monopol). Eine Liberalisierung des Wassersektors schafft regelmäßig marktbeherrschende Unternehmen. Öffentliche Monopole werden dabei lediglich durch private Monopole ersetzt, ein selbst aus kartellrechtlicher Sicht höchst fragwürdiger Vorgang.
Gemäß dem Motto Umwandlung von Wasser in möglichst viel Geld wird Wasser nicht mehr als wichtigstes Lebensmittel, sondern nur noch als x-beliebige Handelsware verstanden
Liberalisierung und Privatisierung führt zu:
- Verlust der demokratischen Kontrolle der gemeindlichen Selbstverwaltungsorgane über die Unternehmen der kommunalen Daseinsvorsorge und über strategische Entscheidungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung.
- Entstehung von Monopolen. Diese werden sich durch Firmenzusammenschlüsse und durch den Einstieg von Großkonzernen nicht kontrollieren lassen.
- größeren Vollzugsdefiziten. Durch die bereits jetzt stattfindende, fortschreitende Ausdünnung der staatlichen Wasserwirtschaftsverwaltung wird die Kontrolle der privaten Gesellschaften immer löchriger.
- Angleichung der Standards auf dem niedrigen Niveau im Trinkwasserbereich, denn um überregionalen Wettbewerb zu schaffen, müssten weitgehende Durchleitungsrechte verankert werden, die abgesehen von technischen Problemen auch die Haftungsfrage aufwerfen. Die Liberalisierung geht also auf Kosten der Gesundheitsvorsorge und derjenigen Versorger, die in eine hohe Rohwasserqualität langfristig investiert haben.
- Gefährdung lokaler Wasserkreisläufe durch große Entnahmen, die die Fernwasserversorgung speisen.
- Das Regionalprinzip droht bei der Privatisierung der Wasserwirtschaft unter die Räder zu kommen. Trotz des Primats der ortsnahen Trinkwassergewinnung in den Landeswassergesetzen könnte den Privatunternehmen unter rein betriebswirtschaftlicher Betrachtungsweise der forcierte Ausbau der Fernwasserversorgung lukrativer erscheinen. Bei der Fachkonferenz Zukunftsmarkt Wasser wird die regionale Bindung kommunaler Unternehmen als Markthemmnis abgehandelt. So würde etwa eine privatwirtschaftliche Bodenseewasserversorgung sofort über Baden-Württemberg hinaus liefern.
- Bei privatwirtschaftlicher Ausrichtung werden strategische Entscheidungen etwa der Wasserbeschaffung (Grundwasser vs. Uferfiltrat; Regen- und Grauwasserbewirtschaftung; effizientere Nutzung vs. Erschließung neuer Vorkommen) allein aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen getroffen. Ökologische Ziele wie die Schonung der Vorkommen lassen sich, wenn überhaupt, dann nur noch über das Ordnungsrecht durchsetzen, gehören aber nicht mehr zum Eigenstandard der Wasserversorger.
- Der bislang freie Wissens- und Erfahrungstransfer ist gefährdet, da neue Entwicklungen in privatisierten Wasser- und Abwasserbetrieben dem Patentschutz unterstellt werden.
- Der frische Wind, der infolge der Privatisierung Stadtwerkestrukturen mit innovativem Geist durchblasen soll, kann auch negative Nebenwirkungen haben: Es droht ein Verlust des beim Stadtwerkepersonal vorhandenen tradierten Wasser-Knowhows. Durch die sozialverträgliche Entsorgung altgedienter (Ab-) Wasserwerker wird die über Jahrzehnte aufgebaute Fachkompetenz aufs Spiel gesetzt …
- Der positive Beschäftigungseffekt einer ökologisch ausgerichteten Betriebsführung geht bei privaten Gesellschaften unter dem Diktat von Shareholder-Value zunehmend verloren. (Die ÖTV schätzt den drohenden Arbeitsplatzverlust im liberalisierten Energiemarkt auf 40.000 Stellen.)
These 3: Den Privatisierungsbestrebungen liegen ausschließlich finanzielle Ziele zugrunde. Ökologische oder soziale Probleme bleiben außer Acht.
Sowohl Kommunen als auch private Anleger sehen die Wasserver- und Abwasserentsorgung immer mehr als Einnahmequelle an. Dabei gerät die Daseinssicherung und -vorsorge oder gar die Lebenskultur, die sich mit dem Wasser verbindet, zunehmend aus dem Blickfeld.
Dem frisch behaupteten aber selten bewiesenen Bild einer ineffizienten Wasserwirtschaft werden gern verbesserte Exportchancen für die deutsche Wirtschaft beigemischt, um der Öffentlichkeit und der Politik die Notwendigkeit der weitgehenden Liberalisierung und Privatisierung nahezubringen.
Stellungnahme zu den ökonomischen Verheißungen der Liberalisierung und Privatisierung
- Wird im Rahmen eines Konzessionsauftrages der Versorgungsauftrag einmal vergeben, endet das Wirken des Marktes für Jahrzehnte. Es bilden sich marktbeherrschende Wasserversorger heraus, die Qualität und Preis bestimmen. Aus dieser Sicht gibt es durch Privatisierung nicht mehr Wettbewerb! Aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung besteht für die Monopolisten kein Anlaß, Kosteneinsparungen an die Verbraucher weiterzugeben. Am Ende der Laufzeit des Übernahmevertrages wird der (Ab?)Wasserbetrieb wieder an die Kommune zurückgegeben. Wenn die Anlagen auf Verschleiß gefahren worden sind, hat die Kommune das Nachsehen.
- Effizienzsteigerungen durch private Betreiber sind anhand von Beispielen aus Ländern mit privatwirtschaftlicher Wasserversorgung nicht zu belegen. Im Gegenteil, in England und Wales werden die Versorger derzeit von der Aufsichtsbehörde gezwungen, ihre Wasserpreise um durchschnittlich 13,7 % zu senken und dafür niedrigere Dividenden an die Aktionäre auszuschütten (EUWID 10.08.1999). Es gibt auch öffentliche Versorger, die nicht in jeder Hinsicht optimal arbeiten. Die Bilanz der öffentlichen Versorger ist aber viel zu gut, um daraus einen solch radikalen Einschnitt wie die Privatisierung zu rechtfertigen. Gleichwohl gibt es auch hierzulande genügend Beispiele aus der Privatwirtschaft, wo unwirtschaftlich gearbeitet wurde und Millionen Mark in den Sand gesetzt worden sind. Nehmen wir drei Fälle aus Sachsen: Betrug, Korruption und Managementfehler führten beim Zweckverband Beilrode Arzberg (Landkreis Torgau-Oschatz), beim Zweckverband Landwasser (Landkreis Löbau-Zittau) und beim Zweckverband Oberes Göltzschtal (Landkreis Vogtlandkreis) zur Verschleuderung oder Veruntreuung von Millionenbeträgen. Alle drei Verbände stehen vor dem Bankrott und die Bürger werden dies zu bezahlen haben. Das gleiche gilt auch für den Zweckverband Märkische Schweiz, einem Kooperationsmodell mit Privaten, der sogar zu den Demonstrationsvorhaben des Bundesumweltministeriums gehörte.
- Es gibt keinen aus Sicht der Verbraucher stichhaltigen Grund, die deutsche Wasserwirtschaft in privatwirtschaftliche Hände zu legen. Weder ist die Qualität des gelieferten Wassers zu beanstanden, noch ist das Wasser zu teuer. Wasser ist in Deutschland nicht wie in Irland, oder Spanien subventioniert. Die teilweise extrem hohen Preise im Abwasserbereich, vor allem in den Neuen Bundesländern, gehen auf staatlich verordnete Planungsfehler und skrupellose Planung-, Bau- und Ausrüstungsfirmen zurück, nicht auf die öffentlichen Wasserbetriebe.
- Stadtwerke und Abwassereigenbetriebe berücksichtigen ökologische Gesichtspunkte stärker als dies bei privaten Gesellschaften mit einseitiger Ausrichtung auf Profitmaximierung der Fall ist. Großinvestoren sind zumeist Aktiengesellschaften, die zunehmend unter die Kontrolle von international operierenden Investmentfonds geraten. Das dort praktizierte kompromisslose Diktat des Shareholder-Values unterwirft die Wasser- und Abwasserunternehmen einem rigiden Einsparkurs. Die hohen Renditeerwartungen können über folgende Möglichkeiten realisiert werden: Vernachlässigung von ökologischen Zielen, Rationalisierung durch Abbau des Personals, Optimierung des Managements, Anlagen auf Verschleiß fahren.
- Private Investoren haben grundsätzlich nur Interesse an potentiell lukrativen Unternehmen (Rosinenpickerei). Die unrentable Flächenversorgung muss weiterhin durch die öffentliche Hand durchgeführt werden, was zu deutlich höheren Wasserpreisen führt. Weniger rentable Betriebe fallen der Alimentierung durch die öffentliche Hand (bzw. durch die Gebührenzahler) anheim.
Wachsender politischer Druck
Neben der ideologisch geprägten Diskussion neoliberal denkender Wirtschaftspolitiker erzeugen politische und wirtschaftliche Faktoren, die weder sachlich noch fachlich in unmittelbaren Zusammenhang mit der Wasserver- und Abwasserentsorgung stehen, Druck zur Liberalisierung und Privatisierung der deutschen Wasserwirtschaft:
- Durch die Liberalisierung des Strommarktes – und künftig auch des Nahverkehrbereichs – werden Stadtwerke geschwächt oder gar aufgelöst. Die an die Stadtwerke gebundenen Wasserversorgungen könnten damit ebenfalls der Privatisierung und der Konzentration im Energiemarkt anheimfallen. Die kommende EG-Konzessionsrichtlinie könnte diesen Trend verstärken.
- Selbst der Umwelt angeblich nahestehende Kreise – wie der sogenannte Sachverständigenrat für Umweltfragen – propagieren inzwischen die “Liberalisierung” auf dem Wassermarkt
- Das Bundesumweltministerium scheint der Entwicklung unbeteiligt zuzusehen, anstatt “proaktiv” und politikgestaltend einzugreifen.