Wieviel Wirtschaftswachstum im traditionellen Sinne ist noch möglich? Verzweifelt starren Regierungen und Öffentlichkeit praktisch rund um den Globus auf »Wachstumsraten«, die selbst in den boomenden Schwellenländern nie hoch genug sein können. Allen »Wachstumsbeschleunigungsgesetzen« zum Trotz will es offenbar einfach nicht gelingen, immer noch mehr zu produzieren und konsumieren – und das ist auch kein Wunder. Mit dem Wohlstand einer Gesellschaft hat die Fixierung auf die Zahlengrösse »Bruttosozialprodukt« ohnehin wenig zu tun. Die Steigerung des Bruttosozialprodukts per se führt mitnichten zu mehr Wohlstand oder zu Entwicklung, und sein Sinken ist genausowenig gleichbedeutend mit weniger Wohlstand. Diese Erkenntnis beginnt sich langsam aber sicher in den Mainstream von Politik und Wirtschaft auszubreiten. Allein: Bei der Antwort auf die Frage, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, da wird es allenthalben dünn. Auch Umwelt- und Entwicklungsverbände sind hier nicht gerade sprudelnde Ideenquellen. Diese Ausgabe des Rundbriefes widmet sich der Frage, was die Konsequenzen aus der Erkenntnis sind, dass ein auf immer mehr Verbrauch von natürlichen Ressourcen aufgebautes Wirtschaftswachstum global gar nicht mehr möglich ist. Solange es darauf keine konkreten Antworten gibt, werden die alten auf Wachstum fi xierten politischen Strategien um so krampfhafter weiter verfolgt, je weniger sie funktionieren. Es ist gerade eineinhalb Jahre her, als rund um den Globus der Virus der »Konjunkturprogramme« grassierte: hektisch wurde weitgehend sinnlos Geld mit der Giesskanne auf Pump verteilt, Hauptsache das Bruttosozialprodukt steigt wieder. So unglaublich innovative Ideen wie etwa, Arbeitsplätze durch den Bau überfl üssiger Strassen zu schaffen, krochen wieder aus der Mottenkiste. Haben wir gar nichts aus 18 Jahren Rio-Prozess gelernt? Eine gute Gelegenheit, eine Wirtschaft jenseits der Wachstumsfi xierung – und vor allem die Wege dorthin – näher zu skizzieren, bieten die langsam beginnenden Vorbereitungen auf die Rio+20-Konferenz der Vereinten Nationen, die 2012 wieder in Rio stattfi nden soll. Hauptthema soll »Green Economy« sein – was damit konkret gemeint ist, ist noch völlig offen. Vor Gipfeleuphorie muss man vermutlich in diesen Zeiten nicht mehr warnen, dazu haben die UN-Mitgliedsstaaten in letzter Zeit zuviele Gipfel ergebnislos in den Sand gesetzt. Aber das Gegenteil, solche Veranstaltungen gar nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen, wäre auch falsch: allein schon der Vorlauf solcher MegaVeranstaltungen bietet eine gute Gelegenheit, gesellschaftliche Akzente zu setzen und Debatten zu initiieren. Diesbezüglich bleiben wir »am Ball«.
Jürgen Maier
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