Stellungnahme zum Referentenentwurf des Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz
Initiative Konzernmacht beschränken, 30. September 2022
Grundsätzliche Bewertung
Die Initiative Konzernmacht beschränken begrüßt die geplanten Verschärfungen des Kartell- rechts, insbesondere die Möglichkeit, Unternehmen zu entflechten. Angesichts der Konzentrati- on ökonomischer Macht und von außergewöhnlich hohen Unternehmensgewinnen ist es richtig, dem Kartellamt mehr Befugnisse zu geben.
Wenn wenige Konzerne Märkte kontrollieren, führt dies zu einseitigen ökonomischen Vorteilen und der Benachteiligung anderer, sie erleichtert das Abwälzen sozialer und ökologischer Kosten und höhlt die Demokratie aus.1 Deshalb ist es sinnvoll, die rechtlichen Möglichkeiten zu erweitern, die Vermachtung von Märkten durch strukturelle Maßnahmen zu reduzieren. Dies schwächt die Wirtschaft nicht, im Gegenteil: Die Unterbindung von Monopolmacht über das Kartellrecht stärkt die dringend nötige Innovationsfähigkeit der Wirtschaft in Zeiten der Transformation.
Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass aus unserer Sicht die Aufgabe des Bundeskartellamts nicht die Kontrolle deutscher Unternehmen ist, sondern die Kontrolle der Märkte in Deutschland (und Sicherstellung ihrer Funktion). Das gilt für alle Marktteilnehmer, egal wo sie ihren Sitz haben. Eine Argumentation entlang nationaler Linien, dass eine Stärkung des Kartellrechts und des Bundeskartellamts deutsche Unternehmen schwäche, ist deshalb sachlich unangemessen.
Zu den Punkten im Einzelnen:
Sektoruntersuchung/ Entflechtung
Die Einführung von Eingriffsmöglichkeiten nach Sektoruntersuchungen ist sinnvoll (und überfällig). Sie erweitert die Möglichkeiten, die Vermachtung einzelner Märkte beseitigen oder be- grenzen zu können. Bislang beruhen die Eingriffsbefugnisse des (deutschen) Kartellrechts stark auf der Beurteilung konkreter Verhaltensweisen der Unternehmen. Das wird einem Gesetz, welches sich rühmt, das Grundgesetz der sozialen Marktwirtschaft zu sein, nicht gerecht. Es verliert aus den Augen, dass es um Aufrechterhaltung von Wettbewerb und Verhinderung von Marktmacht geht, und nur in Grenzfällen um die Abstrafung einzelner Handlungen von Unternehmen. Denn ob die Ver- machtung von Märkten auf missbilligten oder „kartellrechtskonformen“ Handlungen der Unterneh- men beruht, ändert am Befund der Vermachtung der Märkte nichts. Die Stärkung der Sektoruntersu- chungen ist deshalb ein guter Ansatz, um die Konzentration von wirtschaftlicher Macht in einzelnen Märkten zu reduzieren und damit Schaden von der Wirtschaft insgesamt, der Gesellschaft und der Demokratie abzuwenden.
Dabei ist es wichtig, dass die Abhilfemaßnahmen sowohl verhaltensorientierter als auch struktureller Art sein können. Eine eigentumsrechtliche und missbrauchsunabhängige Ent- flechtung ist ein notwendiges kartellrechtliches Instrument, das in Deutschland trotz verschiede- ner Anläufe – zuletzt unter FDP-Wirtschaftsminister Brüderle – bislang fehlt. Wir begrüßen ausdrü- cklich, dass dies nun als Teil der Abhilfemaßnahmen vorgesehen ist.
Aus Sicht der Initiative Konzernmacht beschränken ist es dabei angemessen, eine Entflechtung als ultima ratio zu sehen. Zugleich ist es wichtig, dass dieses Instrument in schwerwiegenden Fällen tatsächlich angewendet werden kann. Dies ist angesichts der schwerwiegenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen von konzentrierter ökonomischer Macht nötig, gerade in Zeiten der Di- gitalisierung.
Kritisch sehen wir deshalb §32f Absatz 4 Satz 2. Einen Mangel an Abhilfemaßnahmen nach Ab- satz 3 von gleicher Wirksamkeit nachzuweisen, ist schwierig und eine unnötig hohe Hürde. Betrof- fene Unternehmen werden zeitnah mit eigenen Auslegungstheorien schwer zu erfüllende Kriterien in die Norm hineinlesen, welche die Gerichte eventuell aufnehmen. Das könnte das Bundeskartell- amt von vorneherein davon abhalten, das Instrument zu nutzen, selbst wenn es angemessen und an- gezeigt ist. Die Anforderung von Satz 1, dass eine Entflechtung erwartbar zu einer Beseitigung oder erheblichen Verringerung einer erheblichen, andauernden oder wiederholten Störung des Wettbe- werbs führen muss, reicht unserer Ansicht nach aus. Die Entscheidungen des Bundeskartellamts ste- hen ohnehin unter dem Vorbehalt der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit. Grundrechtlich ge- schützte Positionen wie das Eigentum sind vom Bundeskartellamt ohnehin und bei allen Eingriffen zu berücksichtigen. Eine pauschale, einfachgesetzliche Betonung der Anforderungen ist daher we- der notwendig noch zielführend. Wir würden daher anregen, diesen Satz zu streichen, wenn dies ge- mäß unserer Argumentation ohne verfassungsrechtliche Einwände möglich ist.
Wenn der Satz erhalten bleibt, würden wir anregen, zumindest die Formulierung zu ändern in “in Ermangelung einer anderen Abhilfemaßnahme nach Absatz 3”. Denn Absatz 3 umfasst in Satz 1 verhaltensorientierte und strukturelle Maßnahmen und damit auch die eigentumsrechtliche Entflechtung. Eine Entflechtung nur in Ermangelung von Abhilfemaßnahmen nach Absatz 3 ließe sich somit auch als logisch nicht erfüllbares Kriterium lesen. Das sollte durch eine Klarstellung ver- mieden werden.
Die Ausnahme für genehmigte Fusionen aus den letzten fünf Jahren lehnen wir ab. Gerade in Zeiten dynamischer technologischer und wirtschaftlicher Veränderungen können sich genehmigte Fusionen dennoch in den Folgejahren als problematisch herausstellen. Es erscheint unlogisch, eine Entflechtung für diesen Fall für fünf Jahre auszuschließen. Diese Ausnahme sollte gestrichen wer- den.
Insgesamt unterstützen wir die Einführung von §32f ausdrücklich. Aus unserer Sicht könnte der Gesetzgeber auch weitergehen. Ein Verfahren für eine missbrauchsunabhängige Entflechtung könnte zudem in Einzelfällen auch ohne Sektoruntersuchung sinnvoll sein. Es wäre zudem wün- schenswert, eine Entflechtungsmöglichkeit auch in Artikel 19(a) über Plattformen mit überragender marktübergreifender Bedeutung zu integrieren.
Vorteilsabschöpfung
Wir begrüßen eine erleichterte Abschöpfung von wirtschaftlichen Vorteilen nach Kartell- rechtsverstößen. Die Vorteilsvermutung ist allerdings angesichts steigender Mark-ups gerade bei großen Unternehmen und konzentrierten Märkten2 mit 1% des Umsatzes recht niedrig angesetzt.
Hier erscheint eine Erhöhung angemessen, etwa auf 2-3%. Die Vorteilsvermutung sollte konse- quenterweise auch im Kartellschadensersatz eingeführt werden (§§ 33a ff. GWB).
Bei der Widerlegung der Vorteilsannahme durch das Fehlen eines entsprechenden Gewinns kann das Problem auftauchen, dass der Gewinn durch verschiedene Maßnahmen künstlich gesenkt werden kann (bspw. indem Investitionen vergezogen werden). Ein Vorteil ist auch ohne Gewinn in einem begrenzten Zeitraum denkbar. Hier stellt sich die Frage, ob es nicht zumindest sinnvoll wäre, für die Widerlegung den “relevanten Zeitraum” auf die Zeit vor dem Bekanntwerden des Kartellver- stoßes oder der Befassung des Bundeskartellamts mit dem Fall zu begrenzen.
DMA-Durchsetzung
Wir begrüßen die Beteiligung des Kartellamts an der Durchsetzung des Digital Markets Act (DMA) sowie die Maßnahmen für das private enforcement. Allerdings erscheinen die zusätzlich veranschlagten Ressourcen für das Bundeskartellamt mit 150.000 Euro zu niedrig. Hier wären mehr Ressourcen wünschenswert. Die Investitionen in die Durchsetzung des DMA sind sinnvolle Investitionen in eine dynamische Wirtschaft. Zu den notwendigen Ressourcen für die Durchsetzung des DMA und der Beteiligung des nationalen Kartellbehörden liegt auch ein Rechtsgutachten von LobbyControl vor.3
Darüber hinaus unterstützen wir den Vorschlag des Chefs der niederländischen Kartell- und Verbraucherschutzbehörde Martijn Snoep. Er schlägt vor, dass nationale Kartellbehörden mit der EU-Kommission gemeinsame Teams bilden sollten, um die Durchsetzung der DMA-Regeln sicherzustellen. Die Entscheidungskompetenz läge dabei gemäß DMA bei der EU-Kommission, die nationalen Kartellbehörden wären aber mit ihren erfahrenen Mitarbeiter/-innen ebenfalls beteiligt.
Weitere Punkte
Die Übergangsbestimmungen in §187 Absatz 11 (neu) sollten erweitert werden. Es erscheint angemessen, dass das Bundeskartellamt auch für Sektoruntersuchungen aus dem letzten Jahr vor dieser Reform Abhilfemaßnahmen trefffen kann. Dies sollte nicht auf Maßnahmenn nach §32f Ab- satz 2 beschränkt bleiben, sondern auch Maßnahmen nach Absatz 3 und 4 umfassen.
Über den vorliegenden Referentenentwurf hinaus sollte die Fusionskontrolle weiter gestärkt, Killer-Akquisitionen verboten und die Schwellen für die Annahme einer marktbeherrschend- en Stellung gesenkt werden. Dazu sind sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene weitere Maßnahmen notwendig.
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