Am 11. und 12. April 2018 fand im Schützenhof in Paderborn die Tagung Innenstadt 2018 zum Thema Wasser in der Stadt statt. Unsere politische Referentin Marijana Todorovic war eingeladen, die Abschlussrede der 2tägigen Konferenz zu halten, an der zum Großteil StadtplanerInnen und ArchitektInnen teilnahmen. Thema: Das Menschenrecht auf Wasser.
Gekürzte Dokumentation der Rede:
“Wasser ist ein Menschenrecht, kein Handelsgut.” Marijana Todorovic setzte den nachdenklichen Schlussakzent und rückte das Tagungsthema in einem umwelt- und entwicklungspolitischen Zusammenhang. Die Vertreterin des Berliner Forums Umwelt und Entwicklung (NGO) wartete mit Zahlen, Fakten und Botschaften auf. In einem Land, in dem Wasser eine Selbstverständlichkeit ist, in dem Toiletten mit Trinkwasser gespült werden, erinnerte sie daran, dass weltweit über 1 Milliarde Menschen keinen Zugang zu Wasser und dass 2,6 Milliarden keinen Zugang zu sanitären Anlagen haben. Und: “Alle 20 Sekunden stirbt ein Kind an Wassermangel und schlechter Sanitärversorgung, mehr als an Malaria, Masern und Aids zusammen”, so Todorovic. Ihr Plädoyer: “Weder Handelsstrukturen noch Landbesitz, Landnutzungsrechte und Konsumverhalten sind unveränderbar. Es liegt in unserer Macht, etwas daran zu ändern.”
So sei unter anderem unser Konsumverhalten mitverantwortlich dafür, dass weltweit so viele Menschen unter Wassermangel leiden. ihr Blick in die Statistik machte Zusammenhänge deutlich. Der Pro-Kopf-Verbrauch von 130 Litern Wasser pro Tag sei nur ein Bruchteil der Wahrheit, denn die meisten Produkte, die unseren westlichen Lebensstil ermöglichen, seien in der Herstellung wasserintensiv. Ein virtueller Wasser-Fußabdruck zeige, dass eine Jeans in der Fertigung 8.000 Liter Wasser schlucke, eine Tasse Kaffee 130, ein Computer 20.000 und ein 200-Gramm-staek 3.000
Überhaupt sei von allen Agrarprodukten Fleisch das wasserintensivste. Mit einem tatsächlichen Verbrauch von 4.000 Litern pro Kopf und Tag liege Deutschland weltweit auf Platz 4 der Verschwender. In unserem wasserreichen Land werde doppelt so viel Wasser verbraucht, wie es die hiesigen Ökosysteme generieren könnten. Das bedeute Import. “Den Preis zahlen die Menschen in den Produktionsländern. Dort herrscht häufig Wasserknappheit.
Die Referentin fragte nach der Rolle von Privatisierung und Kommerzialisierung. Obwohl die UN das Recht auf Zugang zu Wasser zum Menschenrecht erklärt habe, lebe die Hälfte der Menschen in Gebieten, in denen es mindestens in einem Monat pro Jahr zu wenig Wasser gebe. Die zunehmend industrialisierte und exportorientierte Landwirtschaft sei mit 70 Prozent Anteil am Verbrauch Treiber für den Mangel, die Industrie liege bei 22 Prozent. Bis 2050, zitierte sie eine UN-Prognose, werde die Hälfte der Menschheit an Wassermangel leiden
Die Konsequenz: Wachsende Flüchtlingsströme. Hierzulange aber werde viel zu oft nach der Schließung von Grenzen gerufen, kritisierte Todorovic. Das sei ungerecht, denn was die Menschen auch vertreibe, sei die zunehmende Privatisierung von Quellen und Wasserinfrastrukturen durch gewinnorientierte internationale Unternehmen. Wasser werde zum Handelsgut für rücksichtslose Spekulanten. Boden, Luft und Wasser aber seien als natürliche Ressourcen nicht vermehrbar. Im Gegenteil: Privatunternehmen verknappten sie künstlich, um Preise in die Höhe zu treiben oder Rechte zu kaufen. “Nichts davon ist hinnehmbar – und trotzdem ist es Realität”, stellte Todorovic fest.
Zum Beispiel Chile: Wasserrechte würden dort auf dem freien Markt gehandelt und seien in der Hand von Großunternehmen konzentriert. Als größte Exporteure von Avocados produzierten diese fast gänzlich in Monokulturen und Trockengebieten. Ein Kilo Avocados verbrauche 1.000 Liter Wasser. Ihre Produktion trockne Flüsse aus und die lokale Bevölkerung müsse aus Wassertanklastern versorgt werden.
Protestierenden Berlinern, berichtete Todorovic, sei es 2013 gelungen, privatisiertes Wasser zu rekommunalisieren. In Griechenland hingegen werde unter dem Protest der Bevölkerung die Privatisierung an EU-Finanzhilfen geknüpft. Dabei habe die Praxis in Irland, Portugal oder Berlin gezeigt, dass Privatisierung immer zur Verschlechterung der Dienste, zu fehlenden Investitionen, zum Streit über Betriebskosten und zu Preiserhöhungen geführt habe.
Individueller Konsum, wasserintensiver Lebensstil und globale Handelsstrukturen hätten den globalen Süden beraubt und ausgetrocknet. Die Privatisierung sei zum Großteil dafür verantwortlich, dass das Menschenrecht auf Wasser prekär bleibe. Lethargie und Ignoranz aber seien keine Lösung. Die Privilegien des globalen Nordens, die zu Wasserknappheit führten, bedeuteten Verantwortung: “Wir sind es, die etwas daran ändern können. Wir sollten endlich handeln”, zitierte Todorovic das Motto der Agenda 21 “Global denken – lokal handeln”.
Wer einen gerechteren Welthandel wolle, dürfe nicht darauf warten, dass Unternehmen unter Profiteinbußen aktiv würden. “Wenn wir warten, bis Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft einen Konsens gefunden haben, dann können wir noch lange warten. Lasst und anfangen”, so ihr abschließender Appell für eine aktive Suche nach Alternativen von unten. “Privates ist politisch in einer globalisierten Welt.”
Die ganze Veranstaltungsdokuentation ist hier zu finden (mit dem Auszug aus S.38/39).