Das Entstehen der Supermarktmacht in den Industrie- und Entwicklungsländern stellt eine neue Herausforderung sowohl für ein nationales als auch internationales Vorgehen aller derjenigen dar, die sich für die Förderung von bäuerlichen Familienbetrieben und den Erhalt von kleinbäuerlichen Existenzen sowie menschenwürdigen Arbeitsbedingungen für LandarbeiterInnen und VerkäuferInnen einsetzen. Die Restrukturierung der Lebensmittelmärkte durch Supermarktketten und Discounter führte zu einer neuen Konzentration von Marktmacht auf Käuferseite, die zu Preisdiktaten, Dumping auf Binnenmärkten, privaten Qualitäts- und Sicherheitsstandards und einer nie gekannten vertraglichen vertikalen Integration der Landwirtschaft in das Agrobusiness geführt hat.
Von ihrem Vordringen geht ein massiver Druck auf die Kleinbauern und auf die Binnenmärkte in Entwicklungsländern aus. Entweder begeben sie sich in weitgehende Abhängigkeit von den Supermärkten und „modernisieren“ nach deren Façon, oder sie geben die Landwirtschaft auf. Nur ein Bruchteil der bestehenden landwirtschaftlichen Existenzen hat eine Überlebenschance innerhalb des Supermarktsystems. Die Restrukturierung erfasst den gesamten Binnenmarkt für Lebensmittel und landwirtschaftliche Produkte, denn auch die lokalen Großmärkte, Kleinhändler, Straßenmärkte und Bauernmärkte sind von dem Strudel der Wal-Martisierung erfasst: Auch ihnen allen bleibt nichts anderes übrig als sich an die Standards der Supermärkte anzupassen, denn die Verbraucher sind inzwischen verwöhnt; und sie werden von dem Verramschen der Ware, die sich nicht für den Absatz in den Supermärkten qualifiziert, preislich in die Knie gezwungen.
Die Supermarktmacht hat zu verschiedenen Widerstandskampagnen in den Industriestaaten geführt. Kampagnen sind in den USA gegen Wal-Mart – die weltgrößte Supermarktkette – gelaufen, in Großbritannien gegen Tesco, in Deutschland gegen Lidl. Aber immer konzentrierte sich der Protest nur entweder auf die arbeitnehmerfeindliche Haltung der Ketten oder auf ihre Preisdrückerei gegenüber den Zulieferern. Auch in den Industrieländern hat die Supermarktisierung bei den Milch- und Gemüsebauern zu einem massiven Bauernsterben geführt.
Mit dieser Studie soll die entwicklungspolitische Dimension der Rolle der Supermärkte auf den Binnenmärkten der Entwicklungsländer problematisiert werden. Das geschieht zu Beginn eines neuen inhaltlichen Schwerpunkts: Die kritische Begleitung der Neuentdeckung der wichtigen Rolle des Themas „ländliche Entwicklung“ für die Armutsbekämpfung durch die Regierungen. Vor 20 Jahren war „ländliche Entwicklung“ ganz oben auf der Entwicklungsagenda. Seitdem wurde es still um das Thema auf offizieller Seite, bei der Entwicklungshilfe und den nationalen Regierungen der Entwicklungsländer. Nicht allerdings auf Seiten der meisten NGOs. Mit dem drohenden Scheitern der Umsetzung der Millennium- Entwicklungsziele, der Armutshalbierung bis 2015, wurde das „alte“ Thema von allen Seiten wieder neu entdeckt: bei der Weltbank, den staatlichen Gebern, NEPAD, G8, den großen US-Stiftungen der ganz Reichen. Von ländlicher Entwicklungshilfe verspricht man sich plötzlich den Durchbruch bei der Armutsbekämpfung.
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