Fangen wir einmal ganz von vorne an: Chemikalien sind überall – in den Produkten, die wir kaufen, den Kleidern, die wir tragen, dem Essen, das wir essen und Wasser, das wir trinken oder auch in der Tastatur, auf der wir gerade tippen. Klar ist auch, dass Chemikalien einen wichtigen Beitrag zu medizinischen, technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen leisten. Ohne Chemikalien wäre ein Leben, wie wir es heute führen, gar nicht möglich. Trotzdem oder gerade deswegen ist es so wichtig, dass wir dafür Sorge tragen, dass Chemikalien sicher und sachgemäßg eingesetzt werden. Wo die von ihnen ausgehende Gefahr für unsere Gesundheit oder unsere Umwelt nicht einschätzbar oder sogar bewiesen ist, muss der Gebrauch von Chemikalien substituiert, eingeschränkt oder ganz verboten werden. Um sich dafür stark zu machen, hat die internationale Staatengemeinschaft einen Prozess in Gang gesetzt, der den Umgang mit Chemikalien weltweit sicher machen soll.
Die Weichen für ein weltweites gemeinsames Vorgehen zum verantwortlichen Umgang mit Chemikalien wurden 2002 beim Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg gestellt. Als Ziel hat die Staatengemeinschaft damals vereinbart, die negativen Auswirkungen von Chemikalien auf die menschliche Gesundheit und Umwelt bis zum Jahr 2020 zu reduzieren.
Diesem Ziel folgend wurde in Dubai 2006 die erste Rahmenvereinbarung zur globalen Chemikalienstrategie (SAICM = Strategic Approach to International Chemicals Management) bis 2020 verabschiedet. SAICM ist eine völkerrechtlich nicht bindende Multi-Stakeholder-Plattform unter dem Dach der Vereinten Nationen (UN Environment), in der staatliche und nichtstaatliche Akteure aus aller Welt und allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sektoren gemeinsam das Ziel verfolgen, Aspekte der Chemikaliensicherheit, von der Herstellung über die Verwendung bis zur Entsorgung einer Chemikalie, zu verwalten.
Im Vordergrund steht dabei der Aufbau einer globalen institutionellen Architektur mit strategischen Zielen und Unterzielen, nationalen Aktionsplänen, Berichtspflichten und Peer-Review-Mechanismen sowie dem Ausbau nationaler Kapazitäten und länderübergreifender Partnerschaften. Eine große Herausforderung stellen die bisher unzureichende Finanzierung für den Kapazitätsaufbau in Ländern des Globalen Südens und der mangelnde Umsetzungswillen einzelner – insbesondere Industrie- und Schwellenländer dar.
Es gibt bereits mehrere Abkommen über einzelne Chemikalien oder bestimmte Abschnitte des Lebenszyklus von Chemikalien:
- Die Basler Konvention (1989)* regelt die Kontrolle grenzüberschreitender Transporte gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung.
- Das Rotterdamer Übereinkommen (2004) regelt, wie im internationalen Handel mit bestimmten gefährlichen Chemikalien verfahren werden muss und ist das erste internationale Vertragswerk zum Import und Export von Chemikalien.
- Mit dem Stockholmer Übereinkommen (2004) werden bestimmte langlebige organische Schadstoffe (POP – persistent organic pollutants) eingeschränkt oder verboten. Diese Stoffgruppen werden auch als „dreckiges Duzend“ bezeichnet.
- Die Minamata-Konvention (2017) ist ein Vertrag, mit dem das Vorkommen des hirn- und nervenschädlichen Schwermetalls Quecksilber eingedämmt werden soll.
- Im Montrealer Protokoll (1989) verpflichten sich die Vertragsstaaten dazu, die Ozonschicht der Erde zu schützen und dafür chlor- und bromhaltige Chemikalien schließlich vollständig abzuschaffen.
Auch wenn das schon nach einer Menge klingt, ist über diese (und weitere) Abkommen nur der Umgang mit einem Bruchteil aller Chemikalien geregelt, die weltweit im Umlauf sind. Die Aufgabe von SAICM ist es, diese Abkommen und andere Ansätze und Programme im Chemikaliensektor als übergreifender und allumfassender Rahmen zu unterstützen und zu ergänzen.
Gesteuert und überwacht wird der SAICM-Prozess von der Internationalen Konferenz zu Chemikalienmanagement (ICCM), die 2015 zum vierten Mal tagte. Bei dieser Konferenz in Genf wurde beschlossen, die institutionelle Architektur von SAICM in einem intersessionalen Prozess bis 2020 zu reformieren. Während dieses intersessionalen Prozesses gibt es regelmäßige Treffen (IP1, IP2, …), die Empfehlungen für die Open-Ended Working Group (OEWG) bzw. im letzten Schritt für die Konferenz 2020 (ICCM5) erarbeiten.
In Deutschland ist das Umweltbundesamt die Kontaktstelle für den SAICM Prozess (Fachbereich „Internationales Chemikalienmanagement“) in Zusammenarbeit mit dem Bundesumweltministerium. Deutschland vertritt die UN Region „Western Europe and Others Group“ und hat den Vorsitz für die ICCM5 inne.
Aufgabe der Bundesregierung ist es in erster Linie, Maßnahmen zur Umsetzung des Strategischen Ansatzes zu ergreifen.
Abkommen im Originaltext:
SAICM
Basel
Montreal
Rotterdam
Stockholm
Minamata
*alle Jahreszahlen beziehen sich auf das Jahr, in dem die Abkommen in Kraft getreten sind, nicht in dem sie verhandelt wurden.
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