Pressemitteilung!
Scheitern der WTO-Verhandlungen aus entwicklungspolitischer Sicht keine Katastrophe
Berlin, 30.7. 2008
Das informelle Ministertreffen der WTO ist gescheitert. Nach Einschätzung der in der Arbeitsgruppe Handel des Forum Umwelt und Entwicklung vertretenen Organisationen ist dies aus entwicklungspolitischer Sicht kein Verlust. „Der zur Entscheidung anstehende Kompromissvorschlag wurde dem Anspruch an eine Entwicklungsrunde nicht gerecht“ – so Tobias Reichert Welthandelsexperte von Germanwatch und Koordinator der Arbeitsgruppe. „Bei den Agrarsubventionen wollten die Industriestaaten nur Obergrenzen akzeptieren, die oberhalb ihrer derzeitigen Ausgaben liegen. Im Gegenzug forderten sie, dass Entwicklungsländer ihre Zölle auf Industriegüter effektiv senken.“
Auslöser für das Scheitern war der Streit um einen speziellen Schutzmechanismus für Entwicklungsländer. Damit sollte es Entwicklungsländern ermöglicht werden ihre Agrarmärkte mit zusätzlichen Zöllen gegen stark ansteigende Importe zu schützen. Mehr als einhundert Entwicklungsländer hatten gefordert, diese Möglichkeit zum Schutz ihrer kleinbäuerlichen Landwirtschaft effektiv zu gestalten. Die USA lehnten den darauf hin von WTO-Generaldirektor Lamy vorgeschlagenen Kompromissentwurf ab, und die Verhandlungen wurden ergebnislos beendet.
„Der Verlauf der Debatte zeigt, dass wirtschaftliche Interessen die WTO-Agenda auch da dominieren, wo Armut und Ernährungssicherheit direkt betroffen sind.“ So Reichert. „Zudem haben EU und vor allem die USA wohl noch nicht verstanden, dass sie in der WTO nicht mehr allein die Verhandlungsprozesse bestimmen können, wie noch in der Vorläuferorganisation GATT. Das eher kosmetische Manöver von Doha, die im Kern unveränderte Agenda der Industrieländer als „Entwicklungsrunde“ zu verkaufen, ist nun endgültig gescheitert.“ Im Verlauf der Runde waren Entwicklungsländer durch enge Kooperation in der Lage, ihre Interessen besser einzubringen. So konnten sie erreichen, dass Aspekte wie Investitionen und öffentliches Beschaffungswesen wieder von der Doha-Agenda genommen wurden, der EU ein Versprechen zur Abschaffung der Exportsubventionen abzuringen und einige besonders sensible Agrarprodukte von der Liberalisierung ausnehmen zu dürfen.
„Die Industrieländer waren aber nie bereit, den Entwicklungsländern so weit entgegen zu kommen, dass der Entwicklungsanspruch hätte erfüllt werden können. Vor allem beim Zollabbau für Industriegüter zeigte die EU auch auf Druck der Bundesregierung eine harte Position.“ so Michael Frein vom Evangelischen Entwicklungsdienst.
„Nach dem Scheitern ist ein grundlegend neuer Ansatz notwendig,“ so Tobias Reichert. „Die Idee, die Verhandlungen beim derzeitigen Stand für 2-3 Jahre auf Eis zu legen, und dann mit geringen Änderungen abzuschließen, wird ebenso wenig funktionieren wie der Versuch, die Liberalisierungsagenda in bilateralen Verhandlungen durchzusetzen.“
Nach Einschätzung der Arbeitsgruppe Handel darf in einem neuen Anlauf nicht die Liberalisierung im Vordergrund stehen, sondern es muss eine neue Balance zwischen offenen Märkten, Ernährungssicherheit, Klimaschutz einschließlich der Reduktion von Emissionen aus dem Transportsektor, und Spielraum zur entwicklungspolitischen Unterstützung bestimmter Sektoren gefunden werden. Die WTO als allein handelspolitisches Forum kann dies nicht alleine leisten. Daher müssen die mit Entwicklungs-, Umwelt-, Klima, und Agrarfragen befassten UN-Organisationen eng in die Diskussion um eine Neuausrichtung des internationalen Handelssystems einbezogen werden.
Kontakt:
Tobias Reichert, Germanwatch, Tel.: 0178-2125803
Jürgen Maier, Forum Umwelt & Entwicklung; Tel.: 0171-3836135
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