Der große Run auf die Rohstoffe – das war das beherrschende Thema des Jahres 2007, allen voran natürlich das Erdöl. Am Jahresanfang lag der Ölpreis noch bei 65 Dollar pro Barrel, inzwischen haben wir die magische Schwelle von 100 Dollar erreicht. Damit waren sämtliche bisher veröffentlichten Zukunfts-Szenarien der Internationalen Energieagentur ad absurdum geführt, die solche Preisniveaus allenfalls in der Mitte des Jahrhunderts für möglich hielten. Keine Frage – der enorme Rohstoffverbrauch der alten und neuen Industrieländer ist weder langfristig durchhaltbar noch ökologisch vertretbar. Er beinhaltet vor allem auch ein ökonomisches und sicherheitspolitisch rasch wachsendes Krisen- und Konfliktpotenzial. Für eine wachsende Weltwirtschaft stehen keine wachsenden Rohstoffmengen zur Verfügung, die Grenzen des Wachstums stehen nun auf der Tagesordnung. Und damit auch die Frage der Verteilungsgerechtigkeit. Schon die normalen Marktmechanismen sorgen heute dafür, dass sich alte Nord-Süd-Strukturen aufzulösen beginnen: Immer mehr Verbraucher in Ländern wie China oder Indien haben einfach mehr Kaufkraft als manche Marktteilnehmer in Europa oder Nordamerika, sie kaufen »uns unsere Rohstoffe weg«. Die Debatte um »China in Afrika«, die den Europa-Afrika-Gipfel im Hintergrund mitprägte, zeigt manche Züge dieser Verunsicherung: wir müssen eine Partnerschaft mit Afrika aufbauen, sonst verkaufen die Afrikaner ihre Rohstoffe an Beijing. Aber der Markt löst bekanntlich nicht alles, und wer keine Rohstoffe und nicht genü- gend Kaufkraft hat, steht im Zuge der Rohstoffverknappung und –verteuerung zunehmend schlechter da. Ob dieses Problem mit Pro-Kopf-Rechten wie sie für CO2-Emissionen diskutiert werden lösbar ist, ist dagegen eine andere Frage. Nicht alles was theologisch begründet werden kann ist praxistauglich. Weder werden rohstoffbesitzende Nationen – auch nicht die Öl-und Gas-Sozialisten aus Venezuela und Bolivien – über diesen Weg zulassen, dass ihre Ressourcen internationalisiert, sprich enteignet werden – sie werden sie natürlich meistbietend verkaufen. Noch lässt sich in einer marktwirtschaftlich organisierten Weltwirtschaft mit dem Hinweis auf die Ungerechtigkeit des Systems eine Art globales »Rohstoff-Grundeinkommen« mit Pro-Kopf-Rechten auf Aluminium, Kupfer usw. einführen. Für die Umwelt- und Entwicklungs-NGOs gibt es hier noch viel zu tun. Diese Debatte beinhaltet jede Menge Sprengstoff vor allem zwischen NGOs in Nord und Süd, wobei sich diese Schwarz-Weiß-Einteilung ohnehin rasch auflöst. Die Mitgliedschaft einer NGO aus Hongkong hat inzwischen eine durchaus ähnliche ökonomische Interessenlage wie die einer europäischen NGO, aber eine deutlich andere als eine aus Senegal. Entscheidend ist, dass die Debatte offen und ehrlich geführt wird, und nicht unter dem Mantel der politischen Korrektheit verkrampfte Scheindebatten über abstrakte Begrifflichkeiten stattfinden. Leider macht sich in internationalen NGO-Netzwerken diese Tendenz zunehmend breiter – auf Kosten der politischen Interventionsfähigkeit. Am Ende zählt aber nur, was wir bewegen können. Wir brauchen eine Strategiedebatte, die den Bezug zur Realität nicht verliert.
Ich hoffe, dieser Rundbrief ist ein Beitrag dazu.
Jürgen Maier
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