Global Governance – dieses moderne Schlagwort ist wieder in aller Munde. Wir haben es dennoch nicht als Hefttitel genommen, weil es für sich genommen derart wertfrei ist, dass sich jede und jeder etwas anders darunter vorstellen kann. Alle Jahre wieder haben Debatten über die Reform der Vereinten Nationen oder des internationalen politischen Systems Konjunktur. Zurzeit gibt es in der Tat sogar einigen Anlass dazu: unübersehbare Krisenerscheinungen etwa der noch vor wenigen Jahren auch von NGOs in die Nähe der Allmächtigkeit gerückten WTO oder der G8, oder ähnliche Krisenerscheinungen und im Zuge der Finanzkrise das rasche Comeback des IWF. Die tektonischen Verschiebungen in der Weltwirtschaft und das spürbar zunehmende Gewicht von großen Schwellenländern wie China oder Indien sind letztendlich die Ursache hinter diesen Entwicklungen. Eine immer stärker multipolar geprägte Welt ist zwar repräsentativer, aber Entscheidungen werden gleichzeitig schwerer – sehr viele Interessengegensätze müssen austariert werden. In einer Zeit, in der Entscheidungen gefragt sind, wie aktuell beispielsweise in der Klimapolitik, ist das Anlass für erhebliche Frustrationen. Für das Forum Umwelt & Entwicklung und alle auf internationaler Ebene aktiven NGOs ist es daher wichtig, diese Entwicklungen mit zu berücksichtigen, wenn sie erfolgreich politisch Einfl uss nehmen wollen. In vielen der laufenden Prozesse – etwa die Neuausrichtung der Global Environment Facility (GEF) oder dem Aufbau der Erneuerbare-Energie-Organisation IRENA – sind die NGOs merkwürdigerweise kaum präsent. Damit werden Chancen vertan, die sich in einigen Jahren nicht mehr bieten werden. Das sollte sich ändern. Allerdings besteht auch die Gefahr, das im Umbruch befi ndliche globale politische System mit Erwartungen zu überfrachten – Erwartungen, die es nicht erfüllen kann und die daher zu Enttäuschungen führen müssen. Letztlich kann bei konsensual angelegten globalen Entscheidungsprozessen, wie sie nicht in den Vereinten Nationen oder den G8/G20 üblich sind, nur selten mehr herauskommen als der kleinste gemeinsame Nenner. Das meist beklagenswert niedrige Niveau dieses kleinsten gemeinsamen Nenners kann man nicht nur auf internationalen Gipfelkonferenzen heben, sondern die Arbeit muss weit vorher in der Innenpolitik der beteiligten Länder beginnen. Die richtige Balance zwischen nationaler und internationaler Arbeit muss immer wieder neu gesucht werden – das mag mühsam sein, kann aber manche Frustrationen ersparen, wenn beispielsweise auf internationaler Ebene wieder mal einige Blockierer die ganze Welt aufhalten.
Jürgen Maier
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