Der vorliegende Rundbrief steht natürlich ganz im Zeichen des Johannesburger »Weltgipfels für Nachhaltige Entwicklung«. Ein Gipfel, der sicherlich niemanden zu Begeisterungsstürmen hinreissen konnte, der andererseits aber auch nicht der totale Misserfolg wurde, den sehr viele – auch ich – erwartet hatten. Das gesamte Johannesburger Veranstaltungsprogramm, war vom offiziellen Gipfel über die zahlreichen Parallelveranstaltungen bis zu den Protestaktionen, ziemlich breit angelegt – vor Ort empfanden es die meisten als reichlich unü- bersichtlich und es war nicht leicht, den Ãœberblick zu behalten. So vielfältig wie die Ereignisse in Johannesburg ist daher auch dieses Heft. Bei den durchwachsenen Ergebnissen des offiziellen Gipfels tun sich viele Berichterstatter schwer, zu einem abschliessenden und konsistenten Urteil, zu kommen: War der Gipfel denn nun ein Misserfolg, ist er gescheitet, war er ein relativer Erfolg, haben solche Veranstaltungen überhaupt noch Sinn ? Fragen, die sich allen stellen, aber man muss wohl dem »Earth Negotiations Bulletin« recht geben, wenn es sein Fazit mit den Worten schliesst: »Wie Stockholm und Rio können die Ergebnisse dieses Gipfels wohl direkt danach noch gar nicht voll erfasst werden. Ihre Auswirkungen auf den internationalen Prozess und auf die nationale, lokale und individuelle Ebene werden sich wohl erst in einiger Zeit zeigen.« Im Vorfeld von Johannesburg habe ich mir einmal den Spass gemacht, die Presseerklärungen und Statements der Nichtregierungsorganisationen am Ende der Konferenzen von Rio 1992 und Kyoto 1997 durchzulesen. Fast durchgehend haben wir die Ergebnisse scharf kritisiert, die Regierungen des kollektiven Versagens beschuldigt und den Sinn des Folgeprozesses in Frage gestellt. Nur wenige Jahre später waren die Ergebnisse von Rio und Kyoto Meilensteine und Durchbrüche, deren Integrität die NRO gegen infame Verwässerungsversuche der Regierungen verteidigten. So weit wird es angesichts der eher dürftigen Ergebnisse von Johannesburg wohl nicht kommen. Die Frage nach der Gestaltung der Globalisierung steht jedoch aktueller denn je auf der Tagesordnung, und die Rolle der Europäischen Union wird angesichts der zunehmend fundamentalistischer werdenden Verweigerungshaltung der USA dabei immer wichtiger. Und das bedeutet auch eine Herausforderung für die europäischen NRO. Für das Forum Umwelt & Entwicklung bedeutet Johannesburg daher auch eine Zäsur. 10 Jahre Rio-Prozess sollten Anlass sein, die Rolle der deutschen NRO in diesem Prozess kritisch – auch selbstkritisch – zu analysieren. Sind die deutschen NRO provinziell und verschlafen die internationale Politikebene? Oder verschwenden sie im Gegenteil zuviel Energie auf globale Politikprozesse, bei denen sowieso nichts herauskommt? Wie ist das Verhältnis von Globalisierungskritik zu Versuchen vieler NRO, sich in die Globalisierungsprozesse gestaltend einzumischen: Unvereinbarer Gegensatz oder zwei Seiten einer Medaille? Dies sind nur zwei Fragen, auf die es im Spektrum des Forums Umwelt & Entwicklung ganz unterschiedliche Antworten gibt. Es wird eine zentrale Aufgabe der nächsten Monate sein, diesen Diskussionsprozess konstruktiv voranzutreiben und damit die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir in den nächsten Jahren mit mehr Erfolg Einfluss auf die internationale Politik nehmen können.
Jürgen Maier
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