Gemeinsame Probleme gemeinsam lösen und internationale Konflikte auf dem Verhandlungsweg lösen – dieser Grundgedanke des früheren Völkerbundes und der heutigen Vereinten Nationen steht heute wieder einmal zur Disposition. Als vor ganzen 10 Jahren der Kalte Krieg zu Ende ging, war die Euphorie gross, dass die Vereinten Nationen nun endlich ihre Blockade überwinden könnten und sich den wirklichen Herausforderungen der Menschheit zuwenden könnten. Ein Resultat war die Rio-Konferenz 1992. Ihre Ergebnisse, wie etwa die Klimakonvention oder die Agenda 21, wurden oft als nicht durchsetzungsfähig kritisiert. Sicherlich kann man keinen Staat zwingen, sich an die Agenda 21 zu halten. Aber selbst die Charta der Vereinten Nationen hat sich mittlerweile als unverbindliches Papier entpuppt, jedenfalls für einige Regierungen. Der Irak-Krieg einer Koalition der Völkerrechtsbrecher erweist sich bereits wenige Wochen nach seinem Ende als Propagandakonstrukt. Selbst im amerikanischen Kongress werden Stimmen laut, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, da offenbar die Kriegsgründe nur vorgeschoben waren. Zwischen den über der Irak-Frage noch heftig zerstrittenen G8-Regierungen bahnt sich dagegen langsam wieder eine Rückkehr zur Normalität an. Aber was ist diese Normalität? Ist es künftig normal, dass die selbsternannte Hegemonialmacht USA dem Rest der Welt zusammen mit einer Reihe mehr oder weniger subalterner »Verbündeter« diktiert, wo es lang geht? Oder ist es vielmehr künftig normal, dass die unilaterale Politik der USA selbst in den Ländern, die gemeinhin als ihre Verbündeten gelten, auf massiven Widerstand bis in die Spitze der Regierung trifft? Hat kooperativer Multilateralismus – die Quintessenz des Rio-Prozesses – vor diesem Hintergrund überhaupt noch eine Chance? Oder spaltet sich die Welt allmählich in eine Mehrheit, die aus prinzipiellen Gründen das multilaterale Völkerrechtssystem der letzten 50 Jahre als historische Errungenschaft verteidigt, und eine kleine radikale Minderheit, die sich daran mal hält und mal eben auch nicht?
Diese Fragen stehen im Zentrum des vorliegenden Rundbriefes. Welche Möglichkeiten gibt es, multilaterale Ansätze zu stärken, und wie kann eine multipolare Welt als unverzichtbares Fundament dafür gestärkt werden? Es ist keine Überraschung, dass die Autorinnen und Autoren der Europäischen Union dafür eine zentrale Rolle beimessen. Der ausgeprägte Nationalismus der gegenwärtigen amerikanischen Regierung bedroht aber nicht nur die Grundlagen der UNO. Selbst die ebenfalls auf Multilateralismus basierende WTO, deren 5. Ministerkonferenz im September im mexikanischen Cancún ansteht, könnte bald ernste Probleme bekommen. Zugespitzt gefragt: Werden die Umwelt- und Entwicklungsverbände demnächst nicht nur die UNO, sondern auch noch die WTO vor dem amerikanischen Hegemonialanspruch verteidigen müssen? Eine wichtige Rolle für die Zukunft des multilateralen Systems werden vermutlich in den kommenden Jahren die erneuerbaren Energien spielen. Nicht nur, weil die fossile Energiewirtschaft wie keine andere Branche für nicht-nachhaltiges Wirtschaften und in manchen Fällen für offene Sabotage etwa der internationalen Klimaverhandlungen oder nationaler Nachhaltigkeitsbemühungen steht. Sondern auch, weil es offenkundig den Irakkrieg niemals gegeben hätte, wenn es unter der arabischen Halbinsel keine Ölvorkommen geben würde. Es ist fast schon ein Naturgesetz: wo es Öl gibt, gibt es in den meisten Fällen auch Bürgerkriege und Diktaturen. Der internationalen Zusammenarbeit zum raschen Ausbau der erneuerbaren Energien gebührt daher Priorität. Die für den Juni 2004 in Bonn geplante Internationale Konferenz über Erneuerbare Energien kann hier eine wesentliche Rolle spielen. Dies wird einer der Schwerpunkte der NRO-Aktivitäten in den kommenden Monaten sein. Dazu bald mehr.
Jürgen Maier
Download