Steuern wir im Jahr 2010 auf den nächsten gescheiterten UN-Gipfel zu? Nein, es geht nicht um den nächsten Klimagipfel. Von dem erwartet ja ohnehin niemand mehr besonders viel – was im übrigen den Vorteil hat, dass dann die allfälligen Enttäuschungen auch nicht mehr so groß sein dürften. Es geht um die nächste UN-Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention (CBD). Sie fi ndet im Oktober dieses Jahres im japanischen Nagoya statt, im Fachjargon COP-10. In diesem Heft dreht sich der Schwerpunkt um die CBD. Auch hier stehen die Vorzeichen nicht unbedingt auf vollen Erfolg. Mira Beinert von den Naturfreunden stellt in ihrem Artikel fest, die Weltgemeinschaft hat versagt bei der Umsetzung ihres Zieles, den Verlust von Biodiversität bis 2010 deutlich zu reduzieren. Die in Rio 1992 beschlossene CBD ist nur eine Rahmenkonvention zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Biologischen Vielfalt, und im Gegensatz zur Atmosphäre ist es durchaus strittig, ob die Biologische Vielfalt ein gemeinsames Erbe der Menschheit ist oder nicht. Abgesehen von der Hohen See und der eher biodiversitätsarmen Antarktis kommt die Biologische Vielfalt nämlich auf dem Territorium von Nationalstaaten vor, so dass jede Regierung auf ihr souveränes Recht pochen kann, »ihre« biologische Vielfalt zu nutzen, was oft genug heisst, sie zu zerstören. Den Verhandlungsstand zu Schutzgebieten beschreiben Elke Mannigel von Oro Verde und Sabine Schielmann von INFOE. Immerhin gelang es seit Rio, bereits ein Protokoll zur CBD zu beschliessen, das Cartagena-Protokoll zur Biologischen Sicherheit, das den grenzüberschreitenden Umgang mit gentechnisch modifi zierten Organismen regelt. In Nagoya steht nach jahrelangen Verhandlungen nun das sogenannte ABS-Protokoll zur Verabschiedung an. ABS steht für Access and Benefi t Sharing und soll den Zugang zu, aber auch die gerechte Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung biologischer Vielfalt regeln – durchaus kein einfaches Unterfangen, wie Michael Frein und Hartmut Meyer in ihrem Artikel ausführen. Um die Schnittstellen zum Klimaschutz geht es bei Friedrich Wulfs Beitrag zu REDD – das kryptische Kürzel steht für Klimaschutz durch vermiedene Entwaldung. Was dabei auch ohne internationales Abkommen alles getan werden könnte, beschreibt László Maráz von der AG Wälder des Forums. Nicolai Schaaf vom NABU geht in seinem Beitrag darauf ein, welche Herausforderung der Klimawandel für den Naturschutz ist. Bei aller Kritik am Klimawissenschaftsrat IPCC – er hat wegweisende Arbeit geleistet und daher gibt es nun einen Anlauf, ein ähnliches Gremium für Biodiversität einzurichten. Axel Paulsch vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung erläutert die Hintergründe. Eine weitere Parallele zur Klimadiskussion sind die verstärkten Bemühungen, den wirtschaftlichen Nutzen von Biodiversität herauszustellen – Carsten Nesshöver, Stefan Hörmann und Helmut Röscheisen beschreiben, um was es dabei geht. In Nagoya werden weder Staats- und Regierungschefs erwartet noch Zigtausende NGO-Vertreter. Vielleicht bietet das ja bessere Chancen im 18. Jahr der CBD, sich auf die nötigen Beschlüsse zu einigen. Dringend nötig wäre es, wenn der gesamte Rio-Prozess nicht allmählich in die Intensivstation geraten soll.
Jürgen Maier
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