Wieder einmal bestimmt der internationale Konferenzkalender die Tagesordnung vieler NGOs – diesmal ist es die 9. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Biodiversitätskonvention, die im Mai in Bonn stattfinden wird. Biodiversität – schon der Begriff klingt vielen so sperrig, dass sie ihn für schlichtweg nicht vermittelbar halten. Das Umweltministerium verfiel deswegen darauf, daraus die »UN-Naturschutzkonferenz« zu machen. Aber die gemeinsam mit der Klimakonvention in Rio 1992 beschlossene Biodiversitätskonvention – im UNJargon CBD genannt – ist nicht einfach nur die »kleine Schwester« der berühmten Klimakonvention. Sie birgt vielmehr mindestens genauso viel politischen Sprengstoff in sich, und je größer der Druck auf die biologischen Ressourcen der Erde wird, desto intensiver wird auch der Streit über ihren Schutz und ihre Nutzung. Biodiversität war in den letzten Jahren daher durchaus kein Thema, bei dem Umwelt- und Entwicklungsorganisationen in schöner Harmonie zusammengearbeitet haben. Vielmehr gab es teilweise schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten und auch viele Vorurteile über angeblich entwicklungspolitisch blinde Naturschützer bzw. ökologisch blinde Entwicklungspolitiker. Der intensive Vorbereitungsprozess zur COP 9 hat zumindest unter den deutschen NGOs einen bemerkenswerten Verständigungsprozess ermöglicht, der auf internationaler Ebene noch nicht überall geglückt ist. Das breite Spektrum an Interessen, um die es bei der CBD geht, haben wir mit diesem Rundbrief versucht abzudecken. Da ist natürlich der Naturschutz – der kostet aber Geld und nimmt so manche Fläche aus der ökonomisch attraktiven Nutzung, weshalb ausgerechnet im CBD-Gastgeberstaat Deutschland eine Reihe von Bundesländern und Kommunen versuchen, den europäischen Naturschutz massiv aufzuweichen. Bei der CBD steht der dringend notwendige Schutz der Wälder und Meere auf der Tagesordnung, aber die dafür erforderlichen Schutzmaßnahmen kosten Geld. Dann gibt es aber auch biologische Ressourcen, deren Nutzung wiederum ökonomisch potenziell sehr attraktiv ist – und der Streit um die Verteilung der daraus entstehenden Gewinne ist seit Jahren einer der Hauptstreitpunkte der CBDVerhandlungen. Für die Bonner COP 9 wird diese Frage ausschlaggebend für Erfolg oder Misserfolg sein. Auch neue Fragen wie die Bioenergienutzung stehen auf der Tagesordnung – und damit die Frage, was die CBD dazu beitragen kann, zu global vereinbarten Standards über ihre nachhaltige Nutzung zu kommen. Aber es geht auch um neue Akteure – die Wirtschaft oder zumindest einzelne Unternehmen entdecken die Biodiversität als Thema, bei dem auch sie etwas tun können. Den neuesten Verhandlungsstand der CBD, dem dazugehörigen Biosafety-Protokoll und die Aktivitäten der NGOs zu allen aufgeführten Themen können Sie in diesem wirklich spannenden Heft nachlesen. Weitere Themen sind der G8-Prozess, die Klimaverhandlungen und die Aktivitäten der Klima-Allianz deutscher NGOs, die UN-Desertifikationskonvention, der andauernde Stillstand bei der WTO, die Weltbank und die nationale Nachhaltigkeitsstrategie.
Eine produktive Lektüre wünscht
Jürgen Maier
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