Rundbrief I/2018: Mit Bioökonomie die Welt retten? Neue Geschäftsmodelle und alte Strukturen

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Rundbrief I/2018: Mit Bioökonomie die Welt retten? Neue Geschäftsmodelle und alte Strukturen

 

Es soll der ganz große Wurf werden: Auf Basis der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse verspricht Bioökonomie die Brücke zwischen Ökologie, Technologie und effizienter Wirtschaft zu schlagen, um die großen Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Bioökonomie soll die Klimakrise entschärfen, die Umwelt schonen und zu Ernährungssicherheit weltweit beitragen. Gleichzeitig verspricht die Bioökonomie zum Wachstumsmotor der Wirtschaft zu werden.

 

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Es soll der ganz große Wurf werden: Auf Basis der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse verspricht Bioökonomie die Brücke zwischen Ökologie, Technologie und effizienter Wirtschaft zu schlagen, um die großen Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Bioökonomie soll die Klimakrise entschärfen, die Umwelt schonen und zu Ernährungssicherheit weltweit beitragen. Gleichzeitig verspricht die Bioökonomie zum Wachstumsmotor der Wirtschaft zu werden.

 

Kurz vor dem 2. Weltgipfel Bioökonomie, der Mitte April dieses Jahres in Berlin stattfindet, lohnt es sich nachzufragen: Kann Bioökonomie wirklich die Welt retten? Sollten wir es nicht verpasst haben, hat die ganz große Transformation hin zu einer ökologisch und sozial nachhaltigen Wirtschaft ja noch nicht stattgefunden. Genau das wird aber immer mehr als Anspruch der Bioökonomie vorgetragen, wie im ersten Artikel erläutert wird. Inwieweit dies aus Sicht der Industrie Wirklichkeit werden kann, lassen wir anschließend einen Vertreter der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie selbst erklären.

 

In weiteren Artikeln diskutieren wir, welche Rolle die Landnutzung und Materialkonkurrenz bei der Biomasseerzeugung spielt, weshalb viele agrartechnologische Methoden, die die Bioökonomie empfiehlt, das Hungerproblem in der Welt eher verstärken als lösen und warum auch in einer Bioökonomie dem Artensterben auf unserem Planeten nichts entgegengesetzt wird.

 

Daneben werfen wir einen Blick auf Problembereiche, die in der Diskussion um Bioökonomie viel zu wenig Beachtung finden. Dazu gehört die Frage, welche Konsequenzen die Biomasse als neue ökonomische Basis des Globalen Nordens für den Globalen Süden hat und welche neuen Verteilungsungerechtigkeiten damit verknüpft sind. Ebenfalls hochkomplex und nicht weniger problematisch ist das Thema neue Gentechnik und Biotechnologie. Hinsichtlich der notwendigen massiven Produktionssteigerung von Biomasse, des Zugangs zu genetischen Ressourcen, der Medikamentenentwicklung und der Ernährungsproblematik, stellt dieser Bereich einen wichtigen Erfolgsfaktor für die Bioökonomie dar. Hinzukommen ethische und ökologische Fragen bei der möglichen Änderung und Eliminierung genetischen Materials. Hightech, Großkonzerne und Milliardeninvestitionen spielen bei all dem eine große Rolle. Das spiegelt sich auch in der Forschung zu Bioökonomie wieder. Diese ist auf einseitige technologische Innovationen ausgelegt und wenig demokratisch-partizipativ. Eine offene gesellschaftliche Debatte ist so kaum möglich.

 

Sie ahnen schon: Bioökonomie kann nur eine Teillösung sein. Sie ersetzt nicht die Agrar-, Energie-, Wärme- und Mobilitätswende. Sie stellt auch nicht die Konsummuster des Globalen Nordens und den Wachstumszwang in Frage. Die Bioökonomie tastet die Strukturen unseres neoliberalen Wirtschaftssystems nicht an, könnte dessen Mechanismen jedoch verstärken und birgt unter dem grünen Deckmantel technologischer Innovationen neue Risiken in sich. Aber es ist nicht alles Schwarz-Weiß. Als sektorübergreifendes Konzept könnte eine nachhaltige Bioökonomie auch ein Schritt hin zu einer ganzheitlichen, gemeinwohlorientierten Wirtschaft bedeuten. Eine eingehende Auseinandersetzung mit ihr braucht es in jedem Fall, wollen wir nicht bald vor vollendeten Tatsachen stehen. Bisher fehlt allerdings eine starke Stimme der Zivilgesellschaft, die sich informiert und kritisch zu Wort meldet. Das muss sich ändern. Einen kleinen Anstoß dazu soll diese Rundbriefausgabe geben.

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