Die Verhandlungen zur Finanzierung nachhaltiger Entwicklung in Addis Abeba stehen nach zwei Konferenztagen auf wackligen Füßen. Immer mehr wird das Ringen um eine internationale Steuerkommission, angesiedelt bei den Vereinten Nationen, zum Knackpunkt. Ein solches Gremium wird von der Gruppe G 77 der Entwicklungsländer gefordert, die jährlich Milliardenbeträge durch die ganz legale Steuervermeidung von Konzernen verlieren – etwa durch unfaire Doppelbesteuerungsabkommen mit den Industrieländern und andere legalisierte Schlupflöcher. Schätzungen zufolge verliert allein Afrika jährlich sechzig Milliarden US-Dollar durch Steuervermeidung. Insgesamt wird der Verlust von Steuergeldern in den Entwicklungsländern pro Jahr auf 442 Milliarden geschätzt.
Bereits am Montagabend hieß es, dass einige Länder die Verhandlungen scheitern lassen, falls eine solche Kommission nicht in die Forderungen des Abschlussdokumentes, den sogenannten Addis Abeba Action Plan einfließen. Bisher sieht Paragraph 29 des Dokumententwurfs nur vor, den bereits existierenden, aber bislang personell und finanziell völlig unzureichend ausgestatteten UN-Expertenausschuss zur internationalen Zusammenarbeit in Steuerfragen aufzuwerten. Das ist auch erklärte Position der EU und Deutschlands, geht aber den ärmeren Ländern nicht weit genug.
Indes können und wollen sich die UN und auch das Gastgeberland Äthiopien schon allein aus Image-Gründen ein Scheitern der Verhandlungen in Addis oder eine Verlagerung der Entscheidung zu Finanzierungsfragen auf die Konferenz zu den nachhaltigen Entwicklungszielen, SDGs im September in New York nicht leisten. Wie aus dem Umfeld der Nichtregierungsorganisationen durchsickerte, versuchen deshalb die UN, Äthiopien und auch die USA in bilateralen Einzelgesprächen, von Insidern gern „Beichtstuhlgespräche“ genannt,  Druck auf die G 77 auszuüben, um die Steuerkommission doch noch fallen zu lassen. Die eigentlichen multilateralen Verhandlungen über die Addis Agenda seien dagegen offiziell gar nicht eröffnet worden. Zuletzt hatten sich Länder wie Brasilien, Nigeria, Kenia, die Demokratische Republik Kongo, Indonesien und auch der Iran für eine internationale Steuerkommission ausgesprochen. Bundesentwicklungsminister Müller sprach sich bei der Plenarversammlung der Konferenz ebenfalls dafür aus, „den Steuervermeidungstricks der transnationalen Konzerne ein Ende zu machen“, ließ aber offen, wie genau das geschehen sollte. Zur Stunde wird über das strittige Thema noch kräftig weiter verhandelt.
Monika Hoegen, entwicklungspolitische Fachjournalistin Köln/Brüssel, derzeit Addis Abeba