Durch den zu erwartenden enormen Biomassebedarf kann eine unbegrenzt wachsende Bioökonomie zu einer zusätzlichen Gefahr für die globalen Ökosysteme und die Menschen werden, die von ihnen leben. Bereits heute sind die planetaren Grenzen in wesentlichen Bereichen überschritten. Neben der Klimakrise und dem massiven Landnutzungswandel zeigen der Verlust an Biodiversität und genetischer Vielfalt sowie die Überlastung der Phosphor- und Stickstoffkreisläufe eine Überschreitung, die unsere Lebensgrundlagen zerstören kann. Demzufolge braucht auch die Bioökonomie klar definierte Wachstumsgrenzen, um ein Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen zu gewährleisten.
Ein realistisches Bild der Potenziale sollte bei der Umsetzung der Bioökonomie leitend sein. Dabei sollten gemeinwohlbezogene Aspekte wie Nahrungsmittelsicherheit, Wasserverfügbar- keit, Biodiversitäts- und Klimaschutz sowie Zugang zu technologischem Fortschritt, Vorrang vor Marktkriterien erhalten. Bioökonomie wird zu einer Scheinlösung, wenn im Wesentlichen fossile durch biobasierte Rohstoffe ersetzt werden und die Frage der Potenziale und der Verteilungsgerechtigkeit nicht gestellt wird.
Eine weitere Ausweitung oder Intensivierung im Anbau würde die ohnehin erhebliche Gefährdung unserer natürlichen Lebensgrundlagen noch weiter verschärfen. Im Gegensatz dazu ist es notwendig, die derzeitige Bewirtschaftung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen sowie von aquatischen Ökosystemen weiter zu ökologisieren. Darüber hinaus sollten zusätzlich Flächen der Nutzung entzogen werden. Die Verminderung der Biomassepotenziale wäre die logische Folge.
Dabei gibt es Spielräume für zusätzliche biogene Rohstoffe. Diese können durch den verstärkten Einsatz von Abfall- und Reststoffen erschlossen werden. Bei der Entnahme von Biomasse sollten allerdings ökologische Gesichtspunkte, wie ein ausreichender Totholzanteil im Wald und der Erhalt und Aufbau gesunder Böden unter landwirtschaftlichen Flächen, eingehalten werden. Ein Vorrang der stofflichen vor der energetischen Holznutzung sowie die Umnutzung von Anbauflächen, auf denen bislang Futter- oder Energiepflanzen kultiviert werden, kann zusätzliche Biomasse bereitstellen, jedoch muss dies unter Bedingungen ökologischer Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit geschehen.
Mit einem “Weiter so” wird auch die Bioökonomie nicht den Konflikt auflösen, dass in unserem auf Wachstum ausgelegten Wirtschaftsmodell zu viele Ressourcen verbraucht werden. Es gibt keine Hinweise, dass sich Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch in ausreichendem Maße entkoppeln lassen. Auch sogenanntes grünes Wachstum ist nicht ohne Umweltbelastungen zu haben. Die Bioökonomie kann ihr Versprechen von Nachhaltigkeit daher nur einlösen, wenn sie mit einer deutlichen absoluten Reduzierung des Ressourcenverbrauchs einhergeht.
Die deutsche Bioökonomiepolitik sollte sich grundsätzlich an ihren globalen Auswirkungen messen lassen. Bislang hat sich die deutsche Wirtschaft aufgrund ihrer Kaufkraft im großen Maßstab mit biogenen Ressourcen aus dem Ausland versorgt. Dass dafür insbesondere im globalen Süden häufig die Umwelt zerstört, Menschenrechte verletzt und Landkonflikte befeuert werden, ist hinlänglich bekannt und vielfach dokumentiert. Bei business-as-usual würde die Bioökonomie den Importbedarf für Rohstoffe aus dem globalen Süden weiter verstärken. Gleichzeitig werden genetische Ressourcen und traditionelles Wissen aus den biodiversitätsreichen Ländern des Globalen Südens genutzt und patentiert, meist ohne gerechten Vorteilsausgleich. Die Debatte dazu wurde im Bioökonomie-Diskurs bisher völlig ausgeklammert. Die Corona-Pandemie und die Patente u.a. auf biotechnologisch gewonnene Impfstoffe zeigen deutlich, wie schädlich Patente für die Verteilungsgerechtigkeit sind.