Berlin, 20.10.04.
Auf Einladung der Bundesregierung findet vom 20. bis 22. Oktober in Berlin der internationale Workshop “Politik gegen Hunger III: Liberalisierung des Agrarhandels – eine Lösung?” statt. Dort hat das Forum Umwelt und Entwicklung, ein Zusammenschluss deutscher nichtstaatlicher Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, die Bundesregierung und die Konferenzteilnehmer aufgerufen, ein deutliches Signal für eine globale Agrarwende auszusenden: “Entwicklungsländer dürfen nicht zu einer undifferenzierten weiteren Öffnung ihrer Agrarmärkte gezwungen werden,” sagte Armin Paasch von FIAN-Deutschland. Eine solche Liberalisierung hätte verheerende Auswirkungen auf die Agrarsektoren der Entwicklungsländer, insbesondere auf Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die eine Schlüsselrolle in der Hungerbekämpfung hätten. Außerdem müssten die Industrieländer bis 2008 all jene Agrarsubventionen abschaffen, die den Billigexport von landwirtschaftlichen Produkten in Entwicklungsländer ermöglichen.
Die Nichtregierungsorganisationen kritisierten auch das Anfang August beschlossene Rahmenabkommen der WTO: “Es ist eine schlechte Verhandlungsgrundlage, denn die Entwicklungsländer werden zu einer weiteren Marktöffnung im Agrarbereich gedrängt, während EU und USA sich noch stärker abschotten können als bisher”, sagte Dr. Brigitta Herrmann von Germanwatch. Nur die ärmsten Entwicklungsländer sollen demnach von weiteren Marktöffnungen verschont bleiben, die übrigen Entwicklungsländer nicht. Für diese werden zwar Möglichkeiten zum Außenschutz für bestimmte Produkte (“special products”) genannt, Bedingungen, Anzahl und Auswahl der Produkte hingegen nicht. Die Gefahr ist groß, dass diese Ausnahmeregelung in den folgenden Verhandlungen noch weiter verwässert wird.
Dagegen wurden spezielle Anliegen der EU und der USA in das Rahmenabkommen weitgehend aufgenommen. “Die EU-Kommission verfolgt einen heuchlerischen Kurs: Freihandel für die Armen, Schutz und Förderung für uns. Das ist das sichere Rezept für den Hunger”, kritisierte Dr. Rudolf Buntzel vom Evangelischen Entwicklungsdienst EED. “Die Bundesregierung hat bisher keine überzeugenden Initiativen ergriffen, die dem entgegenwirken”, fügte er hinzu.
So bietet die im WTO-Rahmenabkommen enthaltene neue Ausnahmeklausel für so genannte “sensible Produkte” den Ländern des Nordens die Möglichkeit, ihre Agrarmärkte vor Importen aus dem Süden zusätzlich zu schützen. Des weiteren wurde zwar ein Auslaufen der Exportsubventionen in den Industrieländern in Aussicht gestellt, ein Enddatum jedoch nicht genannt. Es ist absehbar, dass die Subventionen in ihrer Gesamtsumme nicht reduziert, sondern allenfalls in andere erlaubte Kategorien umgeschichtet werden. Damit würden viele weitere Kleinbauern in den Entwicklungsländern in den Ruin getrieben: Sie können mit den künstlich verbilligten Produkten aus dem Norden nicht konkurrieren. Und ihre nationalen Märkte dürfen vor diesem Dumping kaum geschützt werden.
Weitere Informationen: Dr. Rudolf Buntzel (EED), Tel: 0178-5439049, Dr. Brigitta Herrmann (Germanwatch), Tel: 0179-5715470 und Armin Paasch (FIAN-Deutschland), Tel: 0175-6636992.