Zwei Jahre nach dem Scheitern der letzten Ministerkonferenz zeigt sich die
WTO vor Doha unverändert intransparent und undemokratisch
Am heutigen Abend wird im aus Angst vor Terroranschlägen hermetisch abgeriegelten Emirat Katar am persischen Golf die vierte Ministerkonferenz der WTO eröffnet. Nach dem Willen der Industriestaaten, allen voran die EU und USA, soll dort eine neue umfassende Verhandlungsrunde beschlossen werden.
Diese beinhaltet nicht nur die weitere Liberalisierung des Handels mit Gütern und Dienstleistungen sondern auch der nationalen Regeln für ausländische Direktinvestitionen und des Wettbewerbsrechts. Die neue Runde soll die drohende weltweite Rezession abwenden und zeigen, dass auch nach dem 11. September internationale Kooperation weiter möglich und erfolgreich ist. Darüber hinaus will die EU auch über die Anpassung der bestehenden Verträge an umweltpolitische Erfordernisse verhandeln. Allerdings haben die Industrieländer noch keinen Weg gefunden, mit dem gewachsenen Selbstbewusstsein der Entwicklungsländer umzugehen, die ihre Interessen nun sehr viel offensiver artikulieren als in vorherigen Verhandlungsrunden.
Bisher scheint man sich dafür entschieden zu haben, ihre inhaltlichen Forderungen so weit als möglich zu ignorieren, und unter der Ãœberschrift “Entwicklungsrunde” die eigenen Interessen zu verfolgen. Das Sekretariat der WTO und vor allem ihr Generaldirektor nehmen dabei alles andere als eine neutrale Rolle ein, sondern versuchen die noch widerstrebenden Entwicklungsländer zur Zustimmung für eine neue Runde zu überreden.
Der in Doha zur Diskussion stehende Entwurf für die Ministererklärung ist ein eindrucksvolles Beispiel für diese Strategie: Obwohl während des Vorbereitungsprozesses in Genf in keiner der Streitfragen Einigung erzielt werden konnte, enthält der vom Generaldirektor und vom Vorsitzenden des Allgemeinen Rats vorgelegte Entwurf keine Alternativformulierungen vor. Dagegen beinhaltet er, die Aufnahme von Verhandlungen zu neuen Themen wie Investitionen und Wettbewerbsrecht. Diese wurde durch einen Trick ermöglicht: Der Entwurf wurde nicht, wie im WTO-Vertrag vorgesehen aller 142 Mitglieder beschlossen wurde.
Weil im Allgemeinen Rat keine Einigung absehbar war, wird der Entwurf nun auf persönliche Initiative des Vorsitzenden und des Generalsekretaers in Doha vorgelegt werden.
Dadurch besteht die Gefahr, dass gerade die USA und die EU starken diplomatischen Druck ausüben, den schon “fertig gestellten” Text mit wenigen Änderungen zu verabschieden, um ein erneutes “Scheitern” der WTO zu verhindern.
“Während der Entwurf alle Kernforderungen der Industriestaaten aufgreift, bleibt er gegenüber der von der grossen Mehrheit der Entwicklungsländer erhobenen Forderung nach Ãœberprüfung und Anpassung der bestehenden Verträge bestenfalls vage und ignoriert ihren Widerstand gegen die neuen Themen völlig.” so Tobias Reichert vom Forum Umwelt und Entwicklung. “Worin der Sinn einer Entwicklungsrunde besteht, die gegen der Mehrheit der Entwicklungsländer durchgesetzt werden soll, bleibt schleierhaft.”