6. Presseerklärung des Netzwerks deutscher Nichtregierungsorganisationen, die zu Handelsthemen aktiv sind
Seattle, 2. Dezember 1999: Die EU-Kommission ist bezueglich der Forderung der USA nach Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Biotechnologie eingeknickt, nicht nur zur Enttaeuschung der NGO-VertreterInnen. Selbst die in Seattle anwe-senden EU-Umweltminister zeigten sich von diesem seit Mittwochmorgen kursierenden Vorschlag ueber-rascht und entsetzt. Die Kommission bemuete sich, den ins Stocken geratenen Verhandlungsprozess durch Vorlage eines konsensfaehigen Entwurfes zu beleben. Um damit doch noch eine neue und umfas-sende Verhandlungsrunde in Seattle einleiten zu koennen, wurden zentrale Anliegen des Umwelt- und Verbraucherschutzes geopfert. “Es braucht sich niemand zu wundern, wenn in den Strassen Seattles und andernorts die Menschen auf die Strasse gehen, um ihrem Unbehagen ueber die voranschreitende Globalisierung Ausdruck zu verleihen.”, kommentierte Rudolf Buntzel vom kirchlichen Entwicklungsdienst diese neue Entwicklung. “Wir fordern die EU auf, ihren Vorschlag in diesem Punkt dringend zu revidieren!”
Dem internationalen Handel mit gentechnisch veraenderten Lebensmitteln die Bahnen zu ebnen, ist eines der Anliegen, das besonders von der US-Regierung, Kanada und Japan verfolgt wird. Bisher hatte sich die EU geweigert, die Frage der Schutz, Sicherheitsstandards und Kennzeichnungspflicht bei der WTO anzusiedeln, auch um den Verhandlungsprozess im Rahmen des Biosafety Protokolls nicht zu gefaehrden. Das ist die Position, die auch die ueberwiegende Zahl der Entwicklungslaender vertritt . “Im Streit um die Arbeitsgruppe zur Biotechnologie hatten wir grosse Hoffungen auf die EU gesetzt”, so der aethiopische Delegierte Tewolde Egziabher. “Um so wichtiger ist es jetzt, dass die Verbraucher und Verbraucherinnen auch in Amerika ein kritisches Bewusstsein entwickeln und entsprechende Forderungen an ihre Regierung stellen”, appellierte er an die BesucherInnen der zentralen NGO-Veranstaltung am Dienstag in Seattle, die unter dem Motto “Keine Patentierung von Lebewesen” stand.
Achim Seiler von der Universitaet Frankfurt, ein Fachmann fuer handelsbezogene Aspekte des Schutzes geistigen Eigentums, kritisierte die neue Position der EU zum TRIPs-Abkommen (Abkommen ueber handelsbezogene geistige Eigentumsrechte). Das waehrend der Uruguay-Runde geschlossene TRIPs-Abkommen enthaelt unter anderem Aussagen zur Patentierbarkeit von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen. Waehrend die EU noch im Vorfeld der Seattle-Ministerkonferenz Verstaendnis fuer die Forderung der Entwicklungslaender nach Aenderung des Abkommens gezeigt hat, scheint sie auch in diesem Punkt jetzt bereit zu sein, sich der Position der USA zu beugen, die strickt gegen eine Aenderung bestehender Abkommen sind.
“Die Patentierung von Pflanzenarten, die sich ueber Jahrhunde durch traditionelle Anbautechniken der oertlichen baeuerlichen Gemeinschaften entwickelt haben, stellt einen Raub am geistigen Eigentum dieser Gemeinschaften dar. Ein Beispiel ist das Basmati-Reis-Patent der texanischen Firma Rice-Tex. Biopiraterie ist der Begriff, den NRO fuer diese Art der Ausbeutung des traditionellen Wissens bauerlicher Gemeinschaften und indigener Voelker gepraegt haben. Auch aus diesem Grund ist eine Änderung des TRIPs-Abkommens erforderlich”, so Seiler.