5. Presseerklärung des Netzwerks deutscher Nichtregierungsorganisationen,
die zu Handelsthemen aktiv sind
Seattle, 1.12.99: Kurz nach Vorlage eines neuen Entwurfes fuer die Abschlusserklaerung der WTO-Konferenz in Seattle aeusserten sich die vor Ort praesenten deutschen NGO-Vertreter sehr besorgt. Rainer Engels, Geschaeftsfuehrer von Germanwatch und einer der Vertreter des Forums Umwelt und Entwicklung vor Ort sagte: “Insgesamt ist das Papier ein Schritt in Richtung auf die Position der Cairns-Gruppe und der USA. Die EU gibt wie erwartet und befürchtet ohne Not einige positive Elemente ihres urspruenglichen Mandates auf. Mit Bezug auf die Entwicklungsländer gibt es erste vage Zugeständnisse, die aber durch Verschlechterungen in anderen Bereichen wieder aufgehoben werden.”
Im einzelnen weisen die NGOs in einer ersten Stellungnahme auf folgende Punkte hin:
Agrar:
Im Agrarbereich ist positiv zu erwähnen, dass der Text deutlich präziser bei der Frage der Interessen der Entwicklungsländer ist und dass die EU die Food Security aus dem Cairns-Papier übernommen hat. Weiterhin positiv ist das Zugeständnis bei den Exportsubventionen.
Problematisch ist die viel zu allgemeine Formulierung bei den Domestic Supports, die nicht erkennen läßt, wie in Zukunft eine Unterstützung der Landwirtschaft gerade mit Blick auf die Multifunktionalität gewährleistet werden soll. Es besteht die Gefahr, dass hier Blue- und Greenbox unter starken Druck geraten.
Unter dem Stichwort Non trade Concerns steht nur noch eine Liste der verschiedenen Funktionen, ohne Hinweis wie und wo eine Verankerung erfolgen soll. Sie sind damit schon so gut wie raus.
Biotechnologie:
Die Einrichtung einer Working Party zur Biotechnologie ist absolut fatal für die Verbraucherinteressen in Europa und die Interessen der Dritten Welt. Bisher hatte die EU die Einrichtung einer solchen Arbeitsgruppe abgelehnt. Angesichts des massiven Protestes auf der Straße gerade zu diesem Thema und die Ablehnung durch die große Mehrheit der Öffentlichkeit in Europa wird aber auch der WTO damit ein Bärendienst erwiesen. Biotechnologie muß in der Convention on Biodiversity verhandelt werden, nicht in der WTO.
TRIPs:
In Bezug auf TRIPs kann der Verhandlungsvorschlag im wesentlichen nicht akzeptiert werden, da er hinter früheren Vorschlägen zurückbleibt. Diese sahen ein substantielles Entgegenkommen der EU bei den Forderungen der Entwicklungsländer vor, die Patentierung von lebender Materie nicht zuzulassen. Die Forderungen der EL zielen auf die Entkopplung der im TRIPs-Abkommen genannten Schutzstandards für Innovationen im Bereich lebender Materie und auf Anerkennung sogenannter informeller Neuerungen, wie sie von Indigenen und Farmern erbracht worden sind. Dem muß im TRIPs-Abkommen durch eine entsprechende Veränderung Rechnung getragen werden. Positiv ist anzumerken, dass die Forderung der Entwicklungsländer nach einer Patentfreiheit für die 100 wichtigsten Arzneimittel aufgenommen wurde.
Umwelt:
Mit dem nun vorgelegten Entwurf einer Abschlußerklärung läßt die EU wie befürchtet unverzichtbare Kernelemente ihres eigenen Verhandlungsmandates im Umweltbereich fallen:
- Plötzlich wird nicht mehr davon gesprochen, dass die WTO auch sogenannte PPMs (also die umweltpolitisch ganz zentralen Fragen der Umweltintensität von Produktions- und Herstellungsverfahren) berücksichtigen muß.
- Auch das Vorsorgeprinzip wird nicht mehr ausdrücklich genannt. Es droht somit unter die Räder der WTO-Regeln zu kommen.
- Der Ausschuß für Handel und Umwelt soll bei den bevorstehenden WTO-Verhandlungen jetzt nur noch als begleitender Debattierklub fungieren ? von einer Rolle als Verhandlungsgremium ist nicht mehr die Rede.
Investment: NGOs warnen weiter vor einer Überlastung der Agenda zu Lasten der Überprüfung und Umsetzung. Wir halten es für erforderlich, das Thema Investitionen zu verhandeln, aber außerhalb der WTO. Der Text enthält gegenüber dem vorhergehenden eine weitere substantielle Verschlechterung, Es ist die Stärkung bzw. Gewährleistung der Souveränität der Staaten im Feld der Investitionspolitik weitgehend und die Berechtigung von Performance Requirements vollständig herausgefallen. Unverändert nicht drin ist die entscheidende Frage der Entschädigung von indirekten Enteignungen Implementation: Die Forderung nach einer Entwicklungs- und Umeltverträglichkeitsprüfung wurde nicht aufgenommen. Das Marakesh-Abkommen zur Unterstützung der LDFIC bei Preisanstiegen auf dem Weltmarkt ist völlig herausgefallen. Dies wird von den EL nicht akzeptiert werden und es ist strategisch falsch, zur Stärkung der EL-Interessen nur allgemeine Rhetorik anzuwenden. Transparenz und Beteiligung: Diese wichtigen Themen sind herausgefallen, noch bevor die Verhandlungen richtig angefangen haben. Soviel zur Ernsthaftigkeit, im WTO-Rahmen wirklich eine Oeffnung des handelspolitischen Prozesses einzuleiten. GATS Gesundheit, Erziehung und Kultur sollten nicht zum Verhandlungsgegenstand fuer weitere Liberalisierungsverhandlungen werden. In diese Sektoren muessen weiterhin umfassende Regulierungskompetenzen gewaehrleistet sein.