Doha/Katar, 12.11.01
In die Verhandlungen bei der Welthandelskonferenz in Doha kommt wenigstens in einem Punkt Bewegung. In der Frage TRIPs und Zugang zu Medikamenten liegt seit heute Nachmittag ein Papier vor, das gute Chance hat, verabschiedet zu werden.
Das Papier bestaetigt noch einmal, dass das TRIPs-Abkommen Parallelimporte und Zwangslizenzen als legale Instrumente vorsieht. Allerdings ist deren Anwendung auch weiterhin an die Bestimmungen des Abkommens gebunden. Klargestellt wurde, dass jedes Land souveraen darueber entscheiden kann, ob eine Krise der oeffentlichen Gesundheit vorliegt. Wenn dann weder das Medikament noch die Produktionslizenz zu angemessenen Bedingungen erhaeltlich sind, kann das Land eine Zwangslizenz vergeben und die notwendigen Medikamente zur Bekaempfung von AIDS und anderen Pandemien selbst produzieren. Wie Länder ohne eigene Pharmaindustrie innerhalb des TRIPs-Rahmens aus einer Zwangslizenz Vorteile ziehen können, unter welchen Bedingungen also der Import von Generika in solchen Fällen erlaubt ist, soll die WTO bis Ende 2002 klären.
Vorerst vom Tisch scheint damit die Forderung nach einer Revision des TRIPs-Abkommens. Ob die nunmehr vorgenommenen Klaerungen allerdings ausreichen, um die Armen wirklich mit Medikamenten zu versorgen, bleibt abzuwarten. “Im Grunde gibt es ja nichts Neues”, sagt Michael Frein vom Evangelischen Entwicklungsdienst. “Im wesentlichen wurden die bestehenden Regeln bestaetigt. Die bisher durch die Pharmaindustrie, die USA und die Schweiz vertretene Auslegung, die es Entwicklungsländern praktisch unmöglich machte, Zwangslizenzen zu vergeben, ist damit hinfällig.”
Ansonsten gibt es wenig Bewegung hinter den verschlossenen Tueren zumelden. Wahrend die Europaeische Union noch verbissen an ihrem Konzept einer umfassenden neuen Verhandlungsrunde festhaelt, zeigen sich die USA deutlich weniger enthusiastisch gegenueber den neuen Themen Investitionen und Wettbewerb. Von den Entwicklungslaendern widersetzt sich vor allem Indien nach wie vor entschlossen diesen Themen. Weiterhin hart gerungen wird um dasUmweltthema, das ebenfalls die Europaeische Union auf die Agenda setzen will. Die wiederum sperrt sich ihrerseits gegen die Einfuehrung einer Development Box im Agrarabkommen, die von der Mehrzahl der Entwicklungslaender gefordert wird. Entscheidender ist jedoch, dass die EU nicht bereit ist, im Agrarbereich einer Formulierung zuzustimmen, die das “Auslaufen der Exportsubventionen in Aussicht nimmt”.
Was bei diesem Stand am Ende herauskommen soll, ist im Moment noch nicht abzusehen. Die Nacht hindurch soll jedenfalls weiterverhandelt werden. “Es wird wahrscheinlich eine Art von Runde geben, die aber kaum neue Themen hat und bei der schon jetzt feststeht, dass die schwierigen Fragen bis zur nächsten Konferenz in zwei Jahren vertagt sind”, vermutet Tobias Reichert vom Forum Umwelt & Entwicklung. “Zu Umwelt und sozialer Entwicklung wird es weiterhin keine Fortschritte geben.”