Presseerklärung des Netzwerks deutscher Nichtregierungsorganisationen, die zu Handelsthemen aktiv sind
Das beabsichtigte Chaos der Gegner auf der Strasse wird noch vom Chaos in den WTO-Verhandlungsvorbereitungen uebertroffen
Seattle, 29.11.99: “Wenn die WTO so weitermacht, wird die Ministerkonferenz nicht am Streit zwischen den Delegationen, sondern an den gravierenden Organisationsmaengeln scheitern,” zu dieser nicht ganz ernst gemeinten Einschaetzung kam Dr. Rainer Engels, Geschaeftsfuehrer von GERMANWATCH, am Vortag der Ministerkonferenz in Seattle.
Gehandicapt durch eine Bombendrohung konnte das fuer morgens 9 Uhr von der WTO geplante NGO-Symposium erst mit ueber dreistuendiger Verspaetung beginnen. In der Zeit war das Pressezentrum gesperrt und damit kam die Berichterstattung weitgehend zum Erliegen. Zur gleichen Zeit brach im NGO-Zentrum das Computersystem zusammen und konnte erst nach Stunden wieder hergestellt werden. Am Abend regnete es dann im Computerraum durch die Decke.
Waehrend die Delegierten bereits auf dem Weg zum Verhandlungsort durch die zahlreichen Demonstrationen aufgehalten wurden, begann die Odyssee erst richtig im Gebaeude: die Schlangen bei der Akreditierung waren bis zu fuenf Stunden lang. Fuer die Abgeordneten des Europaparlaments zahlte sich das lange Warten nicht aus: nur vier Ausweise waren vorbereitet, ueber dreissig Abgeordnete und Mitarbeiter gingen leer aus. Aber auch die wirklichen Verhandler hatten Probleme. Sogar der britische Handelsminister Stephen Byers und der daenische Umweltminister Sven Aukan bekamen erst nach Stunden ihren Ausweis.
Auch die Ankuendigung von Veranstaltungen funktioniert bisher nur rudimentaer. Veranstaltungsorte werden kurzfristig verlegt (zum Beispiel der Family Farmers Summit des Internationalen Bauernverbandes, der in einem anderen Hotel stattfand), Veranstaltungen werden kurzfristig verschoben und entfallen dann ganz (wie das NGO-briefing der WTO, das jeden Tag stattfinden sollte, aber heute dieses Schicksal erlitt).
Erfreulicher ist dagegen die Informationspolitik der Regierungen. Die meisten Staaten bieten taeglich Informationsveranstaltungen fuer die Presse und die Zivilgesellschaft an. Die Berichterstattung in der US-Presse ist sehr ausfuehrlich und differenziert, die lokale Presse in Seattle ist dabei ausgesprochen kritisch gegenueber der WTO. Die Buerger von Seattle sind in allem sehr hilfsbereit und freundlich, trotz der Belastungen im Alltag durch die Menschenmassen in der Stadt und die Proteste auf den Strassen.