Bonn, den 6. April 2002
Die international reputierte Zeitschrift “Nature” hat nach einer wochenlangen Hetzkampagne gegen zwei Wissenschaftler am 4. April ihre Veröffentlichung über Kontaminierung mexikanischer Maisfelder mit Genmais zurückgezogen. Die Zivilgesellschaft und zahlreiche Wissenschaftler hatten seit langem vor Kontaminierung mit gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) gewarnt. Mexiko ist ein Zentrum der biologischen Vielfalt von Mais, einem der weltweit wichtigsten Grundnahrungsmittel. Die GVO-Maisfunde ausgerechnet dort haben 144 Nicht-Regierungsorganisationen veranlasst, internationale Einrichtungen wie die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO und das Internationale Agrarforschungszentrum CIMMYT in Mexiko zu bitten, die Verbreitung von GVOs in dieser Region unterbinden zu helfen. Auch die für die künftige Ernährung der Menschheit wichtigen Genbanken sollen vor GVO-Kontaminierung geschützt werden. Darüberhinaus sind Drohungen der Industrie bekannt geworden, Lizenzgebühren von den Bauern, auf deren Feldern GVO-Mais gefunden wird, abzuverlangen, gleich ob er ausgesät oder ungewollt verbreitet wurde.
Der höchst unübliche Schritt von “Nature” erfolgt zu einem Zeitpunkt, der der Biotech-Industrie nicht besser entgegenkommen könnte, nämlich kurz vor Beginn der Verhandlungen von 183 Staaten zur UN-Konvention über Biologische Vielfalt, die vom 7. bis 19. April in Den Haag stattfinden. Verwirrung oder gar Entwarnung in Bezug auf GVO-Kontaminierung könnte die Folge des Rückziehers von “Nature” sein. Dass viele Maisforscher unabhängig von der wissenschaftlichen Korrektheit des “Nature”-Artikels einen Gentransfer bei GVO-Mais für sehr wahrscheinlich halten, könnte dabei aus dem Blickfeld der Regierungsvertreter geraten.
Die Konvention über Biologische Vielfalt, ein völkerrechtlich verbindliches Übereinkommen der Vereinten Nationen, regelt den Schutz, die nachhaltige Nutzung und die gerechte Nutzenteilhabe des genetischen Reichtums der Erde. Die diesjährigen Verhandlungen der Vertragsstaaten und Nichtregierungsorganisationen in Den Haag betreffen Wälder, einwandernde Arten und die besonders umstrittenen Zugangsrechte und gerechte Teilhabe bei einer kommerziellen Nutzung genetischer Ressourcen oder traditionellen Wissens. Die damit in engem Zusammenhang stehende Debatte um die Gewährung von Patenten auf lebende Materie wird die unterschiedliche Einstellung zur privatrechtlichen Aneignung der Natur zwischen den Industrieländern und vielen Entwicklungsländern und ihren indigenen Völkern verdeutlichen. Kritiker sehen in der Patentierung ihren genetischen Ressourcen eine neue Form des Kolonialismus und eine Gefährdung der Ernährungssicherheit der Welt.
Ansprechpersonen: Dr. Hartmut Meyer, Koordinator der AG Biodiversität : 0531 5168746
Ursula Gröhn-Wittern, in Den Haag: 0170 11 53 830
Dr. Susanne Gura, Projekt Internationale Agrarforschung: 0228 9480670