Ein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft in Entwicklungsländern ?
Seit der UN Conference on Environment and Development in Rio de Janeiro 1992 und der Agenda 21 ist der Begriff der Nachhaltigkeit ein vielbenutztes Schlagwort. In der Agenda 21 sucht der Leser jedoch vergeblich nach einer Definition. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO war im Rio-Vorbereitungsprozeß federführend an der Ausarbeitung des Konzeptes einer nachhaltigen Landwirtschaft beteiligt. Folgende Arbeitsdefinition wurde 1988 auf Basis des Brundtland-Berichtes vom Rat der FAO verabschiedet und ging implizit in die Agenda 21 ein: “Sustainable development is the management and conservation of rural resource base, and the orientation of technological and institutional change in such a manner as to ensure the attainment and continued satisfaction of human needs for present and future generations. Such sustainable development (in agriculture, forestry and fisheries sectors) conserves land, water, plant and animal genetic resources, is environmentally non-degrading, technically appropriate, economically viable and socially acceptable.” Ziel des vorliegenden Beitrages kann es nicht sein, die in der Ãœberschrift aufgeworfene Frage umfassend im Hinblick auf die obige Definition der Nachhaltigkeit zu beantworten. Während ökonomische und soziale Aspekte weitestgehend unberücksichtigt bleiben, wird zur Beurteilung von gentechnischen Verfahren im Pflanzenschutz dem Aspekt des Ressourcenschutzes Priorität eingeräumt. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit die bereits an der Schwelle der Etablierung stehenden Techniken der gentechnisch induzierten Herbizid- und Insektenresistenz als für den Anwender langfristig nutzbare und stabile Systeme einzustufen sind.
Stand der gentechnischen Forschung für den Reisanbau
Die gentechnische Forschung in der Pflanzenzüchtung konzentriert sich auf Kulturpflanzen und Anbautechnologien der industrialisierten Länder und auf cash crops der wärmeren Klimazonen. 1996 und 1997 wurden transgene Sorten in den USA, China, Kanada, Argentinien, Australien und Mexico angebaut (James 1997). Als gentechnisch zugängliche Pflanze der Entwicklungsländer, die zugleich auch einen intensiven chemischen Pflanzenschutz erfahren kann, ist im Augenblick nur der Reis zu nennen (Havukkala 1996). Die Forschung konzentriert sich auf die Erstellung herbizid- und insektenresistenter Reispflanzen. Beide Resistenzen sind monogen veranlagt, die technischen Anforderungen einer Modifikation sind vergleichsweise gering. 1992 veröffentlichten Li et al. ein Protokoll zur Erzeugung sulfonylharnstoffresistenten Japonica-Reises, Datta et al. publizierten im selben Jahr ihren Beitrag über die Herstellung glufosinatresistenten Indica-Reises. Den ersten Bericht über die Erzeugung eines insektenresistenten Reises stellten Fujimoto et al. (1993) vor.
Probleme der Beikrautregulierung im Reisanbau
Die Produktionsverfahren im Reisanbau des asiatischen Raums haben sich in den vergangenen 20 Jahren wesentlich verändert (Olafsdotter et al. 1996). Analog zur Situation in Westeuropa führte in einigen Teilen Asiens steigender Wohlstand mit wachsenden außerlandwirtschaftlichen Löhnen zur Abwanderung der Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft. Bei steigenden Arbeitslöhnen und fallenden Reispreisen substituierten die Reisbauern im großen Umfang die manuelle Beikrautkontrolle gegen eine chemische. Parallel zu dieser Entwicklung wurde aus den gleichen Gründen das klassische Auspflanzen von in Saatbeeten vorgezogenen Jungpflanzen zugunsten der Direktsaatverfahren aufgegeben. Im Gegensatz zum Pflanzverfahren laufen bei dem Direktsaatverfahren wegen der vergleichbaren Keimbedingungen mit der Kulturpflanze in großem Umfang Beikräuter auf. Viele der Beigräser weisen eine morphologische Verwandtschaft zum Reis auf und sind deshalb nur schwer zu identifizieren (Barrett 1983). Der zunehmende Einsatz von mineralischem Dünger gepaart mit der Verwendung neuer kleinwüchsiger Reissorten erhöhte die relative Konkurrenzfähigkeit der Beigräser, so daß z.B. Wilder oder Roter Reis (Oryza rufipogon) und Hühnerhirse (Echinochloa crus-galli) in der heutigen Reisproduktion ein zunehmendes Beikrautproblem darstellen (Naylor 1994; Heong et al. 1995). Die chemische Beikrautregulierung erweist sich nicht nur in Asien, sondern auch in nichttropischen Reisanbaugebieten aufgrund der unzureichenden Selektivität der Herbizide als problematisch. Nach Naylor (1994) verursachen Beikräuter im modernen Reisanbau trotz des Herbizideinsatzes tendenziell höhere Ernteausfälle als in den traditionellen Kulturen. Dieser Problemsituation versucht die Forschung mittels gentechnisch induzierter Resistenzen gegenüber Totalherbiziden Herr zu werden. So ist die Regulierung des Roten Reises Ziel der Freisetzungsversuche glufosinatresistenter Reislinien in den USA (Braverman & Linscombe 1994; Sankula et al. 1997).
Gentechnisch induzierte Herbizidresistenz
Seit über 15 Jahren sind Forschergruppen darum bemüht, Nutzpflanzen mit Hilfe gentechnischer Veränderungen gegen die abtötende Wirkung eines Totalherbizids resistent zu machen (BOTTERMAN & LEEMANS 1988; MAZUR & FALCO 1989; SCHULZ et al. 1990), um einen möglichst breiten Einsatz des jeweiligen Mittels und somit einen Ausbau des Marktanteils des Herbizides zu ermöglichen. Die Geschichte der Herbizidresistenz, wie die anderer Entwicklungen auf dem Gebiet der Gentechnologie auch, ist geprägt von Versprechungen zur Lösung der Probleme der industrialisierten Landwirtschaft bis hin zur Bekämpfung des Welthungers (Gasser & Fraley 1992; Hahlbrock 1994; Hoechst 1997). Der Anbau herbizidresistenter Kulturen in Entwicklungsländern wird auf Basis entwicklungspolitischer und ökosystemarer Argumente äußerst kontrovers diskutiert. Die produktionstechnischen Vorteile, die sich laut Agrochemie ergeben, sind:
- vereinfachtes Beikrautmanagement durch Schließung von Wirkungslücken,
- Ersatz von ökologisch nachteilhaften Herbiziden durch ökologisch vorteilhafte Totalherbizide,
- zunehmende Regulierung der Beikrautflora im Nachauflaufverfahren, dadurch ein tendenziell verringerter Pflanzenschutzmitteleinsatz,
- Herabsetzung des Phytotoxizitätsrisikos resistenter Kulturpflanzen.
Kritisch anzumerken ist, daß die aufgeführten produktionstechnischen Veränderungen nur dann als Vorteile zu diskutieren sind, wenn als Referenzsystem der konventionelle chemische Pflanzenschutz herangezogen wird. Wird als Vergleichssystem der traditionelle oder der moderne ökologische Landbau gewählt, fällt die Beurteilung der Herbizidresistenz im Hinblick auf den Ressourcenschutz negativ aus. Die Systeme des industrialisierten Reisanbaus sind im Gegensatz zur traditionellen Reiskultur als nicht nachhaltig anzusehen (Bray 1997), diese Systemeigenschaften werden durch den Anbau herbizidresistenter Sorten nicht korrigiert. Entgegen der obigen Ausführungen sind Totalherbizide wie Glufosinat und Glyphosat in ihrem ökologischen Profil modernen selektiven Herbiziden nicht deutlich überlegen (Wilke 1992; Auerswald 1993; van den Daele et al. 1994; Sandermann et al. 1996). Basta ist in der BRD als toxisch für Fische und Fischnährtiere eingestuft. Ein Einsatz im Reisanbau im Hinblick auf die Verträglichkeit mit Fisch-Reis-Produktionssystemen ist zu überprüfen, da die Fischproduktion für die Landbevölkerung eine wesentliche Protein- und Einkommensquelle darstellt (Naylor 1994). Weiterhin muß die prognostizierte starke Verringerung der Herbizideinsatzmenge infolge des Anbaus transgener Nutzpflanzen in Frage gestellt werden (Märländer 1996). Deutsche Freisetzungsversuche ergaben, daß Basta Wirkungslücken gegenüber Beikräutern wie Kleine Brennessel und Klettenlabkraut aufweist. So sind zur Schließung der Wirkungslücken weiterhin Mischungen notwendig (Reschke 1996). Inwieweit diese oder ähnliche Tendenzen auch für den Reisanbau zu verzeichnen sind, bleibt abzuwarten. Festzuhalten ist, daß die Technologie der Herbzidresistenz letztlich nur einen Wirkstoffaustausch ermöglicht und einige Nachteile des chemischen Pflanzenschutzes wie das Phytotoxizitätsrisiko abmildern kann.
Stabilität des Systems Herbizidresistenz
Die längerfristige Nutzbarkeit herbizidresistenter Kulturpflanzen ist nur dann gewährleistet, wenn Beikräuter keine Resistenzen entwickeln. Zu unterschieden sind hierbei zwei Faktoren: die Häufigkeit der Resistenzentstehung und die Geschwindigkeit der Resistenzausbreitung.
Das Phänomen der Herbizidtoleranz von Beikräutern ist seit langem bekannt. Durch seltene, spontane Mutationen und Selektion durch die Herbizide entstehen tolerante Beikräuter. Als bekanntestes Beispiel sind die Triazinresistenzen zu nennen. Triazinresistenzen traten nach etwa 15 Jahren des Herbizidgebrauchs auf und sind inzwischen in über 100 Beikrautarten zu finden (Jaseniuk et al. 1996). Die Verbreitungsgeschwindigkeit solcher Resistenzen hängt davon ab, in welchem Teil des pflanzlichen Genoms das Resistenzgen liegt. Triazine wirken auf ein Protein der Photosynthese, dessen Gen sich im Chloroplasten befindet. Da Pollen keine Chloroplasten enthalten, können Resistenzmutationen in diesem Gen nicht an andere Pflanzen weitergegeben werden, sondern sich nur über Samen der mutierten Pflanze verbreiten. Das führt zu einer relativ geringen Verbreitungsgeschwindigkeit. Beispiele für eine schnellere Dynamik bieten Resistenzen gegen inzwischen 9 andere Wirkstoffe, die durch spontane Mutationen von Genen im Zellkern entstanden (Jaseniuk et al. 1996) und somit auch über Pollen verbreitet werden können. Nach nur 5 Jahren des Gebrauchs von z. B. Bensulfuron-methyl (Sulfonylharnstoff) etablierten sich an 72 Orten des kalifornischen Reisanbaus 4 resistente Beikrautarten (Pappas-Fader et al. 1994), in anderen Regionen wurden resistente Pflanzen sogar schon nach 3 Jahren nachgewiesen (Guttieri et al. 1996).
Von der seltenen, spontanen Mutation ist die Ausbildung von Resistenztypen zu unterscheiden, die im Zuge des Anbaus herbizidresistenter Kulturpflanzen zu prognostizieren sind. Die neuen Resistenztypen beruhen auf einem genetischen Fluß des Resistenzgens aus den Kulturpflanzen in kreuzungsfähige verwandte Wildpflanzen. Für transgenen herbizidresistenten Raps und seine Wildverwandten wurde diese Art der Resistenzweitergabe inzwischen ausführlich beschrieben (Jørgensen & Andersen 1994; Brown & Brown 1996; Mikkelsen et al. 1996). Somit beschränkt sich die Resistenzbildung in Wildpflanzen nicht mehr auf seltene Mutationsereignisse, sondern wird durch den alltäglichen Austausch des Erbmaterials zwischen nahe verwandten Pflanzen verstärkt. Die neue Dimension besteht darin, daß auf diesem Weg ?Resistenzmutationen? künstlich und kreuzungsgrenzendüberschreitend in die Kulturpflanze und damit flächendeckend in den Genpool eingebracht werden. Da die gentechnisch eingebrachten Resistenzgene im Zellkern liegen, muß analog zur oben beschriebenen Situation mit einer sehr schnellen Verbreitung gerechnet werden. Somit muß der Aussage der Entwickler herbizidresistenter Sorten widersprochen werden, nach der herbizidresistente Beikräuter – wenn überhaupt – erst nach vielen Jahren permanenten Gebrauchs des Herbizides entstünden. Im Fall der Einführung herbizidresistenter Reissorten ist zu prognostizieren, daß binnen kurzer Zeit der Wilde Reis durch einen Genfluß aus dem Kulturreis transgene Eigenschaften übernimmt, da eine freie Kreuzbarkeit gegeben ist (Harlan et al. 1973). Diese Genflußthese läßt sich durch mehrere Untersuchungen aus dem konventionellen Reisanbau untermauern (Barrett 1983). Oka und Chang (1959) fanden in indischen Populationen des Wilden Reises ausgekreuzte Kulturmerkmale wie synchrone Keimung und schwache Dormanz. Kiang et al. (1979) führten den Beginn des Aussterbens des Wilden Reises in Taiwan auf einen Genfluß aus Japonica-Sorten in den 30iger Jahren zurück. In experimentellen Systemen konnte kein Genfluß zwischen transgenem und konventionellem Reis gezeigt werden (Kimura et al. 1992). Eine abschließende Beurteilung ist aufgrund dieser einen Untersuchung nicht möglich, Olofsdotter et al. (1996) fordern unter dem Eindruck der Ergebnisse mit transgenem Raps eine umfassende Risikoforschung vor der Einführung transgener Sorten.
Herbizidresistenz als Faktor in einer Nachhaltigen Landwirtschaft – Fazit Der Einsatz herbizidresistenten Reises wird in wenigen Jahren zur Entwicklung entsprechend resistenten Wilden Reises führen. Als Folge dieses Prozesses wird sich eine vergleichbare Problemlage bei der Beikrautregulierung einstellen, zu deren Lösung die gentechnisch induzierte Herbizidresistenz beitragen sollte. Das System der Herbizidresistenz ist als instabil einzustufen, eine langfristige Lösung der Beikrautproblematik im intensiven Reisanbau ist nicht zu erwarten.
Probleme der Schadinsektenbekämpfung im Reisanbau Trotz eines steigenden Gebrauchs synthetischer Insektizide verursachen Schadinsekten ernstzunehmende Ernteausfälle im Reisanbau. Nach Heong et al. (1995) sowie Rubia et al. (1996) ist dies nicht mit einer mangelnden Wirkung der Mittel zu begründen, sondern mit einem unzureichenden Wissens- und Ausbildungsstand der Anwender über integrierte Anbausysteme. Im Gegensatz zur chemischen Insektenregulierung verfolgt der integrierte oder biologische Pflanzenschutz einen systemaren Ansatz, dessen Bestandteile u.a. der Einsatz biologischer Insektizide sowie die Züchtung insektenresistenter Reissorten sind. Als biologisches Insektizid sind Mittel auf Basis von ?-Endotoxinen des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis (Bt) in der Anwendung. ?-Endotoxine sind Proteine, die spezifisch gegen einzelne Insektenarten wirken (Höfte & Whiteley 1989), indem Darmfunktionen blockiert werden. Bt-Toxine weisen ein anerkannt günstiges ökologisches und toxikologisches Profil auf. Wie bei jedem Insektizid sollte auch der Einsatz von Bt nur gezielt im Schadensfall erfolgen, um den Selektionsdruck gering zu halten. Als weitere Komponente des integrierten Pflanzenschutzes ist die Suche und Einkreuzung natürlicher pflanzlicher Resistenzen gegen Schadinsekten zu nennen. Allerdings ist dies wie etwa im Fall des Reisschädlings Scirpophaga incertulas nicht immer erfolgreich. Die Raupen dieser Art gelten als bedeutende Schadinsekten im modernen Reisanbau (Herdt 1991). Ob ein Befall von S. incertulas tatsächlich der kausale Grund für Ernteverluste ist, wird zumindest für Tiefwasserreis in Frage gestellt (Taylor 1996).