Eröffnungsvortrag von Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forum Umwelt und Entwicklung, für die Tagung „Frei und fair?“ Internationaler Agrarhandel im Interesse von Mensch und Umwelt
Hofgeismar 22.9.2017
Das weltweite Ernährungssystem hat in den letzten Jahrzehnten einen Prozess einer geradezu atemberaubenden Konzentration durchlaufen. Noch bis in die 70er Jahre hatten wir eine grosse Vielfalt regionaler Märkte, regional wirtschaftender Erzeuger, regionaler Preisbildung. Davon kann man heute nicht mehr sprechen. Wir haben es heute mit einem von multinationalen Konzernen dominierten System zu tun, einem Corporate Food Regime, gekennzeichnet durch globalisierte sogenannte Wertschöpfungs- und Lieferketten, getrieben von der Logik der Konzerne und immer weniger von demokratisch kontrollierter Politik im Interesse der Allgemeinheit. Die Konsequenzen sind drastisch: Nicht nur immer mehr Bauernhöfe haben aufgegeben, und die verbliebenen werden immer grösser. Das ist nur eine Facette. Schauen wir uns die ganze Branche an. Drei Unternehmen liefern mehr als 50% der Agrartechnik weltweit. Vier Konzerne kontrollieren den Düngemittelmarkt außerhalb Chinas. Nach der anstehenden Fusionswelle werden drei Konzerne mehr als 60% des Saatgut- und Pestizidbereichs kontrollieren. Fünf große Handelskonzerne kontrollieren 70% des Getreidehandels. Auch in der Verarbeitung und im Einzelhandel ist die Konzentration und Oligopolisierung in vollem Gange, gerade 50 Firmengruppen kontrollieren inzwischen mehr als 50% des weltweiten Umsatzes mit der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln. Parallel dazu steigt der Einfluss von Finanzinvestoren in diesen Konzernen, denen es nur noch um das geht was neudeutsch shareholder value genannt wird, im Klartext also Profit.
Wer an eine von Wettbewerb geprägte Marktwirtschaft glaubt, müsste über diese Entwicklung genauso alarmiert sein wie Bauern, Verbraucher, eine kritische Zivilgesellschaft. Aber Wettbewerb und Marktwirtschaft sind leere Sprechblasen, in der Realität genauso bedeutungslos wie andere schöne Worte wie Nachhaltigkeit, Freiheit, Demokratie, usw. Die Süddeutsche Zeitung berichtete diese Woche über das äußerst effektive Geschäft der Agrarlobby unter der Ãœberschrift „Wie Lobbyisten bestimmen, was wir essen“. Ich zitiere “Wer nach intransparenten Strukturen sucht, der findet sie in der deutschen Agrarwirtschaft landauf, landab. Sie ist ein Paradies für Lobbyisten. Die Interessenvertretung funktioniert hier über ein fein austariertes Geflecht aus Vertretern der Landwirtschaft, der Agrarmaschinenhersteller oder der Chemie- und der Gentechnikindustrie. Funktionäre und Manager schieben sich innerhalb dieses engen Netzwerks ihre Posten gegenseitig zu. Wer für wen lobbyiert, ist häufig unklar.” Diese Leute sind für die Entwicklungen verantwortlich, die ich eben beschrieben habe. Eine Entwicklung, die niemals demokratisch beschlossen wurde – Mehrheiten für einen solchen beispiellosen Konzentrationsprozess hätte es in einem offenen demokratischen Diskurs nie gegeben. Die Verbraucher wollen längst was anderes. Sie wollen Qualität aus bäuerlicher Landwirtschaft in der Region für die Region, für einen fairen Preis. In den Supermärkten werden regionale Produkte beworben, die Nachfrage nach Bio steigt schneller als die eigene Produktion. Aber niemand wirbt mit Ramschware aus Massentierhaltung, hergestellt von rechtlosen rumänischen Werkvertragsarbeitern für irgendwelche Weltmärkte.
Die Entstehung dieses Corporate Food Regime ist kein Naturgesetz. Ohne massive politische Rückendeckung hätte es diese Entwicklung nie gegeben. Globale Lieferketten funktionieren nur, wenn man mit Freihandelsabkommen die Märkte öffnet, notfalls auch gegen massiven öffentlichen Widerstand. Genau darum geht es in der Handelspolitik der EU, aber auch anderer grosser Handelsblöcke wie etwa den USA.
Es ist kein Zufall, dass der Widerstand gegen Freihandelsabkommen wie TTIP oder CETA in der Regel beim Essen, bei der Landwirtschaft anfängt, ich sage nur Chlorhühnchen und Hormonfleisch. Nach dem TTIP-Debakel, nach Betriebsunfällen wie Brexit und Trump haben EU-Kommission und Bundesregierung mehr Transparenz versprochen, mehr Dialog, aber das können Sie alles vergessen. Die EU und ihre Mitgliedsregierungen, von ganz links bis ganz rechts, alle, haben nicht ernsthaft eine Korrektur ihrer in die Defensive geratenen Handelspolitik vor. Etwa 20 Abkommen haben sie noch in der Pipeline, mit den Mercosur-Ländern Südamerikas, mit Australien, Neuseeland, Japan, Indien, den Philippinen, Indonesien, Tunesien, Marokko, Mexiko, afrikanischen Ländern und so weiter. Und bei allen geht es um dasselbe: weitere Marktöffnung in den Bereichen, wo es noch relevante Märkte zu öffnen gibt, also vor allem Agrar und Dienstleistungen, sowie um weitere Deregulierung. Regulierungen mögen im öffentlichen Interesse sein, aber sie sind Handelshemmnisse, also werden sie erschwert oder gleich unmöglich gemacht.
Diese Handelspolitik folgt weiterhin den Grundzügen einer Strategie der EU-Kommission aus dem Jahr 2006 genannt „Global Europe“. Sie war damals eine Reaktion auf den vielzitierten Stillstand in der WTO, der in Wirklichkeit vor allem ein erfolgreicher Widerstand der Entwicklungsländer gegen die kompromisslose Liberalisierungsagenda von EU und USA ist. Noch im Herbst 2015 wurden die Ziele dieser Strategie von der Kommission bekräftigt– man will sie zwar besser kommunizieren, aber nicht die Inhalte ändern.
Das zentrale Ziel der Global Europe-Strategie ist, die EU soll der »wettbewerbsfähigste Wirtschaftsraum der Welt« werden, und wenn man das zum Ziel hat, dann ist natürlich klar: dafür müssen die Märkte der anderen geöffnet werden, und ebenso klar ist, dass der wettbewerbsfähigste Wirtschaftsraum der Welt von solchen schrankenlos offenen Märkten am meisten profitiert und die anderen davon nicht ganz so begeistert sein können. Make Europe Great Again, so könnte man es auch nennen, Europe First – aber nein, das ist natürlich kein Wirtschafts-Nationalismus, das geht ja schon deshalb nicht weil die EU keine Nation ist, aber Egoismus ist es schon.
Aber man muss natürlich auch sagen, sehr weit sind sie damit bisher nicht gekommen. Über den grössten Teil der geplanten Abkommen und praktisch alle wichtigeren wird verhandelt und verhandelt und verhandelt, aber es klemmt überall. TTIP und CETA sollten diesen beklagenswerten Zustand ändern, sollten die „modernsten Handelsabkommen der Welt“ werden, und erreichten doch das genaue Gegenteil. So umstritten wie heute war die EU-Handelspolitik schon lange nicht mehr.
Schauen wir uns mal an, worum es eigentlich geht bei den mehr als 20 Abkommen, die die EU noch in der Pipeline hat, soweit wir das beurteilen können. Die Verhandlungsmandate, die Verhandlungsberichte all dieser Abkommen sind ja geheim, nach wie vor, allen Transparenzversprechen zum Trotz. Vor allem sind diese Verhandlungsmandate meist schon ziemlich alt, Mercosur etwa aus dem Jahr 1998, sie stammen aus der Zeit als noch niemand in der Kommission, in Europas Regierungen die leisesten Zweifel am bisherigen Marktliberalismus hatte, als noch niemand sagte, es muss mehr Gewinner bei der Globalisierung geben. Mir ist nichts davon bekannt geworden, dass diese Verhandlungsmandate geändert worden wären oder auch nur dass auch nur eine einzige Regierung vorgeschlagen hätte, sie zu ändern. Also bleibt es wohl bei der alten Politik.
Neben der forcierten Marktöffnung im Dienstleistungssektor ist ein roter Faden, der sich durch alle geplanten Abkommen zieht, die weitere Globalisierung der Agrarmärkte, ohne Rücksicht auf Verluste. Hier sind die Widerstände besonders gross, der Widerstand gegen TTIP fing bekanntlich auch mit dem Essen an. Erklärtes Ziel ist die weitere Senkung der Erzeugerpreise, und das heisst im Klartext die weitere Industrialisierung der Landwirtschaft, denn mit diesem Preisdruck können bäuerliche Erzeuger überall auf der Welt nicht mithalten. Mit 20 geplanten Freihandelsabkommen versucht die EU, vor allem Fleisch- und Milchmärkte in Asien, den Philippinen, Japan usw. zu öffnen, um für die agrarindustrielle Überproduktion in der EU neue Märkte zu finden – und dort bäuerliche und regionale Strukturen plattzumachen.
Deswegen ist der Widerstand in Japan und asiatischen Ländern gegen diese Abkommen vor allem unter den Bauern stark, weil sie diese Abkommen als das begreifen was sie sind: eine Kampfansage an die bäuerliche Landwirtschaft. Die hat man dort noch weitgehend, in der Region für die Region, und ihren Aussenschutz will die EU unbedingt knacken. Vor kurzem ist in Japan eine Milchmarktreform beschlossen worden, mit der der japanische Milchsektor wettbewerbsfähiger gemacht werden soll, um für das EU-Abkommen fit zu werden und um den Widerstand in Japan gegen das Abkommen zu schwächen. Was das heisst, können Sie sich denken: den Milchsektor „wettbewerbsfähiger“ machen, heisst sie industrialisieren ihn, völlig egal ob Japans Verbraucher und Bauern so etwas wollen, die werden nicht gefragt.
In diese Richtung soll es also auch in Zukunft gehen, nach dem Willen der EU-Regierungen und der Kommission: Noch mehr Globalisierung, und das heisst noch mehr Industrialisierung, noch mehr Konzentration des Agrar- und Lebensmittelsektors. Das BMEL ist da ganz offen: Wir wollen mit praktisch der ganzen Welt Freihandelsabkommen haben, nur mit Russland, China, Iran und wenigen anderen sei das derzeit nicht angestrebt. Der Ausbau der Exportmärkte ist das politische Ziel, das BMEL sagt in seinem sogenannten »Grünbuch« vom Januar klar: »Unsere Agrarexportstrategie fokussiert sich auf kaufkräftige Gesellschaften innerhalb und außerhalb der Europäischen Union.« Jeder normale Mensch fragt sich allerdings: Wenn es in Sao Paulo, Bombay, Jakarta oder Nairobi kaufkräftige aufstrebende Mittelschichten gibt, warum sollen dann nicht Bauern aus diesen Ländern die beliefern, damit die auch was von dem Aufschwung haben?
Neben billiger Massenware aus der industriellen Massentierhaltung geht es in der Tat bei den Exportplänen der EU sehr stark auch um verarbeitete Qualitätsprodukte – aber aus entwicklungspolitischer Sicht ist das nicht minder problematisch: gerade in den sogenannten wertschöpfungsintensiven Produkten liegen eben auch die Potenziale für Arbeitsplätze, wirtschaftliche Perspektiven für diese Länder. Es ist doch ein Irrsinn zu glauben, »wir« müssten die Welt ernähren.
Wenn Sie mal das zweifelhafte Vergnügen haben, an den Informationssitzungen des BMEL für Lobbyisten aller Art, pardon, Verbandsvertreter (und das bin ich ja auch) teilzunehmen, dann stellen Sie rasch fest, in welcher Parallelwelt man sich dort bewegt. Da wird dann gefordert, »wir müssen den abgeschotteten Süsswarenmarkt Mexikos knacken«, »wir müssen den abgeschotteten Schweinefleischmarkt und Alkoholmarkt der Philippinen knacken«, »wir müssen den abgeschotteten Milchmarkt Japans knacken« und so weiter, und das BMEL stimmt 100% zu. Nein, meine Damen und Herren, wir müssen die abgeschottete Handelspolitik der EU knacken, dieses Lobbyistenparadies jenseits aller demokratischer Kontrolle, darum geht es, und wir sind auch schon dabei das zu tun.
Mit den geplanten Freihandelsabkommen mit den Agrarexportländern Südamerikas sowie Australien und Neuseeland, aber auch mit CETA soll umgekehrt die europäische Landwirtschaft unter weiteren massiven Preisdruck gesetzt werden. Davor hat ja selbst der Bauernverband richtig Muffesausen. Wenn erst der globale Wettbewerb aller gegen alle schrankenlos durchgesetzt ist – und genau das ist das Ziel der neoliberalen Handelspolitiker in Brüssel, in Berlin, in den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten, dann ist die bäuerliche Landwirtschaft erledigt. Ein regelrechter Preiskrieg, Roulettespiel mit der Zukunft der Landwirtschaft, anachronistisch aber politisch gewollt von Europas Regierungen von links bis rechts und der EU-Kommission. Schon die russischen Sanktionen gegen die EU-Landwirtschaft haben gezeigt, welche fatalen Konsequenzen diese Weltmarktfixierung hat. Jahrelang hiess es, Russland ist der Markt der Zukunft, und kaum besetzen die Russen einen Teil der Ukraine, war Feierabend mit dem Markt der Zukunft. Jetzt ist China der Markt der Zukunft, und wenn morgen die Chinesen irgendeine Insel im Südchinesischen Meer besetzen, ist halt auch wieder Feierabend. Jenseits aller Umwelt- und Tierschutzargumente ist die Weltmarktorientierung auch ökonomisch eine Sackgasse, aber Europas Regierungen bleiben unbeirrt bei dieser fatalen Politik. Was soll das? Wer hat beschlossen, dass so etwas im öffentlichen Interesse Europas ist?
Fester Bestandteil der EU-Handelspolitik seit 25 Jahren ist auch die Verschärfung der Saatgutgesetze, das Durchsetzen ausufernder »geistiger Eigentumsrechte« auf Saatgut und die Kriminalisierung von Bauern, die ihre Ernte als Saatgut wiederverwenden statt bei Agrarkonzernen Saatgut neu einzukaufen. Schön für Bayer und Monsanto, schlecht für die Bauern. Jahrhundertelang haben sie ihr Saatgut lokal ausgetauscht, unzählige standortangepasste Sorten gezüchtet, und das soll jetzt ein Verbrechen sein? Nennt man das »Globalisierung neu definieren«? Lippenbekenntnisse.
Für viele Entwicklungsländer sind die Folgen dieser Politik fatal. Vor 30 Jahren waren noch 30 Länder Netto-Nahrungsmittelimporteure, heute sind es 110. Wie sollen sich solche Länder jemals erfolgreich entwickeln, wenn sie darauf angewiesen sind, mit ihren knappen Devisen Nahrungsmittel zu kaufen, abhängig auf Gedeih und Verderb von den Preisschwankungen der Weltmärkte?
Vorbei sind die Zeiten der Handelsabkommen von Lomé oder Cotonou, mit denen die EU ihre Märkte für afrikanische Exporte geöffnet hat, ohne dieselbe Öffnung von den Afrikanern zu fordern. Heute zwingen wir sie, ihre Märkte zu öffnen, ohne Rücksicht auf Verluste, und wenn dieselben Regeln für Starke und für Schwache gelten, können Sie sich denken was dabei herauskommt: die Starken gewinnen. Nicht nur zaghafte Ansätze einer Industrialisierung gingen dadurch kaputt. In Ghana hat man mal Tomaten angebaut und in Konservenfabriken Tomatenpräparate exportiert. Tomaten wachsen gut in Ghana. Heute haben europäische Tomatenexporte die Märkte Ghanas erobert, so mancher frühere Tomatenbauer arbeitet heute als illegaler Migrant zu Hungerlöhnen in Italien oder Spanien.
Das ist nicht das einzige Beispiel. Die Folgen dieser Handelspolitik, dieser erzwungenen Marktöffnung sehen Sie überall im Landwirtschafts- und Lebensmittelbereich. Letztes Jahr hatten wir die Präsidentin des Milchbauernverbands von Burkina Faso zu Gast bei einem Kongress, und sie hat berichtet, dass der Anteil von europäischer Hersteller am Milchmarkt in Burkina Faso inzwischen bei fast 90% liegt. Die EU hat Burkina Faso mit ihren Handelsabkommen praktisch verboten, Einfuhrzölle auf Milchprodukte zu verhängen, und gegen die hochsubventionierte europäische Agrarindustrie haben die natürlich keine Chance. Die Folgen: Die Kinder der Milchbauern werden heute nicht mehr Milchbauern, sondern Migranten. Früher kamen sie nur bis in die Hauptstadt, heute auch weiter. Auf dem Höhepunkt der europäischen Milchkrise durch die Überproduktion vor 2 Jahren lud der Bundeslandwirtschaftsminister zu einem Milchgipfel, dessen Hauptergebnis war: mehr Exporte, so werden wir die Überschüsse los. Wieviele afrikanische Milchbauern wollen wir eigentlich noch ruinieren?
Die europäischen Hühnchen-Massentierhalter, die Wiesenhofs & Co, haben schon erfolgreich die bäuerliche Hühnerhaltung in Europa plattgemacht, und mit ihren ungebremsten Exporten vor allem von sogenannten minderwertigen Hühnerteilen haben sie in weiten Teilen Afrikas die Hühnerhaltung plattgemacht. Das ist lange bekannt, aber natürlich denkt in der europäischen Politik niemand daran, das abzustellen, ganz im Gegenteil: mit neuen Freihandelsabkommen sollen neue Märkte erschlossen werden. Schliesslich werden die Produktionskapazitäten ständig erweitert, ohne dass die Politik etwas dagegen tut, während die Inlandsmärkte stagnieren oder schrumpfen. Irgendwo muss man das Zeug ja absetzen. Also eben im Export.
Meine Damen und Herren, diese Handelspolitik ist eine Migrationsursache. Solange wir weiterhin vielen Menschen in anderen Ländern für unsere Exportrekorde die Lebensgrundlagen kaputt machen, werden die Migrationsströme nicht abnehmen, sondern sie werden zunehmen.
Ich glaube, es ist klar geworden: Wir brauchen grundlegende Umorientierung unserer Handels- und Aussenwirtschaftspolitik. Der globale Konkurrenzkampf aller gegen alle ist ein Irrweg, die Verwerfungen sehen wir doch überall. Die meisten gehen dabei unter, übrig bleiben ein paar Konzerne, und dann ist auch der vielgepriesene Wettbewerb zu Ende. Es gibt viel mehr Verlierer als Gewinner, Brexit, Trump, Migrationsströme, Entvölkerung ländlicher Räume und so weiter sind die Konsequenzen. Wie blind muss man eigentlich sein, um immer noch das „weiter so“ zu predigen?
»Weiter so« wird nicht funktionieren, erst recht wenn sich das politische und gesellschaftliche Umfeld ändert, in dem diese Handelspolitik stattfindet. Deswegen ist kaum damit zu rechnen, dass der Versuch mit dieser Politik weiterzumachen tatsächlich klappt, ganz im Gegenteil. Sie können in Demokratien auf Dauer nicht das Gegenteil tun von dem, was die Menschen wollen. Mit der Ablehnung solcher Abkommen wie TTIP oder CETA, mit der Ablehnung immer weiterer Marktöffnungen gewinnt man heute Wahlen, nicht mit der Propagierung von immer noch mehr Globalisierung, selbst im Lande des Exportweltmeisters. Aber da dauert es etwas länger.
Wir müssen unsere Exportrekorde nicht erhöhen, sondern runterfahren, Arbeitsplätze durch mehr regionale Wirtschaftsstrukturen schaffen – und das heißt auch, wir müssen auch einige Märkte wieder regionalisieren, Globalisierung zurückfahren, Marktöffnungen zurücknehmen statt immer mehr Existenzen plattzumachen. Weltmärkte für Smartphones machen Sinn, Weltmärkte für Milch sind Schwachsinn. Wir brauchen eine aktive Politik gegen Oligopole, zuviel Konzentration muss wieder zurückgedrängt werden. Im letzten Jahrhundert haben die USA dafür auch nicht davor zurückgeschreckt, eine ganze Reihe Konzerne mit zuviel Marktmacht einfach zu zerschlagen. Auch das gehört zu einer zukunftsfähigen Politik.