Postionspapier der AG Klima
Zehn Kernforderungen für den Klimagipfel ´97 in Kyoto
Der weltweite Verbrauch von Kohle, Öl und Gas wird ohne ein deutliches Umsteuern im Energie- und Verkehrsbereich weiter zunehmen. Damit werden die Emissionen des wichtigsten Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) bis zum Jahre 2010 um 50 Prozent ansteigen. Außerdem tragen die Landwirtschaft und die Rodung der Wälder zu steigenden Emissionen von CO2 sowie anderer Treibhausgase, zum Beispiel Methan und Distickstoffoxid, bei. Die Folgen sind weiter steigende Temperaturen und langfristig wahrscheinlich ein deutlicher Anstieg des Meeresspiegels – mit unabsehbaren Auswirkungen auf die Ökosysteme, die menschliche Gesundheit, die Wirtschaft und die Nahrungsmittelproduktion.
Das Forum Umwelt & Entwicklung deutscher Nichtregierungsorganisationen setzt sich deshalb für einen umfassenden Klimaschutz ein, der alle Treibhausgase einbezieht. Wir ziehen als Konsequenz aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen der UN-Klimatologen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) folgende Forderung: Die Industrieländer müssen ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent verringern.
Dessen ungeachtet haben es die Industriestaaten fünf Jahre nach Rio versäumt, die Grundlagen für eine wirkungsvolle internationale Klimapolitik zu schaffen. Obwohl schon auf dem Berliner Klimagipfel 95 ein Vorschlag der Allianz Kleiner Inselstaaten (AOSIS) für ein Protokoll zur Reduktion der Treibhausgasemissionen vorlag, wurde eine Einigung über völkerrechtlich verbindliche Reduktionsverpflichtungen auf die 3. Klimavertragsstaatenkonferenz, die im Dezember 1997 im japanischen Kyoto stattfinden wird, verschoben. Unsere Kernforderungen für Kyoto lauten:
- In Kyoto muß ein völkerrechtlich bindendes Protokoll zur Klimarahmenkonvention verabschiedet werden, das konkrete Reduzierungspflichten für alle nicht im Montrealer Protokoll geregelten (ozonschädlichen) Treibhausgase vorsieht. Wir unterstützen dabei die Forderung der Allianz Kleiner Inselstaaten (AOSIS), die vorsieht, daß die Industrieländer ihren CO2-Ausstoß bis zum Jahre 2005 im Vergleich zu 1990 um mindestens 20 Prozent reduzieren.
- Ein erster Schritt in die richtige Richtung für die völkerrechtliche Vereinbarung eines Treibhausgasprotokolls in Kyoto ist die vorliegende Verhandlungsposition der Europäischen Union (EU), daß die Industrieländer einzeln oder gemeinsam die Emissionen von CO2, Methan und N2O zusammen um 15 Prozent bis 2010 gegenüber 1990 reduzieren sollen. Das Protokoll sollte weiterhin folgende Elemente enthalten:
- Alle weiteren Treibhausgase sollen in das Abkommen einbezogen werden.
- Für die einzelnen Treibhausgase sollen separate Ziele festgelegt werden (z.B. minus 20 Prozent für CO2).
- Für alle Industrieländer sollten einheitliche Reduktionsziele festgelegt werden.
- Es darf keine Verrechnung der zu erbringenden Reduktionen mit sogenannten Kohlenstoffsenken (z.B. CO2-Bindung durch Aufforstungsmaßnahmen) erfolgen.
- Weitergehende nationale Reduktionsziele und -verpflichtungen, zum Beispiel Deutschlands, bleiben dadurch unberührt. Deutschland muß durch zusätzliche Maßnahmen die verbleibende Lücke zur Erreichung seines CO2-Minderungszieles von 25 Prozent bis 2005 im Vergleich zu 1990 schließen.
- Konkrete Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen und zu einer ressourcenschonenden, risikoarmen und umweltfreundlichen Energiepolitik müssen beschlossen werden:
- eine aufkommensneutrale Energiesteuer in den Industriestaaten, gegebenenfalls mit CO2-Komponente,
- integrierte Ressourcenplanung, statt neuer Kraftwerke auf Basis fossiler Brennstoffe,
- eine höhere Energieeffizienz, vor allem im Gebäudebereich, bei der Stromverwendung und bei Kraftfahrzeugen,
- die Förderung und der Ausbau erneuerbarer Energien,
- eine Umkehr in der Verkehrspolitik mit den obersten Zielen der Verkehrsvermeidung und des Ausbaus öffentlicher Verkehrsmittel,
- eine nachhaltige und umweltverträgliche Landwirtschaft sowie der Erhalt und die ökologische Bewirtschaftung der Wälder.
- Wir sind deshalb der Auffassung, daß in einem Klimaprotokoll über Reduktionsziele hinaus neben empfehlenden auch verbindliche Politiken und Maßnahmen festgelegt werden sollen, die zumindest in den Industrieländern umgesetzt werden müssen. Dies gilt z.B. für die Einführung einer Flugtreibstoffbesteuerung auf internationaler Ebene und die Schaffung einer internationalen Solarenergieagentur.
- Wir fordern den Ausstieg aus der unbeherrschbaren Atomenergie. Die Atomwirtschaft behindert die für den Klimaschutz notwendigen klaren Entscheidungen für die weltweite ökologische Energiewende. Die Verfrachtung (Proliferation) von nuklearen Brenn- und Abfallstoffen in zusätzliche Länder stellt eine ökologische und sicherheitspolitische Gefahr dar.
- Klimaschutz muß vor der eigenen Haustür der Nationalstaaten beginnen. Dabei müssen die Industrieländer den ersten Schritt tun. Die Einführung von Joint Implementation lehnen wir deswegen ab, bevor eine Entscheidung über verbindliche Treibhausgas-Reduktionsverpflichtungen für die Industriestaaten gefallen ist und diese nachweislich mit der Umsetzung begonnen haben. Vor der Einführung von Joint Implementation müssen die Ergebnisse der Pilotphase für Activities Implemented Jointly abgewartet werden. Schon heute ist klar, daß forstliche und nukleare Joint Implementation Projekte keinen sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz darstellen.
- Die Einführung eines Systems handelbarer Emissionsrechte (z.B. Lizenzen, Zertifikate, Kredite) stellt ein interessantes Instrument zur Flexibilisierung der Verpflichtungen dar. Ein solches System ist allerdings kurzfristig bis zum Klimagipfel in Kyoto nicht aushandelbar und sollte deswegen hinter den ersten Schritt der Vereinbarung völkerrechtlich verbindlicher Reduktionsverpflichtungen zurückgestellt werden.
- Umweltverträgliche lokale Technologien müssen gefördert werden. Zusätzlich muß der Transfer umweltverträglicher Technologien in die Länder der Dritten Welt nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik gewährleistet sein.
- Die Finanzmittel für den globalen Umweltschutz müssen drastisch angehoben werden. Die Mittel der Global Environmental Facility (GEF), die auch das vorläufige Finanzierungsinstrument der Klimarahmenkonvention ist, müssen deshalb aufgestockt werden. Deswegen soll auch das Aufkommen aus einer internationalen Flugtreibstoffsteuer an die GEF fließen. Innerhalb der GEF sollte vor allem das Small Grants Programme, aus dem Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen und auf lokaler Ebene gefördert werden, ausgebaut werden. Die Mittelvergabe der internationalen Entwicklungsbanken muß zukünftig an den Zielen der Klimarahmenkonvention ausgerichtet werden. Sie sollen deshalb für alle Projekte verbindliche Klimaschutzrichtlinien vorlegen.
- Die Bevölkerung muß über die drohende Klimaänderung besser informiert und an der Entwicklung und Umsetzung von Klimaschutzstrategien auf allen Ebenen beteiligt werden. Umwelt- und Entwicklungsorganisationen können diese Aufgabe zum Teil übernehmen und müssen deswegen verbesserte Informations- und Beteiligungsrechte erhalten.