Grundlegende politische Entscheidungen werden heute zunehmend auf internationaler Ebene getroffen. Das gilt besonders für die Handelspolitik. Die bedeutendste Organisation in diesem Zusammenhang ist die 1995 gegründete Welthandelsorganisation WTO. Die WTO-Mitgliedsstaaten schließen Abkommen, in denen die Regeln für den internationalen Handel festgelegt werden. Für die Mitgliedsländer der Europäischen Union gibt es dabei eine Besonderheit. Sie werden bei Verhandlungen im Rahmen
der WTO-Abkommen ausschließlich von dem für Handel zuständigen EU-Kommissar vertreten, der dafür ein Mandat vom Europäischen Rat, also von den nationalen Regierungen, erhält. Weder das Europaparlament noch die nationalen Parlamente sind in die Gestaltung der Handelspolitik einbezogen und daher nicht in der Lage, eine effektive Kontrolle auszuüben. Auch VertreterInnen der Zivilgesellschaft finden oft keine Adressaten für ihre Forderungen.
In der Debatte über die europäische Handelspolitik werden fehlende Transparenz, schlechter Informationsfluss, die mangelhafte Beteiligung demokratisch gewählter Abgeordneter und die zu geringe Einbindung der Zivilgesellschaft nicht bestritten. Das Gefühl der Ohnmacht ist vor diesem Hintergrund nachvollziehbar. Wenn schon die gewählten Abgeordneten nicht über ausreichende Handlungsmacht verfügen, um globale Handelspolitik zu steuern, wer ist dann verantwortlich für die Gestaltung der Globalisierung? Und welche Rolle haben die gewählten VertreterInnen im Deutschen Bundestag?
Diese letzte Frage zu beantworten, ist das Ziel des vorliegenden Papiers. Es untersucht die Defizite in der parlamentarischen Kontrolle, die mangelnde Transparenz der Handelspolitik der Europäischen Union sowie Gestaltungsmöglichkeiten des Bundestages. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Parlamentspraxis gelegt. Mit diesem Papier wollen die Herausgeber die Demokratie-Defizite der Handelspolitik verdeutlichen, eine öffentliche Debatte anregen und Handlungsoptionen aufzeigen. Den Kern der Studie stellen fünf Gespräche mit Abgeordneten aus drei der im 15. Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen dar, die ausgewiesene ExpertInnen ihrer jeweiligen Fraktion in den Themen Welthandel und Globalisierung sind und teilweise die Entwicklung seit über einem Jahrzehnt begleiten.
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