Nichtregierungsorganisationen sagen Veranstaltungen zum Welternährungsgipfel Anfang November ab
Vier Wochen vor dem Welternährungsgipfel hat die italienische Regierung noch nicht die notwendige Vereinbarung mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) über die Durchführung des Gipfels abgeschlossen, an dem über einhundert Staatschefs teilnehmen sollten. Da die FAO somit auch den Nichtregierungsorganisationen die in Aussicht gestellten Finanzmittel nicht zusagen kann, haben die Nichtregierungsorganisationen ihre seit einem Jahr vorbereiteten Veranstaltungen zum Welternährungsgipfel abgesagt, wollen jedoch ihren seit vielen Jahren etablierten Dialog mit der FAO fortsetzen. FAO-Generaldirektor Jacques Diouf eruiert derzeit die Möglichkeiten, den Gipfel zu verschieben.
Bereits Anfang August hatte der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi die Vereinten Nationen in beispielloser Weise brüskiert: Aus Furcht vor Krawallen wie in Genua hatte er angekündigt, dass der Gipfel nicht, wie geplant, in Rom stattfinden soll. Lieber wäre ihm ein afrikanisches Land, in das die überwiegend europäischen Globalisierungsgegner, die er zum Welternährungsgipfel befürchtete, nicht ohne weiteres einreisen können. Gastgeberländer von UN-Organisationen haben kein Recht dazu; Berlusconi rechnete mit politischer Rücksichtnahme seitens der FAO. Selbst die chinesische Regierung hatte 1995 den Vereinten Nationen den Weltfrauengipfel in Beijing ausgerichtet und tausenden Organisationen der Zivilgesellschaft die Einreise gestattet. Erst im Nachhinein realisierte die italienische Regierung die finanziellen Konsequenzen ihrer Vorgabe. Sie muss die Mehrkosten zahlen, wenn der Gipfel nicht am Sitz der FAO stattfindet. Diese Erkenntnis umzusetzen, brauchte weitere zwei Monate. Erst Anfang Oktober hatte die italienische Regierung der FAO eine Alternative zu Rom, nämlich das soeben eingeweihte Messegelände von Rimini angeboten. FAO, Regierungsdelegationen und Zivilgesellschaft müssen unter enormem Zeitdruck die Vorbereitungen zum Gipfel abschließen. Zudem haben sich zwischenzeitlich neue Themen eröffnet, die noch zu unklar sind, als dass substanzielle Entscheidungen getroffen werden könnten: Die drohende Vergeltung für die Terroranschläge in den USA lösen noch nicht absehbare Flüchtlingsprobleme und Ernährungsengpässe in Afghanistan und Pakistan aus. Erhöht werden die Entwicklungshilfebudgets der großen Geber deswegen wohl kaum, sondern wohl eher die Rüstungsausgaben. Mit den ursprünglich erwarteten Staatschefs kann nun nicht mehr gerechnet werden.
Der FAO-Rat billigte die Verlegung nach Rimini; Diouf ließ jedoch gestern verlauten, dass Berlusconi einer Gipfelrückverlegung nach Rom zustimmen würde und die FAO die Auswirkungen der Terroranschläge prüfen würde. Eine zeitliche Verlegung ist damit in der Diskussion.
Von der bei Globalisierungsgegnern unbeliebten WTO unterscheidet sich die FAO als UN-Organisation schon durch ihr von einer breiten Öffentlichkeit akzeptiertes Ziel der Hungerbekämpfung, während die WTO die umstrittene Handelsliberalisierung auch im Agrarbereich vorantreibt und sich damit den Vorwurf eingehandelt hat, die Armut zu verschärfen. Die FAO wird von 185 Mitgliedsstaaten regiert, nicht etwa von einer starrköpfigen Bürokratie, der mit Machtworten beizukommen ist, wie Berlusconi und auch ein Großteil der italienischen Presse glauben lassen. Die Regierung Berlusconi ist als Gastgeberin internationaler Konferenzen offensichtlich ungeeignet. Die FAO wäre am besten beraten, alle wichtigen Konferenzen solange in Genf abzuhalten, wie dieser Herr in Rom das Zepter führt.