Rund 1000 TeilnehmerInnen verhandelten auf der UN-Working Group der Indigenous Peoples (WGIP) vom 26. bis 30. Juli 1999 in Genf die Beziehungen der Indigenen Völker zu ihrem Land. Der ad-hoc Arbeitskreis Tourismus vom Forum für Umwelt und Entwicklung nahm das 17. Treffen der WGIP als Anlaß für einen Aufruf zum Dialog über gemeinsame Prioritäten für globale Tourismusrichtlinien. Im Rahmen der Konvention zur biologischen Vielfalt sollen auf der 5. Vertragsstaatenkonferenz im Mai 2000 in Nairobi die Globalen Richtlinen zu Tourismus und Biodiversität ausgehandelt werden. Zur Stärkung der NGO-Position suchen deutsche Umwelt- und Entwicklungsorganisationen den Austausch mit indigenen Gemeinschaften und Süd-NGOs.
Ein entsprechender Aufruf zur Erarbeitung internationaler (freiwilliger) Richtlinien für Tourismus und Biodiversität erging von der Kommission für Nachhaltige Entwicklung (CSD) auf ihrer 7. Konferenz im April diesen Jahres in New York (E/CN.17/1999/L.6). Die auf der letzten Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention 1998 in Bratislava eingereichte Initiative der deutschen Bundesregierung (Konzept zum Nachhaltigem Tourismus und Etablierung einer Arbeitsgruppe) wurde damals von Süd-VertreterInnen abgelehnt. Zusammen mit Nord-NGOs beanstandeten sie die nicht realisierte Beteiligung bei der Ausarbeitung des Papiers und die fehlenden Partizipationsklauseln bei der Umsetzung der Inhalte. Der diesjährige CSD-Aufruf ordnet die Tourismus-Diskussion auf der politischen Rangskala wieder weiter oben ein und die NGO-VertreterInnen haben jetzt erneut die Chance, ihre Positionen einzubringen.
Indigene Gemeinschaften: Gegner oder Befürworter des Tourismus?
Die diesjährige Debatte auf der WGIP über die indigenen Landrechte, über Zugang und Kontrolle zu den natürlichen Ressourcen innerhalb der indigenen Territorien und weiteren, mit Landnutzung in Verbindung stehenden Aspekten [1] war gerade auch mit Blick auf die wünschenswerte, aktive Partizipation der lokalen Gemeinschaften an Tourismusentscheidungen von Bedeutung. “Nur wir selbst können darüber entscheiden, ob sich ein wie immer gearteter Tourismus innerhalb unserer Territorien mit den traditionellen Wirtschafts- und Landnutzungsformen in angemessener Weise vereinbaren läßt. Deshalb kann es einen nachhaltigen Tourismus überhaupt nur geben, wenn wir an der Planung grundlegend mitwirken und unsere Gemeinschaft selbst die Entscheidungen trifft,” sagt John Ole Karia, Direktor des Afrikanischen Koordinationskommitees der Indigenen Völker. Wenn nachhaltiger Tourismus meint, daß die Rechte der Indigenen nicht unterlaufen werden, daß der touristische Sektor ein Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung einer Region sein kann und Tourismus mit dem Recht auf Selbstbestimmung und Selbstverwaltung zu vereinbaren ist, dann müsse der Kern der Planung bei den lokalen Gemeinschaften liegen, dann könne nur auf ihre Entscheidungen aufbauend ein Plan für nachhaltigen Tourismus auf nationaler Ebene erstellt werden. “Schließlich läßt sich nur auf diesem Wege verhindern, daß die indigenen Wirtschaftsweisen vom Tourismus unterlaufen werden”.
Die Positionen des Arbeitskreises
Traditionelle nachhaltige Nutzungsformen sollen unangetastet bleiben, Tourismuskonzepte gleichzeitig die Erhaltung der biologischen Vielfalt durch die indigene Bevölkerung fördern und Tourismusprojekte auf Entscheidungen der Dorfgemeinschaft basieren. Diese und andere Verhandlungspunkte sind in einem 18 Punkte Papier vom ad-hoc Arbeitskreis Tourismus während der WGIP in Genf an VertreterInnen der indigenen Gemeinschaften herangetragen worden mit der Bitte, gemeinsam in einem Dialog eine Prioritätenliste für die Verhandlungen auf der CBD zu erarbeiten. Auch müssten die Indigenen bei der Ausarbeitung der Richtlinien zum Tourismus auf der 5. Vertragsstaatenkonferenz (COP5) an den Verhandlungen angemessen beteiligt und ihre Rechte integriert werden. Während die technischen, naturwissenschaftlichen und ökologischen Aspekte der Beziehung zwischen Tourismus und Biodiversität in einem Papier des wissenschaftlichen Beirats der Konvention (SBSTTA) recht umfassend enthalten sind, fehlen die sozialen und kulturellen Dimensionen sowohl in dem deutschen Vorschlag zur Erarbeitung globaler Richtlinien (UNEP/CBD/COP/4/21) als auch in dem SBSTTA Papier (UNEP/CBD/SBSTTA/4/11) weitgehend. Somit legte der Arbeitskreis auf kulturelle und soziale Aspekte und auf die internationale Umwelt- und Entwicklungspolitik einen Schwerpunkt [2].
Tourismus im Kontext von Biodiversität und indigenen Gemeinschaften
Den indigenen Völkern wird mit Art. 8(j) der Konvention über Biodiversität (CBD) in Bezug auf den in situ Schutz der Biologischen Vielfalt – also der Erhaltung in den natürlichen Lebensräumen – eine besondere Bedeutung zugestanden. In Anlehnung an Art. 8(j) können die Positionen der Indigenen durch entsprechende Querverweise auf bereits bestehende Rechtsgrundlagen (Menschenrechte) gegenüber einer touristischen Inwertsetzung der Natur und der Kultur – wesentlich verbessert werden. Eine Verknüpfung mit bestehenden Abkommen, so mit dem von der Internationalen Arbeitsorganisation 1989 verabschiedeten Konvention über das Recht der Indigenen Völker (ILO Nr. 169, seit 1991 in Kraft), könnte die Reche lokaler Gemeinschaften gegenüber touristischen Entwicklung wesentlich stärken. Laut Art. 8(j) der CBD sind Innovationen und Methoden indigener und lokaler Bevölkerungsgruppen als integraler Bestandteil ihrer Kultur zu respektieren, die besondere Beziehung der indigenen Gemeinschaften zu ihrem Land und ihr Beitrag zum Erhalt und zur behutsamen Nutzung aller Tiere, Pflanzen und Lebensräume ist von den Vertragsstaaten der CBD anzuerkennen.
Eine touristische Entwicklung oder Neuerschließung von indigenen Territorien für einen (Öko-)tourismus, der seine Berechtigung einzig aus der Notwendigkeit der Finanzierung des Naturschutzes beziehen will, wird dann nicht mehr entgegen der Landrechte der indigenen Bevölkerung oder unter Ausschluß der traditionellen Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen durchgesetzt werden können, ohne die Konvention zu verletzen. Die Prioritätenliste und die Informationen des Arbeitskreises Tourismus wurden während der Konferenz in Genf interessiert von den Teilnehmern aufgenommen. Dabei stellte sich u.a. heraus, daß insbesondere die Bereitstellung und angemessene Kommunikation einer vollständigen und kritischen Information über Tourismus und Tourismuspolitik als grundlegende Voraussetzung für eine Beteiligung der indigenen Gemeinschaften größte Schwachstellen aufweist. Die VertreterInnen der Indigenen bekräftigen die Notwendigkeit, einen gemeinsamen Dialog und Austausch untereinander zu initiieren, um dann die Richtlinien auf der 5. COP der CBD in Nairobi unter aktiver Partizipation der indigenen Gemeinschaften auszuarbeiten. Dabei können sich die indigenen VertreterInnen auf eine entsprechende Aufforderung von Seiten der letzten COP in Bratislava berufen(UNEP/CBD/COP/4/Inf.21). Für viele TeilnehmerInnen war das Thema brennend aufgrund der aktuellen touristischen Situation in ihrer Heimat, über den CSD-Beschluß und die Aufforderung zur Erarbeitung internationaler Richtlinien für Tourismus und Biodiversität waren jedoch viele bislang nicht informiert.
Workshop über Biodiversität und geistige Eigentumsrechte
Äußerst hilfreich für eine weitere Sensibilisierung für das Thema war ein von der International Support Group for Sustainable Tourism (ISGST) zusammen mit dem Indigenous Peoples’ Biodiversity Network initiierter Workshop über Biodiversität und intellektuelle Eigentumsrechte (IPR) im Rahmen der WGIP-Konferenz. Damit griffen die Workshop Veranstalter einen wesentlichen Standpunkt des Call for Dialogue des Arbeitskreises vom Forum U&E auf. Unter der Rubrik der ökonomischen Aspekte wird vor dem illegalen Mißbrauch der geistigen Eigentumsrechte und der illegalen Entwendung von genetischem Material gewarnt und die CBD aufgefordert, entsprechnde Gegenmaßnahmen zu initiieren.
Alejandro Argumedo vom Indigenous Peoples’ Biodiversity Network betonte, daß die Vielfalt der bereits existierenden Papiere und Beschlüsse die Situation für die indigenen Gemeinschaften bisher nicht verbessert hat. Alle möglichen Organisation und Gremien würden derzeit selbst Richtlinien für Indigene Gemeinschaften erstellen, wohl wissend, das sich damit ein effektiveres Fundraising verbindet. Dem Wettbewerb um die besseren Guidelines steht die Frage entgegen, wie effektiv diese Richtlinien auf der lokalen Ebene umgesetzt werden. Die Teilnehmer berichteten von zahlreichen Fällen der Vertreibung oder Verletzung ihrer Rechte in touristisch erschlossenen Regionen und Nationalparks. Alison Johnston, Direktorin der Kanadischen NGO, stellte eine erste Version eines Konzeptes zur Diskussion, welches die aktive Partizipation und volle Konsultation der indigenen Gemeinschaften unter Berücksichtigung ihrer Strukturen und Bedürfnisse und der kulturellen Formen der Kommunikation und Aushandlung von Positionen berücksichtigt. Eine Aufstellung von Prinzipien für das Aushandeln von Abkommen (principles for treaty making) soll die Position der Indigenen grundlegend stärken und unterbinden, daß Verträge ohne ihre Beteiligung von Staat zu Staat oder von Regierung zu Regierung getroffen werden.
Diese Prinzipien enthalten umfassende Konsultationen und partnerschafliche Verhandlungen, PIC (prior informed consent) sowie die technische und finanzielle Unterstützung beim Aufbau von Organisations- und Netzwerkentwicklung. In Vorbereitung auf die 5. COP der CBD werden die Kanadier zusammen mit dem Indigenous Peoples’ Biodiversity Network einen Vorbereitungs-Worshop in Nairobi halten. Daoud Tari Abkula, der Vertreter der Borana aus Kenia und Vorsitzender der “Ostafrikanischen Freunde der Pastoralsiten” (FONI) betone die Notwendigkeit, mit allen indigenen Gruppen ein gemeinsames Forum und Netzwerk aufzubauen, um einerseits vollständig informiert zu werden und andererseits entsprechend gestärkt ohne konträre Positionen in der COP auftreten zu können.
Mit einem Follow-up über den Workshop zu “Tourismus und Menschenrechte”, der letztes Jahr auf der WGIP vom Arbeitskreis für Tourismus und Entwicklung (AKTE) aus Basel organisiert worden war, und einem Info-Paket zu tourismusrelevanten Themen und Beschlüssen bekamen viele TeilnehmerInnen fundierte Informationen in die Hand. Aufgrund einer Vielzahl intensiver Gespräche während vier Konferenztage gehen die MitarbeiterInnen des ad-hoc Arbeitskreises davon aus, über ein deutliches Sensibilisieren hinaus einen hinreichend breiten Interessentenkreis für den weiteren Austausch von Standpunkten erreicht zu haben.
An der WGIP haben als VertreterInnen des ad-hoc Arbeitskreises teilgenommen:
Martina Backes
FernWeh – iz3w im informationszentrum dritte welt
Mechthild Maurer
ECPAT-Kampagne – Deutsche Arbeitsgemeinschaft gegen sexuelle und kommerzielle Ausbeutung von Kindern
Michael Meyer
Ökologischer Tourismus in Europa (Ö.T.E.) e.V.
Christine Plüss
Akte – Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung Schweiz