Um den globalen Temperaturanstieg zu begrenzen, ist es notwendig, über 80% der bekannten Reserven fossiler Brennstoffe im Boden zu lassen.1 Trotzdem investieren Unternehmen weiterhin massiv in die Ausbeutung fossiler Brennstoffe: Allein im Öl- und Gassektor liegen 83% der von den größten Ölunternehmen geplanten Investitionen außerhalb dessen, was mit einem 1,6°C Szenario vereinbar wäre.2 Das Pariser Klimaabkommen erfordert daher, dass Regierungen den Abbau und das Verbrennen fossiler Brennstoffe deutlich einschränken. Das hat notwendigerweise eine Entwertung von Investitionen und anderer Vermögenswerte von Unternehmen und Investoren zur Folge. Doch die fossile Energiewirtschaft hat eine Geheimwaffe, Steuerzahler*innen für ihre klimaschädlichen Fehlinvestitionen aufkommen zu lassen: Den Energiecharta-Vertrag.
Im Herbst 2019 kündigte der finnisch- deutsche Energiekonzern Uniper an, die Niederlande auf Schadensersatz zu verklagen, sollte die Regierung das geplante Gesetz zum Ausstieg aus der Kohlekraftverstromung bis 2030 beschließen. Uniper hatte 2016 ein Kohlekraftwerk im Rotterdamer Hafengebiet Maasvlakte gebaut. Auch der deutsche Energieriese RWE fordert eine Entschädigung für die mögliche Schließung zweier Kohlekraftwerke in den Niederlanden.3 Am 10. Dezember 2019 wurde das Gesetz vom niederländischen Senat verabschiedet.4 Es bleibt abzuwarten, ob Uniper seine Drohung wahrmacht. Ähnliches spielt sich derzeit in Schweden ab: Im November 2019 kündigte die australische Firma Aura Energy an, den schwedischen Staat zu verklagen, weil dieser den Uranabbau aufgrund von ökologischen und gesundheitlichen Erwägungen im Jahr 2018 verboten hatte.
Hintergrund
Das Regelwerk der Energiecharta entstand zum Ende des Kalten Krieges. Westeuropäische Staaten wollten ihre Energieversorgung diversifizieren, um unabhängiger vom ölreichen Nahen Osten zu werden. Währenddessen wurden die Öl- und Gasindustrien in den ehemaligen sowjetischen Republiken privatisiert.6 So boten sich nach Auflösung der UdSSR für Investoren westlich und östlich des einstigen Eisernen Vorhangs „beispiellose Möglichkeiten“, die dortigen Industrien aufzukaufen.7 Um diese Investitionen zu schützen, wurde 1991 in Den Haag die Energiecharta als Kooperationsvorhaben unterzeichnet. Sieben Jahre später trat der Energiecharta-Vertrag (Energy Charter Treaty, ECT) in Kraft.
Heute zählt der ECT mehr als fünfzig Vertragsparteien. Darunter befinden sich die EU und ihre Mitgliedsstaaten sowie viele Staaten im Nahen Osten und in Zentralasien bis nach Japan und Australien.8 Über die Aufnahme weiterer Staaten in den Vertragsverbund wird kontinuierlich verhandelt. Der ECT reguliert den Handel, Transit und die Investi tionen im Energiesektor. Zentrale Bestand teile sind dabei die Prinzipien der so genannten Nicht- Diskriminierung sowohl gegenüber Investoren als auch gegenüber den gehandelten Waren, in diesem Fall Energierohstoffe, Energieprodukte und Energietechnologien. Das heißt: Ausländische Investoren müssen mit nationalen Investoren gleichgestellt werden; es gilt das in der Welthandelsorganisation (World Trade Organisation, WTO) festgehaltene Meistbegünstigungsprinzip. Doch mit seinen Investitionsschutz-Bestimmungen geht der ECT über die WTO-Regelungen hinaus.
Für weitere Informationen :
Download des ECT-Papiers