Erstmals seit 1982 widmet die Weltbank ihren Weltentwicklungsbericht (WEB) der Landwirtschaft und betitelt ihn viel sagend ‚Agriculture for Development’. Sie stellt damit die zentrale Rolle der Landwirtschaft für Entwicklung und Armutsbekämpfung heraus. Ein starkes Plädoyer, das eigentlich zu begrüßen ist. Denn immer noch leben rund 2,5 der insgesamt 5,5 Milliarden EinwohnerInnen der Entwicklungsländer von der Landwirtschaft. Drei Viertel aller absolut Armen und fast 80 Prozent der zurzeit 854 Mio. Hungernden leben auf dem Land. Allerdings besteht große Sorge der Zivilgesellschaft aus dem Süden, dass die Ausrichtung und Art der Hilfe nicht zu einer Stärkung der ländlichen Gemeinschaften führt. Sie steht im Widerspruch zu den Ansätzen der großen Mehrheit der ländlichen Bevölkerung.
Der WEB greift in seiner Bestandsaufnahme auf eine verkürzte Fassung der Theorie der Welt-Systeme zurück. Er identifiziert drei ‚ländliche Welten’ und unterscheidet agrarisch geprägte Volkswirtschaften, Transformationsländer und verstädterte Länder. Diese Reduktion ist geprägt von einer rein wirtschaftlichen Analyse und lässt andere entscheidende Variablen wie naturräumliche Gegebenheiten, soziale und kulturelle Aspekte außen vor – für ein 500-Seiten Werk sehr mager. Die Landwirtschaft sollte im Sinne der hungernden Menschen verbessert werden. Der WEB hingegen zieht diesen Schluss nicht. Seine Politikempfehlungen laufen weiter Gefahr, vorhandene ländliche Disparitäten zu verstärken, anstatt ihnen entgegenzuwirken. Wirtschaftliche Entwicklung durch Kommerzialisierung und Exportorientierung steht im Mittelpunkt des WEB. Die Stärkung der Binnenmärkte wird zwar ebenfalls empfohlen, die notwendigen agrarpolitischen Schlüsse aber kaum gezogen. Zur Ertragssteigerung und zum Umweltschutz werden vornehmlich technische Lösungen empfohlen. Alle Empfehlungen laufen auf die Ankurbelung von wirtschaftlichem Wachstum über den internationalen Markt hinaus; eine zielgruppengenaue Strategie der Armutsbekämpfung fehlt.
Auch werden machtpolitische Fragen im WEB völlig ausgeblendet. Die vorgeschlagenen Konsensmodelle sind in der Realität kaum umzusetzen und haben sich auch auf internationaler Ebene nicht etabliert. Wie Fortschritte auf dieser Ebene unterstützt werden können wird nicht gesagt – hier schweigt der WEB sich aus. Und dort, wo der WEB Kapazitäten für die ländlichen Gemeinschaften stärken will, bezieht er sich einseitig auf Vertrags-, oder Preisverhandlungen mit Konzernen.
Gänzlich ausgespart wird im WEB die Rolle der Weltbank selber. Die eigene Verantwortung bisheriger Kreditvergabepolitik und Konditionalität der Weltbank für Umweltzerstörung und die Verletzung sozialer Menschenrechte auf dem Lande, wird auf den über 500 Seiten des Berichts nicht erwähnt. Ganz im Gegenteil, es wird eine insgesamt positive Bilanz suggeriert: Es wird befürchtet, dass eine Umsetzung der WEBEmpfehlungen zur Landwirtschaft die Armut nicht reduzieren, sondern vielerorts verschärfen wird, insbesondere unter KleinbäuerInnen und LandarbeiterInnen. Diesen Menschen weist der WEB keine überzeugenden Wege aus der Armut. Diese Publikation analysiert und bewertet einige vom WEB aufgegriffenen Themen tiefgehend.
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