Ursprünglich wollten wir in diesem Heft die Initiative zum Ausbau Erneuerbarer Energien, die die EU beim Johannesburger Gipfel gestartet hat, breit vorstellen. Die von Bundeskanzler Schröder in Johannesburg verkündete Einladung zu einer grossen internationalen Konferenz über erneuerbare Energien Ende 2003/Anfang 2004 ist auch für die deutschen NRO eine wichtige Gelegenheit, das Thema Erneuerbare Energien nicht nur aus der deutschen Binnenperspektive anzugehen, sondern im Nord-Süd-Kontext einen wesentlich prominenteren Stellenwert einzuräumen. Schliesslich sind die weitaus meisten der Entwicklungsländer Ölimporteure und leiden enorm unter dem ständigen Devisenabfluss an die OPEC. Erneuerbare Energien sind eine Schlüsselfrage dafür, ob Entwicklungsländer den Pfad einer nachhaltigen oder einer konventionellen, laut Agenda 21 nicht zukunftsfähigen Entwicklung einschlagen. Auch wenn das Know-how der erneuerbaren Energien zunächst weitgehend aus den Industrieländern kommt, können doch die Produktionsstätten meist (im Gegensatz zu fossilen oder gar atomaren Energietechnologien) ohne gigantischen Kapitalaufwand und mit relativ überschaubarem Technologietransfer in Entwicklungsländern errichtet und dezentral betrieben werden. Sind die Anlagen einmal aufgebaut, sind erneuerbare Energien grundsätzlich heimische Enerqiequellen. Dezentraler Betrieb heisst auch: Im Gegensatz zu bereits einem einzigen grösseren Ölfeld ist es kaum vorstellbar, dass Kriege und Bürgerkriege über die Kontrolle von 1000 Windrädern oder Biogasanlagen ausbrechen. Aber so ganz wollte es nicht gelingen, die EU-Initiative seitenweise zu präsentieren. Sie ist einfach noch zu unkonkret. Auch ein Vierteljahr nach Johannesburg gibt es ausser dem dort vorgestellten Text praktisch nichts. Die noch in Johannesburg angekündigten 80 Unterstützerländer entpuppen sich mittlerweile auch als eine deutlich bescheidenere Ländergruppierung: Außer den 15 EU-Ländern und 12 Beitrittskandidaten sind es bisher offenbar nur Norwegen, Island, die Schweiz, Neuseeland, Brasilien, Chile, Jugoslawien, Israel, Mexico, Singapur und Uganda, die nur mit dem en-bloc-Beitritt der Allianz der kleinen Inselstaaten AOSIS (43 Mitglieder, inklusive der bereits aufgeführten Singapur und Malta) auf eine Zahl von etwa 80 kommen. Versuche, aus der Bundesregierung oder der dä- nischen EU-Präsidentschaft irgendetwas herauszubekommen, was denn eigentlich konkret geplant wird, verliefen im Sande. Dänische NRO, die sich bei ihrer derzeit die EU präsidierenden Regierung nach dem Stand der EU-Initiative erkundigen, werden an die deutsche Regierung verwiesen. Diese wiederum geht ebenfalls auf Tauchstation und lässt – im Falle des federführenden Umweltministeriums – angebotene Gelegenheiten zur Selbstdarstellung mit der Johannesburger Initiative in diesem Rundbrief ungenutzt. Briefe und e-mails mit Interessensbekundungen von NRO, sich an der Initiative zu beteiligen oder sie zu unterstützen, wurden meist nicht einmal beantwortet. Ich möchte es Ihnen überlassen, daraus Schlüsse zu ziehen. Für mich ist jedenfalls klar, dass EU und Bundesregierung langsam anfangen müssen, ihre Hausaufgaben zu machen, wenn die Initiative ”The way forward on renewable energy” nicht zu einer PR-Luftnummer werden soll. Es wäre nicht das erste Mal, dass die EU sich angesichts schwieriger globaler Ausgangsbedingungen als Papiertiger entpuppen würde. Gefragt ist aber eine EU und eine Gruppierung gleichgesinnter Staaten, die den Ausbau erneuerbarer Energien und die damit verbundene Zurückdrängung der fossilen Lobby mit ähnlicher Energie konsequent vorantreibt, mit der sie früher einmal die Atomenergie vorantrieb und mit der heute noch die Bush-Administration die Interessen der Ölindustrie vertritt. Es geht hier um Aussenpolitik und Wirtschaftspolitik genauso wie um Entwicklungs- oder Umweltpolitik. Fragt sich nur, ob man in den europäischen Hauptstädten die Dimension der Johannesburger Initiative überhaupt selbst begriffen hat. Mit Halbheiten kommen wir bei der Jahrhundertaufgabe, ein global zukunftsfähiges Energiesystem noch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts zu installieren, jedenfalls nicht vorwärts.
Jürgen Maier
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