Es passiert mittlerweile eher selten, dass internationale Konferenzen zu Umwelt & Entwicklung sowohl von NGOs als auch Veranstaltern als auch der Presse als erfolgreich eingeschätzt werden. Bei der Bonner »Renewables 2004« war dies der Fall. Mag es an dem boomenden Wirtschaftssektor Erneuerbare Energien gelegen haben, oder an den Ölpreisen, oder an der völligen Marginalisierung der üblichen Nervensägen aus der Bush-Regierung und Saudi-Arabien, oder auch an der Tatsache, dass es keine den lähmenden Regularien der Vereinten Nationen unterworfene Konferenz war – selbst so etwas wie Aufbruchstimmung kam streckenweise bei dem viertägigen Treffen auf. Für das Forum Umwelt & Entwicklung war die Renewables fraglos eine Herausforderung. Zunächst einmal ist Energiepolitik, um das Umweltbundesamt zu zitieren, nicht nur in Deutschland ein Flaschenhals für Nachhaltige Entwicklung. Fast überall ist Energiepolitik eins der zentralen politischen Konfliktfelder, auf dem entschieden wird, ob sich die Beharrungskräfte der traditionellen, fossilen, nicht-nachhaltigen Entwicklungsstrategien oder die innovativen Kräfte der Nachhaltigen Entwicklung durchsetzen können. Das Gastgeberland Deutschland bietet hierfür immer wieder exemplarisches Anschauungsmaterial. Gleichzeitig lassen sich bei kaum einem Thema die auch bei NGOs so oft getrennt diskutierten Fragen von Umwelt und Entwicklung zusammenführen – und gleichzeitig ist es das einzige zengtrale Politikfeld, in dem es bisher keine umfassenden internationalen Politikprozesse gibt. Daher hat das Forum mit einem umfangreichen ZweijahresProgramm diese Konferenz, ihren Vorbereitungsprozess und das Follow-up begleitet, massgeblich finanziert von der NRWStiftung Umwelt & Entwicklung. In diesem Kontext wurden ein nationales Netzwerk Erneuerbare Energien Nord-Süd und das internationale NGO-Netzwerk CURES initiiert. Im nationalen Netzwerk haben nicht nur Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, sondern auch die Branchenverbände der erneuerbaren Energien ihre Vorbereitungen für die Konferenz koordiniert, sondern auch manche gemeinsamen Anknüpfungspunkte gefunden. Entwicklungsorganisationen in Deutschland haben erneuerbare Energien in diesem Kontext wieder verstärkt aufgegriffen, auch in ihren Projekten. Die Diskussion mit den zahlreichen Gästen aus Entwicklungsländern weitete bei so manchen Aktiven aus Umwelt- und Branchenverbänden den Horizont etwas über die sehr spezielle deutsche Diskussion hinaus: weder taugt die umstandslose Übertragung deutscher Stromeinspeisegesetz-Modelle auf Länder, in denen es kaum ein Stromnetz gibt, noch gibt es viele Menschen in anderen Ländern, die die zunehmend verbissene deutsche Landschaftsschutz-Diskussion um Windkraftanlagen nachvollziehen können. Das CURES-Netzwerk, erst im vergangenen Oktober zur Vorbereitung auf die Konferenz gegründet, erwies sich in Bonn als die notwendige Klammer, die die zahlreichen NGO-Aktiven aus aller Welt für Absprachen brauchten. Vor allem aber war es für viele europäische Umweltvertreter zunächst einmal eine durchaus unerwartete Überraschung, dass Süd-Vertreter nicht nur oft zahlenmässig in der Überzahl waren, sondern ihnen auch noch mehr oder weniger deutlich vorhielten, wie wenig die europäische Diskussion auf ihre Bedürfnisse übertragbar ist. Die Verwirklichung des Rechts auf Zugang zu modernen Energiedienstleistungen im Süden und die schnellstmögliche Umstellung des Energiemixes im Norden auf Erneuerbare, beides kombiniert mit maximaler Energieeffizienz – vor dieser Herausforderung stehen die NRO in Nord und Süd. Wie eng dies zusammenhängt, zeigt die aktuelle Ölpreisdebatte: es ist vor allem die rasant steigende Ölnachfrage aus China, die den Ölpreis trotz voll aufgedrehter Pumpen in den Opec-Ländern weiter steigen lässt. Rein national geführte Benzinpreisdebatten sind vor diesem Hintergrund nur noch anachronistisch. Wenn noch nicht einmal NGOs diese Zusammenhänge unter einen Hut bringen würden, könnten wir es von der Politik wohl erst recht nicht erwarten. In Bonn wurden Leute zusammengebracht, die etwas bewegen wollen – aus den unterschiedlichsten Ländern und Zusammenhängen. Ich bin sicher, daraus entsteht noch mehr.
Jürgen Maier
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