Nach dem Ausstieg der USA aus dem internationalen Klimaschutzprozess steht der Rest der Welt nun vor der Frage, ob allen Ernstes 10 Jahre internationale Verhandlungen von einem US-Präsidenten in einem Brief an einige Senatoren für »tot« erklärt werden können, oder ob es dann eben mit einem Staat weniger weitergeht. Die ausserordentliche Klimakonferenz Ende Juli in Bonn wird diese Frage zu klären haben, die nicht nur für den Rio-Prozess, sondern für die gesamte internationale Politik von eminenter Bedeutung sein wird. Wie bei anderen Verträgen z.B. der Biodiversitätskonvention, dem Landminen-Verbotsabkommen oder dem Vertrag über die Errichtung des internationalen Strafgerichtshofes, darf es aber auch im Klimaschutz kein Veto der USA gegen den Rest der Welt geben. Der vorliegende Rundbrief hat – einmal mehr – den Schwerpunkt Klimaverhandlungen. Diesmal kommen auch ausführlich NRO-Vertreter aus anderen Industriestaaten zu Wort: nur wenn die ganze EU, Japan und Russland mitziehen, kann das KyotoProtokoll ohne die Amerikaner in Kraft treten. Der Stillstand bei den Klimaverhandlungen hatte bereits entscheidenden Anteil an der lähmenden Blockade der CSD-Energieverhandlungen im April, und er hat auch durchaus das Potential, den ganzen Vorbereitungsprozess auf die Rio+10-Konferenz im September 2002 in Johannesburg zu paralysieren. Das Ziel, das KyotoProtokoll bis Johannesburg in Kraft treten zu lassen, dürfte jedenfalls kaum noch zu schaffen sein. Die Klimaverhandlungen sind jedoch nicht die einzige Klippe, die zu umschiffen ist, um wieder neuen Schwung in die Umwelt- und Entwicklungsverhandlungen zu bringen. Im November steht die nächste WTO-Ministerkonferenz an: Nach dem Fiasko von Seattle wird man sich ins vermeintlich demonstrantenfreie Ölemirat Qatar am Persischen Golf begeben. Wie sehr sich auch dort die Fronten zwischen Nord und Süd verhärtet haben, zeigen jedoch die bereits laufenden Agrarverhandlungen sowie die sich zuspitzenden Konflikte bei den Dienstleistungs-Verhandlungen sowie den intellektuellen Eigentumsrechten (TRIPS). Auch hierzu finden Sie in diesem Heft einige Berichte über Konferenzen und Tagungen der letzten Zeit. Nicht minder brisant sind die Fragen der Entwicklungsfinanzierung. Während die Industrieländer in Rio noch mehr Entwicklungshilfeleistungen versprochen hatten, haben sie seitdem die Entwicklungshilfeausgaben auf historische Tiefststände zurückgefahren. Bei den derzeit laufenden Wiederauffüllungsverhandlungen für die Global Environment Facility (GEF), das in Rio geschaffene Finanzierungsinstrument für die Rio-Konventionen, zeigt sich Deutschland als besonderer Bremser. Auch die im Frühjahr anstehende Financing for Development-Konferenz der UN in Mexiko hat durchaus das Potential, zu einem erheblichen Sprengsatz für die Glaubwürdigkeit der Industrieländer zu werden. Siehe hierzu den Beitrag von Barbara Unmüssig in diesem Heft. Positive Impulse könnten dagegen von der im Dezember in Bonn anstehenden Internationalen Süsswasserkonferenz ausgehen, die die Bundesregierung als inhaltlichen Beitrag für Rio+10 ausrichtet. In welchem Umfang sich die deutschen und internationalen NRO daran beteiligen (können), ist noch offen. Die Gründung der AG Wasser im Forum Umwelt & Entwicklung, die sich in diesem Heft ebenfalls vorstellt, ist jedoch ein guter Ausgangspunkt dafür, diesen immer wichtiger werdenden Themenkomplex an der Schnittstelle von Umwelt und Entwicklung künftig durch die deutschen NRO besser abzudecken. Im nächsten Heft (erscheint im September) können wir über die langsam anlaufende Kampagne zum Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung (Rio+10) in Johannesburg 2002 ausführlicher berichten. NRO, die sich daran noch beteiligen wollen, können sich selbstverständlich auch schon vorher mit der Projektstelle in Verbindung setzen.
Jürgen Maier
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