Die Automobilindustrie ist wichtig für Deutschland, ökonomisch, medial und politisch. Sie dient vielen als Indikator für das Wohl und Wehe des Wirtschaftsstandorts und Lebensstandards seiner Beschäftigten. Dabei sind die Folgen der Pandemie für das Auto als Verkehrsmittel durchaus ambivalent: Während der Verkehr insgesamt zurückgegangen ist und den Lungen vieler eine willkommene Erfrischung beschert hat, haben sich die relativen Gewichte zwischen Individualverkehr auf der einen und ÖPNV auf der anderen Seite augenscheinlich zugunsten des ersteren verschoben. Davon profitieren nicht nur Fahrradläden.
Wie Sie in den Artikeln unseres Schwerpunktthemas nachlesen können, trifft die Krise die deutsche Schlüsselindustrie aber in einer entscheidenden Phase: Wird es ihr gelingen, sich an den Zeichen der Zeit zu orientieren, oder gelingt es ihren LobbyistInnen, ihre nicht nachhaltigen und damit langfristig auch ökonomisch unsinnigen Produktions- und Vermarktungsmodelle so lange zu schützen, bis sie auch die letzten Reste ihrer Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat? Dass die „deutsche“ Autoindustrie dabei in ihrer imaginierten Form schon lange nicht mehr existiert, beschreibt Jürgen Maier in seinem Einführungsartikel. Stephan Krull schreibt über die Rolle der Belegschaften und Auswege aus dem Spannungsverhältnis zwischen zukunftsfähiger Mobilität und Besitzstandswahrung. Ernst-Christoph Stolper eröffnet die Debatte um die Elektromobilität und welchen Anteil daran die Autoindustrie hierzulande haben kann. Jürgen Resch zeigt den drei deutschen Konzernen – VW, BMW und Daimler – wie der Hase läuft und erklärt, weshalb Tesla bei allen Erfolgen doch kein Heilsbringer sein wird. Tobias Austrup und Julia Poliscanova wiederum führen vor, wie sich die Industrie die eigene Zukunft von ihren LobbyistInnen verbauen lässt. Bettina Müller geht es um die große Macht der automobilen Interessen in der Handelspolitik. Dorothee Saar erkennt ähnliches in ihrer Analyse des Diesel-Skandals und Gesa Schöneberg komplettiert das Bild mit einem Blick in die Zukunft der Mobilität in urbanen Räumen. Aber keine Sorge, auch jenseits der Autoindustrie haben unsere AutorInnen wichtiges beizutragen: Wir kümmern uns um den Brexit, das Gesundheitssystem, den Handel mit Pestiziden, Saatgutrecht und unsere Wälder – und hoffen, damit für jede und jeden von Ihnen etwas Interessantes bieten zu können.
Ihnen allen wünsche ich eine kurzweilige Lektüre und wie immer in diesen Zeiten: Bleiben Sie Gesund.
Wolfgang Obenland
Inhalt
SCHWERPUNKT
Die deutsche Autoindustrie
Ein Global Player
Jürgen Maier
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Die Produktionsorte der „deutschen“ Autoindustrie
Elisabeth Platzer
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Autoindustrie – too big to fail?
Und was macht die Gewerkschaft?
Stephan Krull
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Elektromobilität – Es kommt darauf an, was man daraus macht
Klimaneutralität, 100 Prozent Erneuerbare und Elektromobilität gehören zusammen
Ernst-Christoph Stolper
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Game-Changer Tesla
Düstere Aussichten für die deutschen Autobauer
Jürgen Resch
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Ins Abseits lobbyiert
Warum sich die Autoindustrie mit ihrem Lobbyismus selbst schadet
Tobias Austrup
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Zeit für einen Antriebswechsel
Wie Hilfen für die Autoindustrie nach COVID-19 für einen Spurwechsel sorgen können
Julia Poliscanova
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Ein Abkommen für die Autoindustrie
Ãœber Gewinner und Verlierer des EU-Mercosur-Abkommens
Bettina Müller
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Eine kleine Chronologie des Diesel-Skandals
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Es kommt darauf an, wer Recht durchsetzt
Was wir beim Dieselskandal von den USA lernen können
Dorothee Saar
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Nachhaltige Mobilität in Städten
Hebel für die urbane Transformation im Globalen Süden
Gesa Schöneberg
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AKTUELLES
Der englische Patient – Keine Liebe in Zeiten der Pandemie
Gelingt ein Handelsvertrag mit der EU?
Caroline Binkowski und Jürgen Knirsch
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Nichts wird sein, wie zuvor?
Durch das Coronavirus ist einiges in Bewegung gekommen. Grundfehler unserer Wirtschaftssysteme wird es aber kaum beheben.
Nelly Grotefendt und Wolfgang Obenland
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Zu Grunde privatisiert
Das Gesundheitssystem in Deutschland vor COVID-19
Werner Rügemer
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AUS DEM FORUM
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Erneuter Angriff aufs Saatgut?
Der neue Anlauf zu einer Reform des Saatgutrechts in der Europäischen Union
Susanne Gura
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Gefährliche Pestizide von Bayer und BASF im globalen Süden
Eine neue Studie dokumentiert Auswirkungen der Doppelstandards in der Pestizidvermarktung auf Betroffene in Brasilien und Südafrika
Lena Luig
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Geld für Kohlenstoff?
Klimaschutz als neues Geschäftsmodell in der Forstwirtschaft
László Maráz
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