Rundbrief IV/2012 Mehr, Mehr, Mehr? Handelspolitik zwischen “Weiter so” und Nachhaltigkeit

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Rundbrief IV/2012 Mehr, Mehr, Mehr? Handelspolitik zwischen “Weiter so” und Nachhaltigkeit

 

Die Globalisierung treibt uns um. Jedenfalls mit den harten wirtschaftlichen Fakten, die sie schafft. Vor zehn Jahren trieb sie uns auch noch politisch um. Mit dem Phänomen des »Globalisierungsgegner« oder seiner abgeschwächten Form, dem »Globalisierungskritiker«, trat ein neues Kuriosum auf die politische Bühne. Ein Phänomen, das auch die NGOs ziemlich überraschte. Rasch stieg die Welthandelsorganisation WTO zum politischen »Reich des Bösen« schlechthin auf. Wie eigentlich immer, wenn sich eine Ideologie und die sie repräsentierende Organisation über alle anderen Politikbereiche erheben will, ist es fast schon vorprogrammiert, dass sie früher oder später an ihrer eigenen Hybris scheitert. Im Falle der WTO ging dies schneller als erwartet.

 

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Die Globalisierung treibt uns um. Jedenfalls mit den harten wirtschaftlichen Fakten, die sie schafft. Vor zehn Jahren trieb sie uns auch noch politisch um. Mit dem Phänomen des »Globalisierungsgegner« oder seiner abgeschwächten Form, dem »Globalisierungskritiker«, trat ein neues Kuriosum auf die politische Bühne. Ein Phänomen, das auch die NGOs ziemlich überraschte. Rasch stieg die Welthandelsorganisation WTO zum politischen »Reich des Bösen« schlechthin auf. Wie eigentlich immer, wenn sich eine Ideologie und die sie repräsentierende Organisation über alle anderen Politikbereiche erheben will, ist es fast schon vorprogrammiert, dass sie früher oder später an ihrer eigenen Hybris scheitert. Im Falle der WTO ging dies schneller als erwartet.

 

Bereits vier Jahre nach ihrer Gründung, 1999 in Seattle, scheiterte zum ersten Mal eine WTO-Ministerkonferenz. Die nächste, 2001 in Doha, konnte noch die mittlerweile fast schon legendäre »Doha Development Round« einläuten, danach gab es nur noch gescheiterte und seit 2007 gar keine Ministerkonferenzen mehr. Parallel zum Niedergang der WTO vollzog sich aber auch der schleichende Niedergang des Phänomens des »Globalisierungsgegners«. Der »Globalisierungsgegner« hat aber nicht die politische Auseinandersetzung gewonnen, für die der Kampf gegen die Freihandelsagenda der WTO stand. Die Ideologie des »Freihandels über alles« ist noch längst nicht von der politischen Tagesordnung abgetreten. Im Gegenteil, der lähmende Stillstand bei der WTO ist eigentlich ein hervorragendes Anschauungsmaterial dafür, wie man eine politische Agenda auch dann erfolgreich vorantreiben kann, wenn im zuständigen multilateralen Verhandlungsprozess gar nichts mehr geht. Für all die mittlerweile dauerfrustrierten Freunde des UN-Multilateralismus könnte – müsste! − die Handelspolitik eigentlich ein sehr lehrreiches Beispiel dafür sein, wie man auf internationaler Ebene erfolgreich und systematisch politische Fakten schaffen kann, die im multilateralen Konsens niemals beschlossen werden könnten. Umso erstaunlicher ist es, welches Schattendasein die Handelspolitik heute in der Politik auch der NGOs führt.

 

Freihandelsabkommen der EU mit anderen Ländern und Regionen haben zwar den gleichen Effekt, den wir vor zehn Jahren mit viel Weltuntergangsrhetorik beschworen haben, aber Kampagnen dagegen finden wenig Resonanz. Auch bilaterale Investitionsschutzabkommen werden weiter ohne ernstzunehmende Debatte im Parlament oder der Öffentlichkeit durchgewunken, trotz ihrer skandalösen weitreichende Schutz- und Entschädigungsansprüche für Investoren gegen die Allgemeinheit. Seltene Ausnahmen wie ACTA bestätigen die Regel – der Sturm der Empörung gegen dieses Abkommen überraschte ja nicht nur Regierungen und Parlamente, sondern genauso die »institutionalisierte Zivilgesellschaft«. Zeit also, mal wieder einen Rundbrief-Schwerpunkt zur Handelspolitik zu machen. Und vielleicht trägt es ja dazu bei, dass diesen Fragen auch in NGO-Kreisen wieder mehr Aufmerksamkeit zuteil wird…

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