Berlin, den 21. März 2000  Vor den im Bundeswirtschaftsministerium vorbereiteten Plänen zur Deregulierung der Wasserversorgung nach dem Muster der Energiewirtschaft hat in Berlin das ?Netzwerk UNSER Wasser? aus Anlass des Weltwassertages gewarnt. Eine Aufhebung des gemäß § 103 GWB noch vorhandenen geschlossenen Versorgungsgebieten zur sogenannten Herstellung von Markt und Wettbewerb verkenne die technischen, qualitativen und strukturellen Besonderheiten der Wasserversorgung. Eine Marktöffnung sei obendrein mit der Gefahr verbunden, dass die hohe Trinkwasserqualität in Deutschland herabgesetzt werde und Bemühungen um eine nachhaltige Wasserversorgung verloren gingen.
Das “Netzwerk UNSER Wasser” hat sich gebildet, um diese Bestrebungen einer kritischen öffentlichen Betrachtung zu unterziehen und einem möglichen Ausverkauf der kommunalen Wasserversorgung entgegenzuwirken. Liberalisierung und Privatisierung steht einer nachhaltigen Wassernutzung entgegen. Nach Auffassung des Netzwerkes gibt es keinen überzeugenden Grund, die im internationalen Vergleich hervorragend bewertete, zu neun Zehnteln kommunal verfasste deutsche Wasserversorgung in ihren Grundlagen anzugreifen.
Eine zukunftsfähige Wasserversorgung muss dauerhaft umweltverträglich, qualitativ hochwertig, sozial gerecht und wirtschaftlich tragfähig sein. Sie muss sich an der Gesundheit der Verbraucher orientieren und darf nicht zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen beitragen. Den Privatisierungsbestrebungen liegen hingegen ausschließlich kommerzielle Ziele zugrunde. Ökologische oder soziale Probleme bleiben unberücksichtigt. Privatisierung ersetzt öffentliche Wasserversorger und Abwasserentsorger durch private Monopole.
Die Deregulierung soll die Voraussetzungen für die Liberalisierung der Wasserwirtschaft schaffen. Liberalisierung ist die vorübergehende Öffnung des Marktes mit der Folge der Herausbildung von Großmonopolen und der langfristigen Abschaffung des Wettbewerbs zu Lasten von Umwelt und Verbrauchern.
Die Liberalisierung der deutschen Wasserwirtschaft muss verhindert werden.
Das Netzwerk UNSER Wasser fordert zudem, gesetzliche Regelungen aufzuheben, die einen Privatisierungsdruck auf die Kommunen bewirken (z.B § 18a WHG)..
Im Netzwerk UNSER Wasser arbeiten mit:
ötv, BBU-AK Wasser, Wasserverband , NaturFreunde
DNR-GK Wasser, ND-BAK Wasser , U Niedersachsen
Umweltbeauftragte der Kirchen Wasserbetriebe u.a.
Das Netzwerk UNSER Wasser hebt in Anknüpfung an die Agenda 21 die Verpflichtung jeder Wasserversorgung hervor, sich nach den Regeln des nachhaltigen Wirtschaftens zu verhalten. Dazu gehören eine möglichst ortsnahe Versorgung, die möglichst geringe Inanspruchnahme der Wasserressourcen, Vermeidung von Umweltschäden, Minimierung der Schadstoffbelastung im Trinkwasser und ein möglichst flächendeckender Gewässer-, insbesondere Grundwasserschutz. Zugleich soll kostendeckend gewirtschaftet und den Verbrauchern ein allgemein akzeptables Preisniveau geboten werden.
Mit der Deregulierung zeichnet sich nach der Auffassung des Netzwerks eine Reihe von Gefahren ab:
- Die Möglichkeiten der Kommunen schwinden, über Standortentscheidungen der Wassergewinnung, Strukturplanung, Zuweisung von Investitionsmitteln, Preisgestaltung und Gewässerschutz eigene Belange der Bürger zu kontrollieren. Die klassische Aufgabe der Daseinsvorsorge in einem der lebenswichtigsten Bereiche wird als Gestaltungsmacht ausgedünnt oder gar aufgegeben.
- Die Interessen von Kapitalübernehmern an öffentlichem Vermögen sowie die Interessen von privaten Betreibergesellschaften sind ausschließlich wirtschaftlicher Art. Deren erklärte Ziele bestehen darin, die ökonomisch attraktiven Teile der deutschen Wasserversorgung zu besitzen bzw. zu kontrollieren. Die Größe der Interessenten die allesamt keine reinen Wasserversorger sind, tendiert von vornherein zur Oligopolbildung auf nur scheinbar liberalisierten Märkten.
- Preis- und Leistungsversprechen sind deshalb mit großen Vorbehalten zu betrachten.
- Ökologisch und wasserwirtschaftlich verantwortliche Entnahmestrategien gehören bislang nicht zum Repertoire der großen Wassermultis oder der sich in Deutschland neu formierenden Multi-Utility-Unternehmen.
- Die Renditeabsichten vertragen sich kaum mit dem Bestreben, den Verbrauchern eine möglichst hohe Wasserqualität zu bieten.
- Die Kommerzialisierung der Wasserversorgung dürfte den Gewässer-, insbesondere den Grundwasserschutz, als Daueraufgabe ohne absehbaren Ertragsvorteil weit hintanstellen. Dies würde eine qualitative und finanzielle Hypothek für spätere Generationen bedeuten.
- Das Herauspicken ökonomisch interessanter Regionen und Versorgungssysteme würde die tatsächlichen Wettbewerbsbedingungen zwischen einzelnen Gebieten und zwischen größeren und kleineren Versorgungsbetrieben verzerren.
- Die Behandlung der Wasserversorgung unter Renditegesichtspunkten würde den Steuerzahlern mit Sicherheit weitere Arbeitslose oder Frührentner aufbürden.
- Eine Personalausdünnung insbesondere unter älteren Beschäftigten, die auch in den kommunalen Betrieben unter Effizienzkriterien bereits praktiziert wird, würde sich bereits in kurzer Zeit als breiter Verlust von fachspezifischem Know-how bemerkbar machen. Der bisherige intensive Wissenstransfer in der deutschen Wasserversorgung beschränkt sich dann nur noch auf das jeweils eigene Unternehmen.