Heute beginnt die dreitägige Konferenz der Agrarminister des Bundes und der Länder in Bielefeld. Auf dieser Fachkonferenz für Agrarwirtschaft und ländliche Entwicklung werden auch die laufenden Agrarverhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) ein zentrales Thema sein. Vom 13. bis 18. Dezember 2005 werden sich die 148 Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation (WTO) in Hongkong treffen, um die Spielregeln des Welthandels neu festzulegen.
Anlässlich der Agrarministerkonferenz hat das Forum Umwelt und Entwicklung, ein Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen aus dem Umwelt – und Entwicklungsbereich sowie der bäuerlichen Landwirtschaft, heute ein Positionspapier zu den laufenden WTO-Agrarverhandlungen vorgelegt. Darin fordern die 19 unterzeichnenden Organisationen die Bundesregierung auf, sich in den laufenden WTO-Agrarverhandlungen besonders für eine Ausweitung von Schutzmöglichkeiten der Entwicklungsländer im Sinne der Armutsbekämpfung, des Menschenrechts auf Nahrung und der nachhaltigen Entwicklung einzusetzen.
“Wenn das neue Agrarabkommen den effektiven Schutz von Kleinbauern vor der übermächtigen Konkurrenz von Billigimporten verbietet, ist Hunger vorprogrammiert”, erklärt Armin Paasch von der Menschenrechtsorganisation FIAN. Schon heute hungern über 600 Mio. Kleinbauern und Landlose in der Welt. Zudem profitierten diese Menschen kaum von den neuen Exportchancen, die sich aus einer Marktöffnung im Norden ergeben könnten. “Ein verbesserter Marktzugang im Norden ist nicht der Schlüssel zur Bekämpfung der globalen Armut, wie oft suggeriert wird.” Er könne zwar einen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten, allerdings nur wenn er maßvoll, unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien und mit Handelspräferenzen gezielt für ärmere Länder ausgestaltet ist.
“Es geht nicht darum, den internationalen Agrarhandel zu bremsen oder zu boykottieren”, sagt Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). “Es geht darum, dafür zu sorgen, dass der zunehmende Warenaustausch den Zielen der Armutsbekämpfung in den Entwicklungsländern dient und eine soziale und ökologische Landwirtschaft weltweit fördert.” Eine unqualifizierte Marktöffnung in Nord und Süd lehnten die Verbände ab, da sonst der Norden Lebensmittel mit Subventionen in Entwicklungsländer dumpt und weltweit tätige Export-Konzerne einen erweiterten Marktzugang von Industrieländern ausnutzen, um die bäuerliche Landwirtschaft etwa in Europa preislich und von den Standards her zu unterlaufen. Die Trennlinie verlaufe nicht so sehr zwischen Nord und Süd, sondern zwischen Agrarindustrie auf der einen und bäuerliche Landwirtschaft auf der anderen Seite. Es sei daher wichtig, beim internationalen Agrarhandel die Produktionsbedingungen stärker zu berücksichtigen. Bislang können Waren aus- und eingeführt werden, unabhängig davon wie, von wem und unter welchen Arbeitsbedingungen sie hergestellt werden. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass ein besonderer Schutz so genannter “sensibler Produkte” in der EU nur dann zu rechtfertigen sei, wenn dies nachweisbar u.a. zum Erhalt wertvoller Kulturlandschaften, Förderung einer natur- und sozialverträglichen Landwirtschaft und dem Erhalt von natürlichen Ressourcen beitrage.
Weitere Forderungen der Unterzeichner beziehen sich auf die Gestaltung der WTO-Regeln für Subventionen, die Festsetzung von Zöllen und einen bevorzugten Marktzugang insbesondere für die Least Developed Countries (LDCs). So wird unter anderem ein schnelles Ende von Exportsubventionen und anderen Formen des Dumpings gefordert, um einen Export europäischer Agrargüter zu Preisen unterhalb der eigenen Produktionskosten zu verhindern. Subventionen und Schutzinstrumente sollen für die Industriestaaten nur möglich bleiben, wenn sie deutlich enger an ökologische und soziale Kriterien gebunden werden. “Ziel sollte es sein, Subventionen nach den Kriterien einer sozial und umweltgerechten Landwirtschaft und einer nachhaltigen Entwicklung ländlicher Räume auszurichten”, erläutert Tanja Dräger de Teran, Referentin für internationale Agrarpolitik vom WWF.