GWB-Digitalisierungsgesetz: Tippelschritte mit geringer Wirkung
Für eine digitale Grundversorgung im 21. Jahrhundert!
Internetgiganten wie Google, Amazon und Facebook dominieren die digitale Ökonomie. Wichtige Märkte sind bereits in der Hand von einem Konzern (Monopole) oder werden von einigen wenigen Konzernen beherrscht (Oligopole). Sie üben eine enorme Kontrolle über Daten, App-Stores, Online-Infrastrukturen und Online-Marktplätze aus. Es liegt in ihrer Hand den Zugang zu milliardenschweren Märkten zu gewähren oder zu verwehren, weil sie aufgrund ihrer Marktmacht bzw. Intermediationsmacht eine „Torwächter“-Position innehaben. Auch digitale Plattformen wie Flixbus und Booking.com verfügen über hohe Marktanteile. Ganze Dienstleistungs- bzw- Wirtschaftssparten werden zunehmend monopolisiert zulasten des stationären Handels und der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Während staatliche Datensammlungen und Manipulationen durch „Social Scoring“ wie etwa in China zu Recht erheblich in der Kritik stehen, werden die gleichsam bedrohliche gesellschaftliche Dimension der Macht über Daten, der Besitz von detaillierten Informationen über einzelne Menschen/-gruppen und das unvorstellbar große Manipulationspotential durch Konzerne zu wenig beachtet.
Die Koalition hatte sich vorgenommen, das Kartellrecht fit für das digitale Zeitalter zu machen. Das Ergebnis ist gemessen an den Herausforderungen ernüchternd. Mit den neuen Regeln könnte das Bundeskartellamt zwar – wenn es will – missbräuchliche Praktiken der Internetgiganten untersagen und bei hoher Gefährdungslage schneller einschreiten. Aber dieses punktuelle Eingreifen greift bei „Winner-takes-it-all“-Märkten und bei vorherrschenden digitalen Monopolen bzw. Oligopolen zu kurz. Der Regierungsentwurf ist nicht geeignet, um funktionierende digitale Märkte zu gewährleisten, Marktabschottung zu verhindern und die Marktmacht der Internetgiganten zu beschränken. Damit dies gelingt, muss die Gesetzgebung bzw. das Kartellrecht stärker auf marktordnende Maßnahmen, Entflechtungsregeln und Bündelungs-verbote ausgerichtet sein. Gleichzeitig sind ein „Plattformstrukturgesetz“ und öffentliche Angebote zusätzlich erforderlich. Interessenskonflikte könnten systematisch adressiert werden, indem marktbeherrschenden Online-Plattformen eine Selbstbegünstigung verboten bzw. eine Doppelrolle als Anbieter und Marktplatz unterbunden wird.
Erforderlich sind u.a. folgende Ergänzungen:
- Datenschutz- und Verbraucherschutzorganisationen sollten ein Antragsrecht auf die Einleitung eines Verfahrens des
Bundeskartellamts erhalten.
- Es sollte eine umfängliche Liste von per se verbotenen Missbrauchstatbeständen für Digitalkonzerne unter § 19
aufgeführt werden, einschließlich eines Selbstbegünstigungsverbots (siehe § 19a GWB-RefE).
- Das Bundeskartellamt sollte bei Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb
(§ 19a GWB-RefE) eine Akquisition untersagen können, auch wenn diese unterhalb der Schwelle der
Marktbeherrschung erfolgt. Auch hier sollte die Beweislastumkehr gelten.
- Das Bundeskartellamt sollte standardmäßig eine Genehmigung von Fusionen mit Big-Data-Bezug durch eine
geeignete und entsprechend ausgestattete Datenschutzbehörde einholen.
- Um den Nachweis der Marktbeherrschung von Digitalkonzernen für die Anwendung von § 19 zu erleichtern, sollte
der Schwellenwert für die Vermutung einer Marktbeherrschung von derzeit 40 Prozent auf 20 Prozent abgesenkt
werden (§ 18). Die Vermutungsschwelle von 20 Prozent sollte auch positiv für § 19a GWB-RefE gelten.
- Es sollte eine rechtliche Grundlage für eine missbrauchsunabhängige Entflechtung als „ultima ratio“ geschaffen
werden.
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