Als Dachverbände und Netzwerke gemeinnütziger Organisationen aus unterschiedlichen Bereichen unserer Gesellschaft begrüßen wir die Vorschläge des Bundesrats zu Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht. Unsere Mitglieder leisten mit ihrem Engagement einen wichtigen Beitrag für ein vielfältiges und lebenswertes Land. Sie stiften Gemeinschaft, fördern das Zusammenleben und geben auch immer wieder kritische Impulse für die gesellschaftliche Weiterentwicklung. Die im Rahmen des Jahressteuergesetzes kürzlich angestoßenen Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht machen die Arbeit vieler gemeinnütziger Vereine und Stiftungen einfacher und entlasten sie von unnötigem Aufwand. Doch die Vorschläge sind nicht ausreichend. Um mehr Rechtssicherheit für unsere Mitglieder herzustellen, fordern wir folgende Ergänzungen:
- 1. Klarstellung im Gesetz, dass die eigenen gemeinnützigen Zwecke auch überwiegend oder ausschließlich mit politischen Mitteln verfolgt werden dürfen, solange das Abstandsgebot zu Parteien eingehalten wird. Zu diesen Mitteln können zum Beispiel auch Demonstrationen oder Forderungen an Parteien und Parlamente gehören. Nicht dazu gehört, sich selbst an Wahlen zu beteiligen. So muss sich ein Umweltverband politisch für mehr Fahrradwege oder einen besseren öffentlichen Nah-verkehr einsetzen dürfen, ein Sportverband für bessere Förderung des Breitensports. Und ein Naturschutzverband für die Ausweisung eines Naturschutzgebiets. All diese Themen lassen sich nicht „unpolitisch“ behandeln.
- 2. Klarstellung, dass sich gemeinnützige Organisationen ausnahmsweise und bei Gelegenheit für andere als die eigenen gemeinnützigen Zwecke engagieren dürfen. Dass sich zum Beispiel der Sportverein an einer Anti-Rassismus-Demonstration beteiligen kann, dass die Entwicklungshilfeorganisation zu einer Klimaschutzdemo mit aufrufen oder dass der Gesangsverein Masken zum Schutz vor Corona nähen darf, sollte zweifelsfrei möglich sein.
- 3. Aufnahme weiterer für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wichtiger gemeinnütziger Zwecke wie Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz oder Frieden. Diese Zwecke sind unzweifelhaft gemeinnützig, und das sollte sich in der Abgabenordnung widerspiegeln. Mit der Forderung nach Aufnahme von Klimaschutz, Ortsverschönerung oder der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden, erkennt der Bundesrat bereits an, dass nicht alle (auch neuen) gesellschaftlichen Themen ausreichend klar in der Abgabenordnung zum Ausdruck kommen. Aus unserer Sicht kann wenig gemeinnütziger sein als beispielsweise der Einsatz für die Menschenrechte oder den Frieden.
Wir wünschen uns über die aktuellen Gesetzesänderungen hinaus eine ernsthafte Auseinandersetzung von Bundestag, Bundesrat und Parteien mit dem Beitrag zivilgesellschaftlicher Organisationen für unsere Gesellschaft und wie dieser Beitrag in der Breite ausreichend abgesichert und gefördert werden kann. Die Corona-Krise hat den Wert zivilgesellschaftlichen Engagements auf zahlreichen Feldern erneut besonders deutlich werden lassen.
Bereits im Oktober 2019 hatten zahlreiche Dachverbände mit der Charta für Zivilgesellschaft und Demokratie auf die Bedeutung einer unabhängigen Zivilgesellschaft für eine lebendige und starke Demokratie hingewiesen: „Wir betrachten unsere Anerkennung als gemeinnützige Organisationen auch dann als berechtigt, wenn wir unbequem sind und unsere Ziele nicht im Konsens mit Parteien und politischen Interessen liegen.“
Wir teilen die in den Ausschussempfehlungen des Bundesrats enthaltene Feststellung, „dass in Teilen der Zivilgesellschaft erhebliche Unsicherheit besteht, wie weit sich steuerbegünstigte Körperschaften im Rahmen ihrer Zweckverwirklichung auch politisch engagieren dürfen, ohne dabei die Aberkennung ihrer Steuerbegünstigung zu riskieren“. Wir schließen uns der Auffassung an, „dass es im Sinne der Rechtsklarheit und -sicherheit für steuerbegünstigte Körperschaften der Zivilgesellschaft erforderlich ist, eine gesetzliche Regelung im Hinblick auf das zulässige Maß der Möglichkeit der Mitwirkung an der politischen Willensbildung im Rahmen des Gemeinnützigkeitsrechts zu schaffen und dabei eine angemessene Mitwirkung an der politischen Willensbildung zu ermöglichen“.
Einige, aber nicht alle unserer Mitgliedsorganisationen sind von der jüngsten BFH-Rechtsprechung zur Gemeinnützigkeit (Attac-Urteil, BUND-Urteil) unmittelbar betroffen. Wir sprechen daher nicht nur für einzelne Organisationen, sondern für den Sektor zivilgesellschaftlicher Organisationen. Eine lebendige Demokratie braucht eine aktive Zivilgesellschaft mit Menschen, die sich selbstlos einmischen, die Entscheidungen hinterfragen und Debatten anstoßen. Dafür muss der Deutsche Bundestag durch Klarstellungen in der Abgabenordnung nun die nötige Rechtssicherheit schaffen.